Rangliste der Pressefreiheit: Was die Freiheit der Medien bedroht
Deutschland ist in der Rangliste der Pressefreiheit das dritte Jahr in Folge abgestiegen.
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Zu berichten, was man sieht und hört. Zu verbreiten, was man durch Recherche in Erfahrung bringen konnte. Zu erklären, einzuordnen und zu kommentieren, was man über die Lage denkt. Das ist Pressefreiheit. Klare Berichterstattung kann wehtun. Das Wesen der Demokratie ist, dass sie das ohne Repressionen aushält. Leider ist die Freiheit, sich in Wort, Schrift und Bild zu äußern, im vergangenen Jahr weltweit erneut zurückgegangen. Dramatisch: Von den fünf bevölkerungsreichsten Ländern finden sich mit Indien, China und Pakistan gleich drei im absolut prekären Bereich – „sehr ernste Lage“ für die Pressefreiheit.
Auch in Russland, im Iran und in der Türkei ist die Arbeit für unabhängige Journalistinnen und Journalisten gefährlich mitunter lebensgefährlich. Die Pressefreiheit steht als Seismograph dafür, wie es weltweit um demokratische Standards bestellt ist. Die niederschmetternde Nachricht in diesem Jahr: Der Vormarsch autoritärer Staatsformen geht mit einem Absinken der Pressfreiheit einher. Deutlich mehr als die Hälfte der Menschheit ist von unabhängigen Informationen abgeschnitten.
Pressefreiheit ist mehr als Freiheit von staatlicher Unterdrückung
Journalistisches Arbeiten frei von staatlicher Unterdrückung ist die Grundlage. Aber Pressefreiheit bedeutet viel mehr, als dass der Staat von Verfolgung unliebsamer Meinungen absieht. Wirklich gesichert ist sie nur, wenn es eine wirtschaftliche Grundlage für Medien gibt, wenn die Medien nicht durch Kampagnen, Trolle oder Fake-News unterwandert werden, wenn die Medien selbst frei von Korruption sind sowie wenn die Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit nicht um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssen.
Beim letzten Punkt sind wir mitten in Deutschland. Europas größte Ökonomie liegt nur auf Platz 21 von 180 Plätzen. Immer häufiger werden Medienschaffende bei Protestkundgebungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern angegriffen, die eine kritische Berichterstattung verhindern wollen. Der Staat unternimmt offensichtlich nicht genug, um den Schutz für eine freie Berichterstattung zu garantieren. In Bundesländern, in denen sich solche Vorfälle ereignet haben, sind die Landesregierungen aufgerufen, die Einsatzpläne der Polizei bei Demos stärker auf den Schutz der Medien auszurichten.
Auf Samoa und in Osttimor funktioniert die Pressefreiheit dem Ranking zufolge besser als zwischen Flensburg und Oberammergau. Platz 21 kann einen Staat wie Deutschland nicht zufriedenstellen, dessen Regierung eine wertegeleitete Außenpolitik vertritt, also anderen Staaten erklärt, wie Demokratie funktioniert.
Reporter offenbar auf AfD-Demo angegriffen
Ein Journalist, der über die Kundgebung berichten wollte, sei attackiert, aber nicht verletzt worden.
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Antidemokratische Kräfte gefährden das Vertrauen in die Medien
Sicherheit, Freiheit und wirtschaftliche Grundlage sind zentrale Voraussetzung für eine freie Berichterstattung. Wirklich umgesetzt werden kann sie aber nur, wenn auch die Medien frei von Korruption sind – also nicht durch interne Interessen in ihrem Bewegungsspielraum eingeschränkt agieren. Der Tag der Pressefreiheit muss demnach auch für den Journalismus ein Tag der Selbstvergewisserung und der Selbstreflexion sein.
Das Stichwort heißt Vertrauen. Das Vertrauen in die Medien ist in den vergangenen Jahren gesunken. Teilweise müssen sich die Medienhäuser an die eigene Nase fassen. Unter anderem Skandale wie um die inzwischen abgesetzte großspurige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger oder um die verbalen Ausfälle von Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner bringen die Medien in Misskredit.
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Das Vertrauen in die traditionellen Medien ist auch durch Kampagnen in sozialen Medien durch antidemokratische Kräfte gefährdet. Demokratiezersetzende Propaganda zu bekämpfen, ist Aufgabe des Staates. Durch Aufdeckung und kluge Berichterstattung sollten Medien diese Arbeit im eigenen Interesse flankieren.