Corona: Die Großstädte ziehen die Zügel an
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Ein Polizeibeamter und ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes stehen vor einem Lokal in Berlin.
© Quelle: Paul Zinken/dpa-zb-zentralbild/d
Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Oberbürgermeister der elf größten Städte in Deutschland haben sich angesichts rapide zunehmender Corona-Infektionen vor allem in den Ballungszentren auf ein Bündel von Maßnahmen zu deren Eindämmung verständigt. Dazu gehören das konsequente Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen im öffentlichen Raum, die Einführung von Sperrstunden für die Gastronomie und die Beschränkung von Feiern auch in Privatwohnungen.
In einem gemeinsamen Papier heißt es: “Kommt der Anstieg der Infektionszahlen unter den vorgenannten Maßnahmen nicht binnen zehn Tagen zum Stillstand, sind weitere gezielte Beschränkungsschritte unvermeidlich, um öffentliche Kontakte weitergehend zu reduzieren.” Darüber soll es in knapp 14 Tagen mit Merkel zufolge erneute Gespräche geben. Von einem “Lockdown” ist nicht die Rede.
Merkel sagte, entscheidend bleibe, dass die Gesundheitsämter die Kontakte von Infizierten nachverfolgen könnten. Das gelinge nur, “wenn die Zahlen nicht davonrennen” und sich das Virus nicht unkontrolliert ausbreite. Dabei verwies sie auf andere europäische Länder mit noch weitaus höheren Infektionszahlen und unterstrich: “Ich möchte, dass Deutschland so eine Entwicklung nicht durchmachen muss.”
Ihr gehe es in erster Linie darum, die Wirtschaft zu schützen sowie Kindergärten und Schulen offen zu halten, sagte die Kanzlerin und verband dies abermals mit einem Appell an die gesamte Gesellschaft: “Wir haben bewiesen, dass wir gegen das Virus zusammenhalten können; das sollten wir auch weiter tun.”
Müller: Erkennen, dass das nicht die Zeit zum Feiern ist
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte zuvor erklärt: “Wir sind in einer Situation, in der wir schnell sein müssen, um die Situation noch beherrschen zu können. Wir haben es selbst in der Hand, wie es sich weiter entwickelt.” Dabei sei die Verantwortung des Einzelnen gefragt.
Die 20- bis 40-Jährigen müssten “erkennen, dass das nicht die Zeit zum Feiern ist”, betonte Müller. Neben Partys im öffentlichen Raum seien Familienfeiern ein Problem. Ziel müsse sein, einen zweiten Lockdown zu verhindern, und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus sozialen Gründen, so der SPD-Politiker. Dabei wünsche er sich, dass man zu bundesweit einheitlichen Regeln komme. Ein Flickenteppich helfe nicht.
Drosten: Bundeseinheitliche Regeln könnten nötig werden
Der Virologe Christian Drosten rechnet damit, dass im Laufe der nächsten Monate wieder bundeseinheitliche Regeln notwendig werden. “Es ist gut, wenn es klare Regeln gibt”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Das ist ganz eindeutig.” Sie durchzusetzen, sei angesichts einer regional unterschiedlichen Häufigkeit der Krankheit derzeit verständlicherweise noch schwierig, fügte Drosten hinzu.
“Eine gewisse lokale Nachjustierung ist im Moment deshalb schon notwendig.” Doch das Virus werde “sich immer gleichmäßiger verteilen”, sagte der Virologe. “Und wir werden mehr und mehr in eine Situation kommen, wo man besser pauschal reguliert. Im Moment ist das eine Übergangsphase.”
Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Heyo Kroemer, mahnte ebenfalls ein koordiniertes Vorgehen an. Dass sich die Länder derzeit bisweilen gegenseitig kritisierten, sei nicht hilfreich. Dies war vermutlich auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gemünzt, der zuletzt öffentlich die Zustände in Berlin beklagt hatte.
Das Problem des fehlenden medizinischen Personals
Zwar stellten mehrere Vertreter der Charité am Freitag klar, dass Intensivbetten im Augenblick noch in ausreichender Menge vorhanden seien. Doch die Zahl der Intensivpatienten steige wieder. Das Problem seien außerdem weniger die Betten als das dazugehörige medizinische Personal. Es sei nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Darum müsse jetzt wie im Frühjahr die Behandlung anderer schwer kranker Menschen womöglich eingeschränkt werden.
Die Zahl der Neuinfektionen lag am Freitag bei 4500. Sie stieg im Laufe der Woche kontinuierlich an. Dabei werden wie in anderen europäischen Ländern nun die Groß- und Hauptstädte zu Hotspots – neben Berlin also Paris oder Madrid. Über Madrid verhängte die spanische Regierung am Freitag den Notstand.