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Kommt die Impfpflicht für alle? So stehen die Parteien zum Scholz-Vorstoß

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nach der Bund-Länder-Schalte am Dienstag deutlich für eine generelle Impfpflicht ausgesprochen.

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nach der Bund-Länder-Schalte am Dienstag deutlich für eine generelle Impfpflicht ausgesprochen.

Berlin/Hannover. Deutschland diskutiert angesichts der teils dramatischen Corona-Situation im Land über die Einführung einer Impfpflicht für alle. Laut einer Umfrage befürworten bereits mehr als zwei Drittel der Deutschen eine solche allgemeine Corona-Impfpflicht.

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Nach der Bund-Länder-Schalte am Dienstag hat die Debatte weiter an Fahrt gewonnen. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich in den Beratungen der Länderchefs mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) klar für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Die Entscheidung darüber müsse seiner Ansicht nach der Bundestag treffen. Da es sich um eine „Gewissensfrage“ für die einzelnen Abgeordneten handele, solle es bei der Abstimmung keinen Fraktionszwang geben, sagte der SPD-Politiker. Beim Blick auf die Positionen der Parteien scheint die Impfpflicht aber immer wahrscheinlicher. Ein Überblick.

So steht die SPD zur Impfpflicht

Rückendeckung erhält Scholz unter anderem von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. „Es führt kein Weg mehr an der allgemeinen Impfpflicht vorbei“, sagte Schwesig am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Schwerin. Die Hoffnung, dass sich genügend Menschen freiwillig für eine Corona-Schutzimpfung entscheiden, habe sich trotz intensiven Werbens nicht erfüllt. Die Folgen seien nun an der vierten Infektionswelle ersichtlich, die zu hoch sei. „Viele Menschen, die sich impfen lassen haben, die sich jetzt boostern lassen und sich an die Regeln halten, sind total frustriert“, erklärte Schwesig. Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte im ZDF, er habe die Impfpflicht in der Vergangenheit abgelehnt, nun aber seine Meinung geändert. Bei einer Abstimmung im Bundestag würde er tendenziell dafür stimmen. Er rechne damit, dass das Parlament im Dezember darüber diskutieren und die Pflicht „Anfang 2022 kommen wird“.

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Bereits Ende November zeigte sich die designierte Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, offen für eine Impfpflicht, falls sich die Corona-Lage weiter verschlimmern sollte. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält die Maßnahme in Kombination mit Booster-Impfungen für ein probates Mittel in der Pandemiebekämpfung. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke sagte dagegen, er halte in der jetzigen Situation wenig von dieser Diskussion.

So stehen CDU/CSU zur Impfpflicht

Der CSU-Chef Markus Söder hat sich mehrfach deutlich für eine generelle Impfpflicht ausgesprochen. Ende November teilte er mit, dass die CSU-Spitze klar hinter einer Impfpflicht stehe. Auch die Basis zeige sich laut Generalsekretär Markus Blume offen für die Einführung einer Impfpflicht für alle. An einer Befragung hätten sich mehr als 10.000 Mitglieder beteiligt, 80 Prozent seien für die Impfpflicht gewesen. Im Gegensatz zu Scholz pocht Söder auf die Einführung der Impfpflicht schon ab Januar.

Zurückhaltender ist man in der Bundes-CDU. Der geschäftsführende Kanzleramtschef und Kandidat für den Parteivorsitz, Helge Braun, sagte vor wenigen Tagen, eine generelle Impfpflicht lasse sich wahrscheinlich nicht vermeiden. Auch die Bundestagsabgeordnete Serap Güler sprach sich in der vergangenen Woche „trotz Bauchschmerzen“ für eine Pflicht aus. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Ralph Brinkhaus, zeigte sich am Wochenende offen: Er sei in jedem Fall dafür, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die vierte Welle zu brechen, sagte er. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, alle bisherigen Versuche, die Impfquote zu steigern, seien gescheitert. „Und dann, glaube ich, ist es richtig, dass man zu einer Impfpflicht kommt.

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Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich bis zuletzt skeptisch gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht. Brauns Gegenkandidat für den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, positioniert sich vor einer Woche so: „Mein Wunsch ist, dass eine allgemeine Impfpflicht nicht sein muss.“ Aber wenn sich nicht genug Menschen impfen lassen, müsse man nun die verfassungsrechtlichen Fragen einer Impfpflicht klären und sich vorbereiten.

Der dritte Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, hatte angesichts der dramatischen Corona-Lage eine allgemeine Impfpflicht nicht ausgeschlossen. „Wenn die heutigen Maßnahmen auch nicht ausreichen, dann kann ich meine Zustimmung zu einer allgemeinen Impfpflicht nicht ausschließen“, sagte er am Samstag der „Rheinischen Post“.

