Verjährung und Mangel an Beweisen: Ermittlungen nach Münchner Missbrauchsgutachten eingestellt
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Ein Kreuz hängt an der Wand, während einer Pressekonferenz zum Gutachten zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im katholischen Erzbistum München und Freising.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa-Pool/dpa
München. Die Erzdiözese von München und Freising ist bundesweit nicht die einzige, in deren Gebiet sich Priester sexueller Übergriffe gegen Minderjährige schuldig gemacht haben. Aber es ist die einzige, in der es in einem erzbischöflichen Ordinariat eine Razzia gegeben hat, um ein Geheimarchiv zu finden und etwas, das Ermittelnde einen „Giftschrank“ nennen.
Es ist auch der einzige Missbrauchskomplex, in dem kurz gegen einen Ex-Papst ermittelt wurde und ein Ex-Kardinal als Beschuldigter geführt wurde. Alle Fälle mussten aber letztlich eingestellt werden, erklärten nun Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst und Ermittlungsstaatsanwältin Angela Miechielsen. Gründe waren Verjährung oder ein Mangel an Beweisen, wobei es manchmal sehr knapp war.
Allen anfangs 45 von der Staatsanwaltschaft München 1 ins Auge gefassten Fällen von potenzieller Beihilfe zu sexuellem Missbrauch lag dabei ein ähnliches Muster zugrunde. Ein Priester hatte solche Taten begangen, wurde von kirchlichen Personalverantwortlichen kirchenintern weiterversetzt und konnte so neue Sexualstraftaten begehen. Solange der Missbrauch als Haupttat nicht verjährt ist, einem für die Versetzung verantwortlichen Generalvikar oder Kardinal die früheren Taten bekannt waren und dieser weiteren Missbrauch zumindest billigend in Kauf genommen hat, könnten die Betroffenen wegen Beihilfe strafrechtlich verfolgt werden, erklärte Kornprobst. „Die Hürden dafür sind hoch“, assistierte Miechielsen.
Ratzingers potenzielle Beihilfe ist verjährt
In jedem der sechs Fälle, die am Ende genauer untersucht wurden, waren sie aber zu hoch. Am knappsten an einer strafrechtlichen Verfolgung vorbeigeschrammt sind der frühere und jüngst verstorbene Münchner Kardinal sowie Erzbischof Joseph Ratzinger, der dann zu Papst Benedikt wurde, sowie Ex-Kardinal Friedrich Wetter.
Ratzinger hatte in den 80er-Jahren einen pädophilen Priester in eine Pfarrei versetzt, wobei er von dessen Neigung und sexuellen Übergriffen wusste. Nach seiner Versetzung beging der Priester weitere Übergriffe, obwohl ein Therapeut die Kirche davor gewarnt hatte, ihn wieder mit Minderjährigen in Kontakt kommen zu lassen. Ratzingers potenzielle Beihilfe aber ist verjährt, stellt Miechielsen klar. Aus dem Grund seien insgesamt fünf der sechs genauer untersuchten Fälle eingestellt worden.
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Ich krieg die Krise!
Sie umgibt uns, sie macht uns Angst, sie lähmt uns: die Krise. Von ihr gibt es mittlerweile so viele, dass sich das Leben anfühlt wie im Krisenmodus. Auch im ganz Persönlichen findet sich immer eine Phase, in der nicht alles gut ist. Vielleicht ist das aber der Lauf der Dinge – und kein Grund, das Wort so inflationär zu gebrauchen.
Beim sechsten Fall, der bis zuletzt verfolgt wurde, waren der heute 95-jährige Wetter und Ex-Generalvikar Gerhard Gruber betroffen. Hier habe es Anhaltspunkte zu zwei noch nicht verjährten sexuellen Übergriffen als Haupttaten gegeben, erklärte Miechielsen. Täter war ein 2018 verstorbener Priester, der 1962 wegen sexuellen Missbrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war.
In der Sauna im Intimbereich berührt
Nach seiner Freilassung wurde er aber als Krankenhausseelsorger wieder eingesetzt, wo der Priester mit minderjährigen Ministranten in Kontakt kam. Zwei Opfer haben die Ermittler aufgetan, an denen sich der Priester dann erneut vergangen hat. Von einem damals Zwölf- oder 13-jährigen ließ er sich in einem Fahrstuhl durch seine Hosentasche am erigierten Penis berühren. Einen damals Elf- bis 13-jährigen hat er über Jahre hinweg in seine Privatsauna eingeladen und ihn dort am Penis berührt. Deshalb wurden Wetter und Gruber zeitweise als der Beihilfe Beschuldigte geführt.
Wetter konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass er von den früheren Straftaten des Priesters wusste. Das war zwar kirchenintern aktenkundig. Aber es hätte bewiesen werden müssen, dass Wetter diese Akten kannte, sagen die Ermittelnden zur Rechtslage. Wetter habe angegeben, sich an nichts mehr erinnern zu können. Dem 1990 aus dem Kirchendienst ausgeschiedenen Gruber habe man nicht beweisen können, dass er zu den zehn Jahre später begangenen Taten vorsätzlich beigetragen habe.
Im Zuge ihrer Ermittlungen wurden die Staatsanwälte auch auf die Existenz eines Geheimarchivs und eines „Giftschranks“ in den Räumen des erzbischöflichen Ordinariats München aufmerksam gemacht. Dort habe man dann Mitte Februar eine Razzia durchgeführt, erzählen die Ermittelnden. In einem als Geheimarchiv dienenden Tresor sei nichts Belastendes gefunden worden. Der Giftschrank sei schon 2011 aufgelöst worden.
Einen weiteren Verdachtsfall habe man nicht weiter verfolgen können, weil ein Missbrauchsopfer, das sich 2019 anonym gemeldet hatte, nicht auffindbar war. Dabei handelt es sich um einen Fall des Priesters Alfons L. Würde sich dieses Opfer melden, könne man die Ermittlungen wieder aufnehmen, sagte Miechielsen.