Ministerpräsidentin Anke Rehlinger: „Das wird nicht das letzte Entlastungspaket gewesen sein“
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Anke Rehlinger ist saarländische Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Chefin.
© Quelle: Oliver Dietze/dpa
Berlin. Frau Rehlinger, Ihr Vorgänger im Amt des saarländischen Ministerpräsidenten, Tobias Hans, hat im Wahlkampf ein Video vor einer Tankstelle gemacht und eine Spritpreisbremse gefordert. Wann machen Sie Ihr erstes Wutvideo vor der Tankstelle?
Nie. Wir müssen uns um zu hohe Sprit- und Energiepreise kümmern. Dafür haben wir konkrete Entlastungen durchgesetzt, die jetzt greifen. Ein Wutvideo ist nicht das richtige Mittel für eine Ministerpräsidentin oder einen Ministerpräsidenten.
Es gibt Zweifel, ob die momentane Spritsteuersenkung jetzt wirklich komplett weitergegeben wird. Gibt es da nicht Anlass, wütend zu sein?
Das war ja absehbar, und deshalb sind kartellrechtliche Überprüfungen auch direkt mit verabredet worden. Das Kartellamt muss genau hinschauen, wie viel von dem guten Steuergeld, das wir zur Entlastung der Bürger bei den Spritpreisen in die Hand nehmen, unzulässig in die Taschen der Mineralölkonzerne wandert. Ich erwarte, dass Robert Habeck diese Debatte aktiv vorantreibt.
Was muss die Politik als Nächstes konkret tun, um die Menschen angesichts steigender Energiepreise und Inflation zu entlasten?
Das wird nicht das letzte Entlastungspaket gewesen sein. Arbeitsminister Hubertus Heil hat mit dem sozialen Klimageld und Entlastungen für Menschen, die wenig Geld haben, die richtigen Vorschläge gemacht. Wir müssen reagieren und etwas auf den Weg bringen, was zusätzlich zeitnah Entlastung für Rentner und Studierende schafft. Diese Entscheidungen müssen bald fallen, damit die Entlastung spätestens im Herbst die Menschen erreicht.
Wirkt wenigstens das 9‑Euro-Ticket aus den bisherigen Entlastungspaketen der Bundesregierung wie gewünscht?
Das 9‑Euro-Ticket wird in den nächsten drei Monaten zu einer stärkeren Nutzung von Bus und Bahn führen, super! Wenn die Wirkung aber langfristig sein soll, muss der Bundesverkehrsminister dauerhaft mehr Mittel für den öffentlichen Nahverkehr bereitstellen, also wie im Koalitionsvertrag vereinbart, die Regionalisierungsmittel erhöhen. Da wünsche ich mir mehr Elan von Volker Wissing.
Beim Bund-Länder-Treffen soll es am Donnerstag auch um die Corona-Pandemie gehen. Was muss jetzt passieren, damit wir auf eine mögliche weitere Welle im Herbst gut vorbereitet sind?
Wir sollten alle miteinander versuchen, den Sommer zu genießen – aber ohne Leichtsinn mit Blick auf den Herbst. Für die Politik heißt das: Wir müssen jetzt den Instrumentenkasten prüfen, mit dem wir auf eine möglicherweise sich verschärfende Infektionslage im Herbst reagieren können. Dieses Signal wünsche ich mir auch von der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz. Das Infektionsschutzgesetz läuft in seiner jetzigen Form im September aus. Eine Neuregelung darf nicht wieder erst im letzten Moment erfolgen. Und noch eine weitere Sache müssen wir jetzt schnell regeln.
Länderchefs wollen Hin und Her zwischen Lockdown und Öffnung vermeiden
Beim Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag in Berlin geht es vor allem um neue Corona-Maßnahmen für den Herbst.
© Quelle: Reuters
Nämlich?
Die Finanzierung der Bürgertests. Die Zusagen der Bundesregierung gelten hier bis Ende Juni. Die FDP möchte sich das Auslaufen der Finanzierung dieser Bürgertests als weiteren Punkt auf ihrer Freedom-Day-Liste markieren. Das geht so nicht. Die Länder brauchen eine Zusage von Bundesfinanzminister Christian Lindner für eine weitere Finanzierung. Sonst machen die Testcenter dicht – und wir müssen uns im September erst mal darum kümmern, dass sie wieder öffnen.
Muss es im Herbst und Winter wieder möglich sein, die Maskenpflicht in Schulen auch landesweit zu verhängen?
Ja, ich glaube, dass die Maske ein guter Schutz und ein vergleichsweise kleiner Eingriff in die Freiheit ist. Oberste Priorität muss haben, dass wir die Schulen auch im Herbst und Winter auf jeden Fall offen halten. Eine Maskenpflicht ist ein Weg, um im Fall der Fälle mehr Sicherheit schaffen zu können. Ob man das Instrument dann zieht, ist eine ganz andere Frage. Die Möglichkeit brauchen wir aber.
Sie haben im Saarland eine absolute Mehrheit errungen, die Bundes-SPD ist in Umfragen zurückgefallen. Was kann Olaf Scholz von Ihnen lernen?
Olaf Scholz macht seine Arbeit sehr gut. Dazu gehört auch, dass er in einer schwierigen weltpolitischen Lage immer die Nerven behält und seine Politik nicht nach Umfrageschwankungen richtet. Er braucht meinen Rat nicht.
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