Ende November hatte der „Weser Kurier“ über einen Dringlichkeitsantrag der Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion berichtet, in dem diese die Bremer Regierung aufforderte, sich im Bundesrat für eine allgemeine Corona-Impfpflicht einzusetzen. Nach der Bund-Länder-Runde berichtete der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, dass die Länderchefs und der Bund am Donnerstag „ein umfangreiches Paket für Kontaktreduzierungen“ beschließen würden, in dem auch die allgemeine Impfpflicht vorbereitet würde.

So stehen die Grünen zu Impfpflicht

Co-Chef Robert Habeck forderte nach den Beratungen von Bund und Ländern am Dienstag, sofort mit Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht zu beginnen. Sie wäre zwar ein weitgehender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, schütze aber Leben und letztlich auch die Freiheit der Gesellschaft. Am Montag sprach sich bereits Jürgen Trittin für eine Einführung aus. „Das Entscheidende ist das Signal, dass jetzt mit einer Impfpflicht die Herdenimmunität erreicht werden soll“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Am gleichen Tag forderte auch die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt die generelle Impfpflicht. „Es geht jetzt darum, ob wir alle in die Geiselhaft von Lockdown zu Lockdown gehen oder sagen, wir machen jetzt eine allgemeine Impfpflicht“, sagte sie im ARD-Talk „Hart aber fair“. Als Startzeitpunkt wünschte sie sich den 1. Januar oder 1. Februar. Auch der künftige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte sich bereits offen für eine Impfpflicht gezeigt. „Das Tabu Impfpflicht kann kein Tabu sein“, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk. Co-Chefin Annalena Baerbock kündigte vergangenen Mittwoch in den „Tagesthemen“ an: Zusätzlich zu einer Impfpflicht für bestimmte Bereichen und Berufe werde „mitgeprüft, was es braucht für eine allgemeine Impflicht.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann plädierte schon vergangene Woche entschieden für eine allgemeine Corona-Impfpflicht. „Am schnellsten sichern wir unsere Freiheit, wenn sich die nötige Anzahl an Menschen impfen lässt“, sagte Kretschmann dem ZDF-„heute journal“.

So steht die FDP zur Impfpflicht

Die FDP steht hinter den Vorschlägen des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) für den weiteren Kurs in der Corona-Pandemie. „Die Vorschläge von Olaf Scholz in der heutigen Runde waren natürlich mit der FDP abgestimmt. Sie finden unsere uneingeschränkte Unterstützung“, hieß es am Dienstagabend aus der Partei.

Der bisherige Fraktionsvize Stephan Thomae sagte dagegen am Mittwoch, bei einer Abstimmung im Bundestag gäbe es wohl Stimmen dafür und dagegen. Wie groß der Anteil der Gegner einer Impfpflicht unter den FDP-Abgeordneten wäre, könne er aber noch nicht abschätzen, zumal dies auch von der konkreten Ausgestaltung des Entwurfs abhängen würde.

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So steht Die Linke zur Impfpflicht

Die Linke befürwortet angesichts der angespannten Corona-Lage die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und spricht sich für einen Lockdown aus. „Wir brauchen jetzt akute Maßnahmen. Die Linke steht an der Seite der Wissenschaft und fordert deshalb einen Lockdown sowie eine allgemeine Impfpflicht für Volljährige als Mittel zum Kampf gegen die herrschende Sars-CoV-2-Pandemie“, heißt es in einem Beschluss des Parteivorstands vom Dienstagabend.

Die Impfpflicht werde die vierte Corona-Welle nicht mehr brechen können, sei aber als Ultima Ratio ein entscheidendes Instrument, weitere Wellen zu verhindern und Menschenleben zu retten. Eine Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen lehnt die Linke ab, da sie das Problem aus ihrer Sicht nicht lösen und noch mehr Druck und Verantwortung auf das Pflegepersonal abladen würde.

Die Parteispitze spricht von einer „solidarischen Notbremse“ und fordert eine „sofortige Kontaktreduktion und Absage von Großveranstaltungen“, mehr Tests und ein Recht auf Homeoffice. Konkrete weitere Bereiche für Schließungen im Sinne eines Lockdowns werden in dem Beschluss nicht genannt. Alle Maßnahmen müssten sozial aufgefangen werden. Menschen in Kurzarbeit sollten nach den Vorstellungen der Linken 90 Prozent vom Lohn erhalten. „Es braucht einen lückenlosen sozialen Schutzschirm – ohne Wenn und Aber.“

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Zur Beschleunigung der Impfungen fordert die Partei, Apotheken und Pflegeeinrichtungen einzubinden und Abhol- und Bringdienste einzurichten. Die Linke erneuerte zudem ihre Forderung, Lizenzen für Impfstoffe freizugegeben. „Die jüngste Entdeckung einer neuen Virusvariante zeigt, dass die Pandemie nur global besiegt werden kann, durch hohe Impfquoten weltweit.“

So steht die AfD zur Impfpflicht

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla erwartet, dass kein Mitglied seiner Fraktion für eine allgemeine Impfpflicht stimmen wird. Er rechne mit einer „hundertprozentigen“ Ablehnung eines solchen Antrags durch die AfD-Bundestagsfraktion, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

RND mit Material der dpa

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