Putin und Erdogan im Iran: Was deutsche Außenpolitiker erwarten und befürchten
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Die iranische und die russische Flagge bei einem Gipfeltreffen in Turkmenistan im Juni. Russlands Präsident Wladimir Putin wird am Dienstag im Iran erwartet.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Berlin. US-Präsident Joe Biden hat die Region gerade wieder verlassen, nun findet sich Wladimir Putin ein. Der russische Präsident reist nicht nach Israel und Saudi-Arabien wie Biden, sondern in den mit beiden Ländern über Kreuz stehenden Iran. Es ist erst seine zweite Auslandsreise seit Beginn des Kriegs mit der Ukraine, nach den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Tadschkistan und Turkmenistan – ein offenkundiger Versuch, in Zeiten der weitgehenden internationalen Isolierung Allianzen zu suchen.
Beide Länder einen die Rolle der politisch Ausgestoßenen und die wirtschaftlichen Probleme wegen Sanktionen großer Handelspartner. Russland treffen diese wegen des Angriffs auf die Ukraine, der Iran soll auf diese Weise zu einem Verzicht auf den Bau von Atomwaffen gedrängt werden. Die Verhandlungen über eine Fortsetzung des internationalen Abkommens JCPoA, das lediglich eine zivile Nutzung der Atomkraft erlauben würde, stocken.
Auch Russland hat beim JCPoA mitverhandelt. Es hofft auf Geschäfte durch den Bau iranischer Atomkraftwerke – und könnte sich daher als Vermittler anbieten, um über diesen Umweg den Ukraine-Alliierten Zugeständnisse abzutrotzen. Die US-Regierung behauptet, Russland bemühe sich zudem um iranische Drohnen, die es im Ukraine-Krieg einsetzen könnte. Der Iran hat das dementiert, Russland hat die Möglichkeit offen gelassen. Auch um den Syrien-Konflikt könnte es gehen.
Ukraine und Russland erzielen offenbar Einigung über Getreideexporte
In ukrainischen Häfen stecken wegen des Krieges Schätzungen zufolge etwa 20 Millionen Tonnen Getreide fest.
© Quelle: Reuters
Warnung vor Drohnenlieferung
In der Ampelkoalition wird das Treffen mit einer Mischung aus Bedenken und Gelassenheit betrachtet. „Der anstehende Besuch Putins ist ebenso besorgniserregend wie die Schaffung einer antiwestlichen Achse Teheran-Moskau-Peking“, sagte der FDP-Außenpolitiker Michael Link dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Der Iran fährt eine Doppelstrategie und verhandelt einerseits mit dem Westen über eine Aufhebung der Sanktionen und sucht andererseits eine Annäherung an Russland. Putin nimmt die ausgestreckte Hand des iranischen Regimes natürlich an, bleiben ihm doch international kaum noch Partner.“
Deutschland und die EU müssten deutlich machen, dass „eine Unterstützung des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine weitere scharfe wirtschaftliche Konsequenzen für den Iran haben würde“. Dies gelte auch für eine Wiederaufnahme des Atomprogramms.
Trittin: An der Seite Putins „sehr einsam“ für den Iran
Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin warnte, durch die Teilnahme des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an dem Treffen werde dieses „zu einem Tanz auf dem Vulkan für die Sicherheit Europas und des Nahen Osten“. Die Türkei sei zwar Nato-Mitglied, Erdogan habe aber wiederholt gezeigt, „dass ihm seine eigenen Interessen immer näher sind als das Verteidigungsbündnis“, sagte er dem RND.
Den Iran warnte Trittin vor Drohnenlieferungen an Russland. Der iranischen Regierung müsse „klar sein, dass es an der Seite Putins sehr einsam sein wird“.
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Dreht Putin den Gashahn wieder auf? Drei mögliche Szenarien
Die Wartung der Pipeline Nord Stream 1 läuft. Ob das Gas in der kommenden Woche wieder fließt, ist keine technische, sondern eine politische Frage. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Putin die deutsche Regierung und die Bevölkerung weiter auf der heißen Herdplatte tanzen lässt.
Wesentlich zurückhaltender äußerte sich der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid. „Das Treffen ist sehr stark taktisch geprägt. Es ist viel Widerstandsrhetorik zu erwarten – ein Versuch, dem Westen eigene Stärke zu suggerieren. Aber das ist von wenig Substanz.“ Russland und Iran hätten sehr viele gegenläufige Interessen.
„Der Iran würde gern seinen Ölexport in den Westen steigern – das würde die russische Position schwächen“, sagte Schmid dem RND. Und sowohl Russland als auch der Iran hätten ein wirtschaftliches Interesse daran, das Atomabkommen abzuschließen. „Das Atomabkommen dürfte durch das Treffen nicht schwieriger werden.“
Und Erdogan habe unter anderem das Interesse, russische Reisende für die Tourismussaison in der Türkei zu werben. Aber da gebe es ein Problem: Die Zahl der Russen, die sich einen Auslandsurlaub leisten können, sei in Folge der durch den Krieg verstärkten Wirtschaftskrise gesunken.
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