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„Die Fehler von 2015 nicht wiederholen“ – Worum geht es eigentlich?

Menschen, die aufgrund von Kämpfen zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften aus ihrer Heimat geflohen sind, sitzen in einem Lager im Bezirk Daman südlich von Kabul (Archivfoto).

Menschen, die aufgrund von Kämpfen zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften aus ihrer Heimat geflohen sind, sitzen in einem Lager im Bezirk Daman südlich von Kabul (Archivfoto).

Berlin. Es war Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der im Frühjahr 2015 Klartext redete. Es sei eine „Schande”, dass das Welternährungsprogramm in syrischen Flüchtlingslagern die Essensrationen halbieren müsse und viele Familien dort gar nicht mehr versorgt werden könnten, weil das Geld fehle.

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Zuvor hatte die Uno-Organisation angekündigt, die Hilfen für Hunderttausende Flüchtlinge in der Türkei, in Jordanien und im Libanon müssten gekürzt werden, weil die internationale Staatengemeinschaft zu wenig Mittel zur Verfügung stelle.

Die zunehmende Ausweglosigkeit in den Flüchtlingslagern gilt als eine der Ursachen dafür, dass sich im Sommer 2015 Hunderttausende von Syrern auf den Weg nach Europa machten. Die Mehrzahl von ihnen wurde schließlich in Deutschland aufgenommen. Die Entwicklungen in Afghanistan wecken nun Erinnerungen an diese Zeit. Droht eine neue Flüchtlingskrise?

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Politikschaffende der großen Koalition mahnen, es gelte, die Fehler von 2015 nicht zu wiederholen. Sie hätten mit dem „mangelnden humanitären Schutz in den Flüchtlingscamps“ des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR begonnen, so Unionskanzlerkandidat Armin Laschet am Montag.

„Deshalb müssen wir jetzt sehr rechtzeitig das Uno-Flüchtlingshilfswerk und alle Institutionen, die rund um Afghanistan humanitäre Hilfe leisten, so unterstützen, dass sich Menschen nicht erst Tausende Kilometer auf den Weg Richtung Deutschland und Europa machen“, forderte der CDU-Politiker.

Flüchtlingslage in und um Afghanistan ist prekär

Tatsächlich ist die Flüchtlingslage in und um Afghanistan prekär. Nach Angaben des UNHCR leben derzeit etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan in Pakistan, rund 800.000 im Iran und rund 6000 in Tadschikistan.

Etwa 3,5 Millionen Afghanen sind Binnenvertriebene, also im eigenen Land auf der Flucht. Allein seit Anfang des Jahres flohen laut UNHCR mehr als 120.000 Menschen vor den vorrückenden Taliban in die vermeintlich sichere Region der Hauptstadt Kabul.

Das UNHCR hilft den Flüchtlingen unter anderem mit Zelten und Nahrungsmitteln. Doch die Finanzen reichen längst nicht aus: Den Angaben der Organisationen zufolge sind bisher von der internationalen Staatengemeinschaft nur 43 Prozent aller geplanten Hilfsmaßnahmen für Binnenflüchtlinge in Afghanistan finanziert: Von veranschlagten 337 Millionen Dollar (286 Millionen Euro) hat das Flüchtlingshilfswerk erst 144 Millionen Dollar erhalten.

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Ähnlich sieht die Lage beim Uno-Welternährungsprogramm (WFP) aus, das sich in Afghanistan um die 14 Millionen Menschen kümmert, die zu wenig zu essen haben. Die Organisation schätzt den Bedarf bis Ende des Jahres auf 371 Millionen Dollar, wovon aber erst 125 Millionen Dollar – als etwa ein Drittel – zur Verfügung stehen.

Es fehlt Geld für Pakistan

Für Pakistan fehlt ebenfalls Geld: Das UNHCR braucht rund 110 Millionen Dollar, hat aber bisher erst Zusagen über die Hälfte der Summe. Schlimmer noch die Situation im Iran: Hier stehen von veranschlagten 102 Millionen Dollar erst 26 Millionen zur Verfügung.

Angesichts dieser Situation mahnte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi bereits: Die internationale Reaktion auf die tragische Krise in Afghanistan könne sich nicht darauf beschränken, einige wenige Gefährdete zu evakuieren. „Millionen von Menschen, insbesondere Frauen, stehen vor einer ungewissen Zukunft”, sagte er.

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Die Migrationsexpertin Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erwartet gleichwohl keine unkontrollierten Flüchtlingsströme wie 2015. „Wir sollten Panikmache vermeiden”, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Nötig seien allerdings Hilfen für die Aufnahmeländer von Flüchtlingen, vor allem für Pakistan und Iran. „Ob die Flüchtlinge in der Region um Afghanistan bleiben oder verstärkt nach Europa gehen, hängt davon ab, wie wir politisch reagieren”, betonte Rietig.

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