Olympia 2036 in Berlin: nicht nur aussichtslos, sondern schädlich
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Außenansicht vom Olympiastadion, das für die Olympischen Spiele 1936 errichtet worden war. In der Hauptstadt laufen die Debatten über eine Bewerbung um Olympia 2036 (Archivfoto).
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Berlin. Immer wieder mit demselben Kopf durch dieselbe Wand stoßen zu wollen gilt als eine Definition von Wahnsinn. Dass Bundesinnen- und -sportministerin Nancy Faeser jetzt trotzdem dafür plädiert hat, Deutschland möge sich erneut um die Austragung olympischer Spiele bemühen, kann aber auch daran liegen, dass sie – aus unerfindlichen Gründen – glaubt, die Rahmenbedingungen dafür hätten sich gegenüber den vielen vergeblichen Versuchen der Vergangenheit geändert.
Zwar bleibt es ihr Geheimnis, warum die bislang verlässliche Ablehnung der Bevölkerung, die auch dem Internationalen Olympischen Komitee stets sauer aufstieß, ausgerechnet dieses Mal, in Zeiten von Krisen, Protest und verschiedenstem Wutbürgertum, der nötigen Sportbegeisterung weichen soll. Zumal diese Begeisterung sich nicht nur in der Bewerbung gut macht, sondern auch gebraucht würde, um die erforderlichen Millionensummen und Bereitschaft zu massiven Alltagseinschränkungen aufzubringen.
100 Jahre nach Hitlers Olympischen Spielen
Aber dazu könnte man vielleicht lakonisch sagen: Versuch macht klug. Wer jedoch bei klarem Verstand ist, würde mit diesem Versuch nicht ausgerechnet auf die nächstmögliche Runde zielen, nämlich das Jahr 2036 – und dann Berlin als Austragungsort ins Spiel bringen: zum 100. Jahrestag der großen Nazi-Festspiele, zu denen Adolf Hitler die Spiele 1936 in Berlin gemacht hatte.
Siebenmal hat sich Deutschland seit der Wiedervereinigung als Austragungsort für Olympische Spiele beworben – und ist siebenmal grandios gescheitert, darunter mit dem eigentlich charmanten Versuch, für die Spiele 2012 vom positiven Image Leipzigs als Stadt der friedlichen Revolution von 1989 zu profitieren. In der Messestadt gab es seinerzeit sogar große Sympathien der Einwohnerinnen und Einwohner. Doch selbst dieses positive Gesamtbild konnte das IOC nicht gnädig stimmen: Leipzig scheiterte schon in der Vorrunde an technisch-organisatorischen Kriterien.
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Darauf muss man erst mal kommen
Und nun soll ausgerechnet „Berlin 36″ die Welt begeistern? Allen Ernstes hat Nancy Faeser die Idee entworfen, das bereits im Alltag dauerüberlastete Berlin könne die Spiele nicht TROTZ des historischen Schattens ausrichten, sondern WEGEN. Faeser schwebt offenbar körperlich aktive Vergangenheitsbewältigung vor: Mit umso bunteren Bildern würde man das schwarz-weiße Grauen der Zwischenkriegszeit übermalen.
Darauf muss man erst mal kommen: Das deutsche Interesse daran, die Schande von 1936 hundert Jahre später endlich auszumerzen, soll die Welt überzeugen, dafür ihre Olympioniken und Sportfans als Statistinnen und Statisten beizusteuern. Bislang hatte man das Wort von Deutschland als Moralweltmeister für Spott gehalten, doch nun strebt die Ministerin offenbar ernsthaft eine Goldmedaille an.
Unklar bleibt allerdings, wie Deutschland dem IOC die Angst davor ausreden will, dass angesichts des einschlägigen Datums Berlin zum Aufmarschgebiet nostalgischer Neonazis und linker Gegendemonstrierender wird und die Schlachten womöglich weniger im Sport als mit der Polizei und auf den Straßen gefochten würden.
Es wird ohnehin nicht gelingen
Schon klar: Die Gefahr olympischer Spiele in Berlin bestand ohnehin nie, denn so sicher wie jede offizielle Bewerbung der Hauptstadt ist der folgende Einspruch von Bürgerinitiativen samt Volksentscheid und schlussendlicher Ablehnung eines solchen Kommerzgroßereignisses.
Indem Nancy Faeser ihre Olympiaträume nun aber offensiv mit dem Jahrestag der Nazi-Spiele verknüpft, hat sie aus aussichts- und folgenlosem Gerede Schlimmeres gemacht: eine Debatte, die Deutschland geschichtsvergessen und egozentrisch wirken lässt. Also: einen Schaden ohne Not.