Pentagon über abgeschossenen Ballon: China betreibt seit „mehreren Jahren“ Spionage-Programm
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Dieses von der U.S. Navy zur Verfügung gestellte Bild zeigt Matrosen der Explosive Ordnance Disposal Group 2 bei der Bergung eines Höhenüberwachungsballons vor der Küste von Myrtle Beach.
© Quelle: ---/U.S. Navy via AP/dpa
Washington. Der kürzlich über US-Territorium abgeschossene chinesische Ballon soll nach Pentagonangaben Teil eines umfangreichen Überwachungsprogramms gewesen sein. Die Führung in Peking betreibe das Programm bereits seit „mehreren Jahren“, teilte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, am Mittwoch mit. Ähnliche Ballons seien in den Amtszeiten von Präsident Joe Biden und dessen Vorgänger Donald Trump bei vier Gelegenheiten über amerikanisches Territorium gezogen. Allerdings seien sie damals nicht sofort als Spionageballons identifiziert worden.
Durch „nachträgliche geheimdienstliche Analysen“ habe sich bestätigt, dass die Ballons Teil chinesischer Spionagebestrebungen seien. Bei den Nachforschungen hätten die USA „noch viel mehr“ über das Programm in Erfahrung gebracht, ergänzte Ryder. Weitere Einzelheiten zu den anderen Ballons wollte er zunächst nicht nennen. Auf Nachfragen gab der Sprecher später nur preis, dass die Ballons über Stätten geflogen seien, „die für die Chinesen von Interesse“ gewesen seien.
Im Februar 2022 hatte der für Hawaii zuständige Majorgeneral Kenneth Hara via Tweet von einem Ballon über der Insel Kauai berichtet. Das Indopazifische Kommando habe ein Objekt in großer Höhe entdeckt, das in der Nähe der hawaiianischen Inseln in der Luft schwebe, schrieb er damals. Man habe daraufhin ein Flugzeug geschickt, um es abzufangen. Laut Hara wurde bestätigt, dass es sich um einen unbemannten Ballon ohne Identifikationskennzeichnung gehandelt habe.
Nach Ballon-Abschuss: USA werten Trümmerteile aus
Vor der Küste South Carolinas bergen die USA Trümmer eines mutmaßlichen Spionageballons aus China aus dem Wasser.
© Quelle: dpa
Ballon über Hawaii nicht abgeschossen
Ob das Objekt zu den vier genannten Zwischenfällen um Ballons für mutmaßliche Spionagezwecke gehörte, wollte Pentagonsprecher Ryder nicht sagen. Die Pacific Air Forces, das regionale Kommando der Luftwaffe im Indopazifik-Raum, schoss den Ballon über Hawaii damals nach eigenen Angaben nicht ab.
Vor der Küste von South Carolina hatte am vergangenen Samstag jedoch ein US-Kampfjet den jüngsten Ballon vom Himmel geholt. Einsatzkräfte der Marine und der Küstenwache waren am Mittwoch noch mit der Bergung von Trümmerteilen des abgeschossenen Ballons beschäftigt.
China kritisierte den Abschuss scharf und betonte, es habe sich um einen zivilen Ballon für meteorologische Forschungen gehandelt. Auf Nachfragen zu der Erklärung aus Peking entgegnete Ryder am Mittwoch jedoch: „Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht für zivile Zwecke war(...) darüber sind wir uns zu 100 Prozent im Klaren.“
US-Präsident Joe Biden verteidigte unterdessen seine Reaktion auf den Ballon. „Ich habe das Militär angewiesen, ihn auf sicherem Wege abzuschießen“, sagte Biden bei einem Interview in der Abendsendung „Newshour“ des Senders PBC am Mittwoch (Ortszeit). Das Militär habe ihm mitgeteilt, dass es nicht sicher sei, den Ballon über Land abzuschießen, und dass man durch Beobachtung des Überflugs vieles lernen könne. „Sobald sie die Möglichkeit hatten, ihn über dem Wasser abzuschießen, taten sie das und bargen wichtige Teile davon“, sagte Biden.
Für seinen Umgang mit dem Vorfall war der Demokrat Biden von prominenten US-Republikanern scharf kritisiert worden. Die Gouverneurin des südlichen US-Bundesstaates Arkansas, Sarah Huckabee Sanders, warf Biden mangelnde Führung vor. „Die Weigerung des Präsidenten, China, unserem stärksten Gegner, die Stirn zu bieten, ist gefährlich und inakzeptabel“, sagte die Republikanerin und frühere Sprecherin des Ex-Präsidenten Donald Trump am Dienstagabend nach Bidens Rede zur Lage der Nation im Kongress. Biden sei nicht bereit, „unsere Grenzen, unseren Luftraum und unsere Bevölkerung zu verteidigen“. Er sei als Oberbefehlshaber ungeeignet.
Ballon-Affäre belastet Beziehungen zwischen USA und China
US-Außenminister Blinken verschob seine unmittelbar bevorstehende China-Reise und sprach von einer „klaren Verletzung des Völkerrechts“.
© Quelle: Reuters
Biden: USA und China suchen keinen Konflikt
Auf die Frage, ob die Beziehungen zwischen den USA und China durch den Abschuss einen schweren Schlag erlitten hätten, antwortete Biden in dem Interview mit einem klaren „Nein“. Er könne dies sicher sagen, weil die beiden Länder miteinander im Austausch seien. Biden bekräftigte, dass die USA mit China im Wettbewerb stünden, aber keinen Konflikt suchten.
Peking bezeichnete die anhaltenden Spionagevorwürfe aus Washington unterdessen als „Informationskrieg“. „Ich denke, das ist Teil des Informationskrieges, den die USA gegen China führen“, sagte die Sprecherin des Pekinger Außenministeriums, Mao Ning, am Donnerstag. Die internationale Gemeinschaft wisse genau, wer in Wirklichkeit „die Nummer Eins unter den Spionage- und Überwachungsimperien“ sei, so Mao Ning weiter.
Außenminister Antony Blinken sagte unterdessen, die USA hätten Dutzende Länder über das Programm Chinas informiert, das US-Regierungskreisen zufolge fünf Kontinente umfasst. „Die Vereinigten Staaten waren nicht das einzige Ziel“, erklärte Blinken auf einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Washington.
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Stoltenberg schloss sich der Einschätzung über das Ausmaß der mutmaßlichen chinesischen Aktivitäten an. Der Zwischenfall um den Ballon „bestätigt ein Muster chinesischen Verhaltens“. Peking habe massiv in neue militärische Fähigkeiten investiert. Dazu gehörten „verschiedene Arten von Überwachungs- und Geheimdienstplattformen“, sagte der Nato-Generalsekretär. Verstärkte Geheimdienstaktivitäten Chinas seien auch in Europa zu beobachten. „Wir müssen einfach wachsam sein.“
RND/AP/dpa