Juli Zeh rechtfertigt offenen Brief an Kanzler Scholz
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/H5AYR4FQ6SBBFHQ3JR6PMRNU6M.jpg)
Die Schriftstellerin Juli Zeh gehört zu den Unterzeichnern eines umstrittenen offenen Briefes an Bundeskanzler Olaf Scholz. Nun rechtfertigte die Autorin das heftig kritisierte Plädoyer gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.
© Quelle: Susannah V. Vergau/dpa
Der offene Brief mehrerer deutscher Intellektueller mit der Warnung vor einem Dritten Weltkrieg durch Waffenhilfe für die Ukraine erntete in Medien und sozialen Netzwerken heftige Kritik. Prominente wie Alice Schwarzer, Juli Zeh und Dieter Nuhr appellierten darin an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), keine weiteren schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Schriftstellerin Juli Zeh rechtfertigte am Sonntag das Schreiben in einem Interview mit der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ).
Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir Putin mit Waffenlieferungen ‚stoppen‘ können.
Juli Zeh,
Schriftstellerin, gegenüber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ)
Vergangene Erfahrungen mit Konflikten auf der ganzen Welt hätten immer wieder gezeigt, „dass Waffenlieferungen das Leid der Zivilbevölkerung häufig nicht mindern, sondern Kriege verlängern, intensivieren und ausdehnen können“, betonte Zeh.
+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++
Die Unterzeichnerin des Briefes glaube nicht daran, dass Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine schnell beenden und den Menschen Leid ersparen würden.
Zeh: Brauchen öffentlichen Diskurs
Anstatt schwere Waffen an das Kriegsland zu liefern, plädiert Zeh dafür, einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung gesellschaftlich vorzubereiten. „Wir müssen sofort damit anfangen“, sagte die Schriftstellerin gegenüber der MAZ. „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass es keinen klaren Sieg über Putin geben wird“, erklärt Juli Zeh im Interview. Um weiteres Leid zu verhindern, werde es eine Lösung geben müssen, bei der Putin Zugeständnisse bekomme.
Die Brandenburger Schriftstellerin Juli Zeh gehört zu den Erstunterzeichnern des Briefes. Ihre Motivation hinter der Unterzeichnung rechtfertigt die Autorin damit, einen differenzierten Diskurs über die Frage anstoßen zu wollen, wie man im Krieg in der Ukraine weiter vorgeht. „Das ist höchstwahrscheinlich eine der wichtigsten Fragen des Jahrzehnts.“ Es sei eine schwierige Abwägung vonnöten, die auch gesellschaftlich besprochen werden müsse.
Scholz zu pazifistischen Forderungen: „Das ist aus der Zeit gefallen!“
Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte am Sonntag radikalpazifistische Forderungen mit Hinblick auf den Krieg in der Ukraine. „Ich respektiere jeden Pazifismus, ich respektiere jede Haltung, aber es muss einem Bürger der Ukraine zynisch vorkommen, wenn ihm gesagt wird, er solle sich gegen die Putin‘sche Aggression ohne Waffen verteidigen“, erklärte Scholz bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Düsseldorf. „Das ist aus der Zeit gefallen!“
Auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hat den offenen Brief mehrerer Prominenter mit der Warnung vor einem Dritten Weltkrieg durch Waffenhilfe für die Ukraine kritisiert. „Wo sollen ‚Kompromisse‘ sein, wenn Putin völkerrechtswidrig ein freies europäisches Land überfällt, Städte dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten ermordet werden und Vergewaltigung systematisch als Waffe gegen Frauen eingesetzt wird?“, sagte Haßelmann in einem Interview der „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ am Montag.
Niemand mache sich die Entscheidung über Waffenlieferungen einfach. In Politik, Parlament und Gesellschaft müsse darüber debattiert werden. Aber: „Dabei sollte sich niemand anmaßen, über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg entscheiden zu können.“
RND/hyd/dpa