DKG-Chef Gaß offen für Impfpflicht im gesamten Gesundheitswesen: „Muss ernsthaft diskutiert werden“
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Kaum jemand würde im Fall einer Impfpflicht seinen Job im Krankenhaus aufgeben, meint Gerald Gaß.
© Quelle: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d
Herr Gaß, alle Corona-Zahlen steigen rasant an und das Ende der epidemischen Lage steht bevor. Ist das nicht absurd?
Die neue Mehrheit im Parlament kann die notwendigen Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen mit den bekannten Instrumenten zu begrenzen, auch ohne epidemische Notlage verlängern. Das Signal ist eine andere Frage, das konnte falsch verstanden werden. Ich denke, heute würde man nicht noch mal damit anfangen, die epidemische Lage zu kippen, ich will daraus aber keinen Vorwurf machen. Vor einigen Wochen war die Situation grundlegend anders, auch ich war damals deutlich optimistischer.
Haben Sie den Eindruck, die Politik ist in der Lage, auf die aktuellen Entwicklungen angemessen zu reagieren?
Zwar sind die rechtlichen Instrumente da, aber in der Tat lässt mich das, was wir gerade erleben, ein wenig ratlos zurück. Bayern hat zurzeit mit 590 Intensivpatienten fast doppelt so viele wie vor einem Jahr. In den nächsten Tagen wird es weitere Steigerungen geben. Wir laufen Gefahr, den Spitzenwert dieser Pandemie dort wieder zu erreichen. Natürlich muss man darauf mit Maßnahmen reagieren.
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Gerald Gaß ist Chef der deutschen Krankenhausgesellschaft.
© Quelle: imago images / Future Image
Reichen lokale Maßnahmen, um die Infektionsentwicklung auszubremsen?
Wir haben sehr unterschiedliche Lagen, in Bayern ist die Situation sehr viel problematischer als im Norden. Sachsen führte jüngst die 2G-Regel ein, ich denke, das wäre auch für Bayern angemessen. Für ganz Deutschland wohl eher nicht. Die Länder müssen die Möglichkeit haben, unterschiedlich zu reagieren. Das führt auch zu einer stärkeren Akzeptanz der Maßnahmen und war auch in der ganzen Pandemie so.
Als bundesweite Maßnahme wird eine 2G-Regel für das Gesundheitswesen, also eine Quasiimpfpflicht für Ihre Mitarbeitenden in den Kliniken diskutiert. Können Sie das nachvollziehen?
Durchaus. Ich fordere sogar, dass sich der deutsche Ethikrat mit der Frage befasst, ob wir eine Impfpflicht für das gesamte Gesundheitswesen brauchen. Im Fall der Masern hat er eine solche Impfpflicht schon einmal befürwortet. Es gibt gute Gründe dafür und dagegen, das Thema muss also ernsthaft diskutiert werden. Ich persönlich würde mich einer entsprechenden Empfehlung des Ethikrats anschließen.
Würde das die Personalnot in den Kliniken nicht weiter verschärfen?
In den Krankenhäusern haben wir einer Erhebung des Robert Koch-Instituts zufolge wohl eine Impfquote von mehr als 90 Prozent. Unter den 10 Prozent sind auch Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Von der übrigen Gruppe würden wir den Großteil mit einer Impfpflicht erreichen, davon gehe ich schon aus. An eine massenhafte Flucht aus dem Beruf glaube ich nicht, diese Einschätzung ergibt sich auch aus Gesprächen mit verschiedenen Arbeitgebern aus dem Gesundheitswesen. Nur wenige würden uns verlassen, um eine Impfung zu umgehen.
Könnte auch die Wiedereinführung der kostenlosen Bürgertests helfen, die Lage in den Griff zu bekommen?
Ich hielte es für richtig, die Tests wieder kostenlos zu machen, die Sicherheit wäre schlicht höher. So wären auch Geimpfte sicherer. Eine echte Gefahr sehe ich in gefälschten Testzertifikaten.