Kommandeurin Biefang: „Die Bundeswehr darf nicht so tief in mein Privatleben eingreifen“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YKNRUO7WGJEPVDCAX34HULY3F4.jpeg)
25.05.2022, Sachsen, Leipzig: Anastasia Biefang, Kommandeurin der Bundeswehr, steht im Bundesverwaltungsgericht. Die Instanz verhandelt über eine Disziplinarmaßnahme gegen Biefang wegen ihres Profils in einem Dating-Portal. Die Disziplinarmaßnahme war verhängt worden, weil die Soldatin ihrer Pflicht zum ordnungsgemäßen außerdienstlichen Auftreten nicht gerecht geworden sei. Die Kommandeurin wehrt sich dagegen. Foto: Sebastian Willnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
© Quelle: Sebastian Willnow/dpa
Berlin. Frau Biefang, Sie haben 2019 auf einem Datingportal für sich mit folgenden Worten geworben. „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat nun einen Verweis bestätigt, den die Bundeswehr Ihnen deswegen erteilt hat. Haben Sie das erwartet?
Ich bin überrascht und enttäuscht. Ich hatte damit gerechnet, dass das Gericht erkennt, dass der Dienstherr nicht so tief in mein Privatleben eingreifen darf. Alles, was ich auf der Datingplattform gemacht habe, war außerhalb des Dienstes und ohne Bezug zum Dienst. Meine damalige herausgehobene Stellung als Kommandeurin und mein Bekanntheitsgrad kann doch nicht dazu führen, dass mir verboten wird, etwas völlig Alltägliches zu machen, wie Geschlechtsverkehr zu suchen.
Das Gericht argumentiert mit einer „außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht“ für Soldaten und Soldatinnen in einer besonders hervorgehobenen dienstlichen Stellung.
Die Wohlverhaltenspflicht im Soldatengesetz ist so unbestimmt – da kann jeder Vorgesetzte nach seinen Moralmaßstäben urteilen. So ein Gummiparagraph öffnet Tür und Tor für Diskriminierung und Verfolgung. Da muss es eine Klarstellung geben. Es passt doch nicht zusammen, dass die Bundeswehr sich ihre Offenheit zugute hält, dann aber mit antiquierten Moralvorstellungen agiert.
Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe das Profil nicht selber meinem Vorgesetzten gezeigt. Irgendjemand hat einen Screenshot von meinem Datingprofil gemacht und an die Bundeswehr geschickt.
Wo sind die Grenzen des Privaten?
Das Private der Soldaten darf für den Dienstherrn erst dann interessant sein, wenn es ihn tatsächlich berührt. Das gilt für Straftaten – das kann die Achtung für die Bundeswehr natürlich beeinträchtigen. Für einen unbestimmbaren Grenzbereich gilt das nicht. Was ich gemacht habe, ist absolut gedeckt von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ich schädige damit weder andere noch meine dienstliche Stellung.
Wie war denn die Rückmeldung bei Ihren Untergebenen?
Ich bin mit dem ganzen Vorgang sehr offenen umgegangen. Es war mir wichtig, das Vertrauen der mir unterstellten Soldaten zu haben. Aber es gab keinerlei negative Rückmeldung. Ich hätte mich ablösen lassen, wenn das für meine Leute ein Problem gewesen wäre. Aber ich habe das Bataillon dann noch über ein Jahr regulär weiter geführt.
Was ist die Konsequenz des Urteils?
Das Urteil bekräftigt, dass die Disziplinarmaßnahme eines Verweises rechtmäßig ist. Der verbleibt drei Jahre lang in meiner Personalakte, danach wird er getilgt. Im August dieses Jahres wäre er dann wieder weg. Aber darum geht es mir nicht. Es geht mir darum, dass es ungerecht und falsch ist, mein Verhalten zu maßregeln.
Haben Sie Ihr Datingprofil gelöscht?
Ich habe es gelöscht. Aber ich habe ein neues – mit einem anderen Text. Wenn ich nach dem Urteil gehe, müsste ich mir den künftig von meinen Vorgesetzten genehmigen lassen. Man müsste sein Privatleben offenlegen, weil unklar ist, wie die Maßstäbe für Sanktionen sind. Das ist doch absurd.
Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter.