Newsletter „Hauptstadt-Radar“

Das neue Anti-Weißwurst-Wahlrecht

Zwei bayerische Weißwürste auf Holz.

Zwei bayerische Weißwürste auf Holz.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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die Pläne der Ampelregierung zur Wahlrechtsreform haben Sie bestimmt verfolgt: Künftig eine Obergrenze von 630 Abgeordneten. Wenn eine Partei weniger Zweitstimmen als Wahlkreise gewonnen hat, können Direktmandate verloren gehen. Und dann ist da noch die überraschend in das Gesetz verhandelte Regelung, wonach die Grundmandatsklausel wegfällt. Das heißt, wenn die Linken – wie in dieser Wahlperiode – mit 4,9 Prozent und drei Direktmandaten aus einer Bundestagswahl gehen, dürfen sie nicht mehr in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen. Gleiches könnte der CSU passieren, die aktuell bundesweit bei 5,2 Prozent liegt.

Anders als die Linken besteht die CSU-Landesgruppe im Bundestag allerdings ausschließlich aus direkt gewählten Abgeordneten. Es sind 45. In ganz Bayern haben bei der Bundestagswahl 2021 nur die Grünen noch ein Direktmandat in München-Süd erringen können. Wenn die CSU bei einer Bundestagswahl im Zweitstimmenergebnis also unter 5 Prozent rutschen sollte, fielen diese Mandate komplett weg. Nichts. Niemand. Die blau-weiß karierten Fahnen in Berlin müssten eingerollt werden.

Markus Söder und seine berüchtigten politischen 180-Grad-Wenden: Die CSU hat den Kabarettisten des Landes stets viel Stoff geboten.

Markus Söder und seine berüchtigten politischen 180-Grad-Wenden: Die CSU hat den Kabarettisten des Landes stets viel Stoff geboten.

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Nun reibt sich der Rest der Republik oft genug an der CSU: Ausländermaut und Herdprämie, Seehofer und Scheuer, Söder und seine berüchtigten politischen 180-Grad-Wenden, Laptop und Lederhose. Mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Selbstbezogenheit hat die CSU den Kabarettisten im Land stets viel Stoff geboten und den Rest der Republik oft genug genervt. Und nun kommt das Mia-san-Mia als scharfer Bumerang in Form eines Gesetzentwurfs zum neuen Anti-Weißwurst-Wahlrecht zurück. Auf Fragen, ob es denn ihr Ernst sei, ein Gesetz vorlegen zu wollen, das die Regionalpartei CSU plattmachen kann, zucken die Ampelkoalitionäre im Regierungsviertel nur mit den Schultern. „Wird sicher vor das Verfassungsgericht gehen“, bekommt man zur Antwort.

Klar, jedes neue Wahlrecht wäre vor dem Verfassungsgericht gelandet. Schließlich geht es beim Wahlrecht um die Grundfesten der Demokratie – um das Bestimmen von Mehrheiten und das Verteilen von Macht. Während es also nach wie vor eine Regelung für die nationale Minderheit des Südschleswigschen Wählerverbandes gibt, der aktuell mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten ist, lässt man eine so große Regionalpartei vor die Pumpe flitzen? Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, liebe Ampel.

Teuer und nicht effizient: ein Bundestag in XXL-Größe.

Teuer und nicht effizient: ein Bundestag in XXL-Größe.

Kleiner Exkurs: Ich gehöre zu jenen, die eine Reform des Wahlrechts und eine Verkleinerung des Bundestags für mehr als überfällig halten. Dieser XXL-Bundestag ist teuer und nicht effizient. Ich finde es auch zumutbar und betrachte es keinesfalls als Untergang der Demokratie, wenn in wenigen Fällen Direktkandidaten nicht ins Parlament einziehen können – insbesondere jene, die sich mit einem Ergebnis von unter 30 Prozent gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben. Warum sich die Union, insbesondere die CSU in den vergangenen Jahren dagegen gesperrt hat, bleibt ein Rätsel. Dass die CSU nun zur großen Verliererin der Wahlrechtsreform der Ampel wird, hat sie sich also selbst zuzuschreiben. Kompromisse wären möglich gewesen.

Dass die Ampel wiederum den Eindruck erweckt, als wolle sie sich via Wahlrecht der lästigen CSU entledigen, wirft wiederum ein schlechtes Licht auf das Demokratieverständnis von SPD, Grünen und Liberalen. Deutschland verfügt mit der Fünf-Prozent-Hürde über eine hohe Schwelle für den Einzug einer Partei in den Bundestag. Die Regelung liegt historisch in der Weimarer Republik begründet, in der unter anderem die zerklüftete Parteienlandschaft im Reichstag den Nazis den Weg zur Macht gebahnt hat.

Ein Bild, das man aus der Tagesschau kennt:Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe mit Professor Dr. Henning Radtke (links).

Der Gang nach Karlsruhe ist sicher: Das neue Wahlrecht wird wohl vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

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Wenn Parteien nun regional so stark sind, dass sie Direktmandate gewinnen können, sollten ihnen diese in einer föderalen Republik auch gewährt werden. Es spricht nichts dagegen, Direktmandate für CSU, Linke und andere Parteien unabhängig von der Fünf-Prozent-Hürde zuzuteilen – so lange die Zahl ihrer Sitze im Parlament das Zweitstimmenergebnis nicht übertrifft. Volle Fraktionsstärke bei nur drei Direktmandaten – ohne Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde – muss nicht sein. Im Fall der Linken wären dies aktuell nur drei – und nicht 39 – Mandate.

Zumal die von der Ampel verbreitete Lösung für die Union, CDU und CSU sollten für den sicheren Einzug der CSU in den Bundestag gemeinsame Wahllisten bilden, nach der aktuellen Gesetzeslage nicht möglich ist.

Am Freitag soll das neue Wahlrecht im Bundestag abgestimmt werden. Es sieht danach aus, als stünde die Mehrheit. Genauso sicher ist der Gang der Union nach Karlsruhe. Das Urteil von dort muss schnell kommen, damit für die Bundestagswahl 2025 Sicherheit herrscht.

 

Bittere Wahrheit

Wir beziehen 98 Prozent unserer seltenen Erden und 93 Prozent unseres Magnesiums aus China.

Ursula von der Leyen

EU-Kommissionschefin

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Die Abhängigkeit der EU allgemein und der Deutschen Wirtschaft im Besonderen von China ist noch deutlich größer als es die Abhängigkeit von Russland vor dem Krieg je war. EU-Kommissionschefin von der Leyen will daher in der EU ein Gesetz über wichtige Rohstoffe durchsetzen, das Produktionsziele für Europa festlegt. Nach dem Plan der CDU-Politikerin sollen etwa der Jahresbedarf bestimmter Erze oder Mineralien zu mindestens 10 Prozent in der EU gefördert werden.

Will in der EU ein Gesetz über wichtige Rohstoffe durchsetzen, das Produktionsziele für Europa festlegt: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.

Will in der EU ein Gesetz über wichtige Rohstoffe durchsetzen, das Produktionsziele für Europa festlegt: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.

 

Wie Demoskopen auf die Lage schauen

Das kleine Zwischenhoch der Union nach der Berlin-Wahl ist nach der aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa schon wieder verpufft. „Mit zunehmendem Abstand zur Berlin-Wahl wir den Wahlbürgern wieder bewusst, dass bundesweit nur die von Merz geführte Union gewählt werden kann“, schreiben die Demoskopen. Der Zustand der Union bereitet den Bürgerinnen und Bürgern zurzeit aber kein großes Kopfzerbrechen. Top Thema bleibt der Forsa zufolge der Krieg in der Ukraine, den 68 Prozent der Bevölkerung zu den wichtigsten Themen zählen. Gefolgt von der Frage der Energieversorgung (35 Prozent). Den Komplex Klima und Umwelt zählen aktuell nur 11 Prozent zu den wichtigsten Themen. Die Streiks summieren 5 Prozent der Befragten unter die wichtigsten Themen. Das Thema könnte ab dem 27. März nach der dritten Verhandlungsrunde von Verdi mit den Arbeitgebern an Fahrt aufnehmen.

In der Sonntagsfrage ist die Union wieder unter 30 Prozent gerutscht.

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Das ist auch noch lesenswert

Jan Emendörfer ist beim RND der Experte für Osteuropa. Er hat Putins Hunger nach mehr Land ausgeleuchtet und detailliert beschrieben, wie der russische Machthaber schon seit Jahren die ehemaligen Sowjetstaaten versucht zurück zu Russland zu holen. Wie gefährlich die Lage für Russlands Nachbarn aktuell ist, lesen Sie hier. (+)

Unseren Krisenreporter Can Merey habe ich in dieser Rubrik schon häufiger erwähnt. Er ist übrigens gerade wieder in Berlin. Seine Geschichte über die Panzerhaubitze 2000, wie sie an der Ostfront in der Ukraine zum Einsatz kommt und warum die Soldaten sie nur auf Socken betreten, empfehle ich sehr. (+)

Eine deutsche Panzerhaubitze wartet in der Ukraine zwischen Bäumen auf ihren nächsten Einsatz.

Eine deutsche Panzerhaubitze wartet in der Ukraine zwischen Bäumen auf ihren nächsten Einsatz.

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„Dass zwei Mädchen in diesem Alter ein anderes Mädchen erstechen, das habe ich in 40 Jahren noch nicht erlebt“, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Helmut Remschmidt meiner Kollegin Miriam Keilbach zu der unfassbaren Tat von Freudenberg. Der Fachmann meint, die Motivsuche sei nun wichtig. „Dass sie einfach so, ohne Vorgeschichte, getötet haben, nur, weil sie jemanden sterben sehen wollten, ist außerordentlich unwahrscheinlich.“ Was der Psychiater noch zu dem Fall sagt, lesen Sie hier.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist am Donnerstag in Berlin zu Gast. Für Scholz wird der Besuch des Chefs einer rechts-religiösen Regierung ein schwieriger Balance-Akt. Kristina Dunz kommentiert: „Kritik unter Freunden muss erlaubt sein“. Sie hat im Vorfeld des Besuchs auch mit dem früheren israelischen Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, darüber gesprochen, was er vom Kanzler bei dem Besuch erwartet.

Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Samstag wieder. Dann berichtet meine Kollegin Kristina Dunz. Bis dahin!

Herzlichst

Ihre Eva Quadbeck

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