Trump und der US-Arbeitsmarkt: Ein Zyniker im Zahlenrausch

US-Präsident Donald Trump

US-Präsident Donald Trump

Washington. Donald Trump konnte sich vor lauter Selbstzufriedenheit kaum halten. Eilig setzte er am Freitag eine Pressekonferenz im Rose Garden des Weißen Hauses an, bei der er fast 45 Minuten lang monologisierte. “Die Zahlen sind unglaublich”, schwärmte der Präsident. “Wie eine Rakete” werde sich Amerika nach der Corona-Krise zurückmelden.

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Dann folgte ein ungezügelter Strom von Eigenlob, Gedankenfetzen und Lügen, in dem es um die “verrückten Linken”, die tollen amerikanischen Beatmungsgeräte, den “großartigen Secret Service” und ungehörige Reporter ging, die es wagten, eine Frage zu stellen.

“Vielleicht kaufe ich mir einen Wohnwagen und fahre mit der First Lady nach New York oder durchs Land”, sagte Trump an einer Stelle unvermittelt. Kein Wunder: Nach Wochen mit immer neuen Horrormeldungen über die Pandemie, den Einbruch der Wirtschaft und die Rassenproteste, vor denen er sich im Bunker des Weißen Hauses versteckt hatte, war der Präsident plötzlich bei bester Laune.

Tatsächlich ist die Statistik, die die zuständige Behörde der US-Regierung am Freitag präsentierte, eine gewaltige Überraschung. Die meisten Analysten hatten erwartet, dass die Arbeitslosigkeit in den USA im Mai auf etwa 20 Prozent klettern könnte. Doch sie fiel im Vergleich zum Vormonat von 14,7 Prozent auf 13,3 Prozent, und die Zahl der Beschäftigten stieg außerhalb der Landwirtschaft um 2,5 Millionen. Die US-Wirtschaft sei eben “die tollste der Welt”, erklärte Trump und fabulierte schon von einem sensationellen Comeback: Im Juli und August würden die Zahlen “sehr gut”, im Herbst “spektakulär” sein – gerade rechtzeitig zur Präsidentschaftswahl.

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Nobelpreisträger Paul Krugman spekuliert über eine Manipulation

Das ist natürlich reine Fiktion. Trotzdem hat Trump einen Punkt. Die Experten sind nämlich ratlos, weshalb die Maizahlen so gut ausfielen. Nobelpreisträger Paul Krugman unkte bei Twitter schon, möglicherweise habe die Trump-Regierung die Statistik manipuliert. Nachdem der renommierte Ökonom dafür auch von Harvard-Kollegen gerüffelt worden war, zog er die Mutmaßung zurück.

Was bleibt, ist Verwunderung. Weshalb konnten die Prognosen so danebenliegen? Eine mögliche Erklärung ist, dass die Veränderungen am Arbeitsmarkt aufgrund überraschender Lockdowns und Lockerungen so abrupt sind, dass die ökonomischen Frühindikatoren versagen und die Rechenmodelle unzuverlässig werden.

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Aufwärts ging es im Mai am US-Arbeitsmarkt vor allem im Hotel- und Gastgewerbe, auf dem Bau, im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen. Die neuen Jobs in Hotels und Restaurants dürften vor allem auf die Aufhebung der Corona-Auflagen und die Wiedereröffnung der entsprechenden Betriebe zurückzuführen sein. Entsprechend machte Trump mächtig Druck auf die Gouverneure jener Bundesstaaten, in denen nach wie vor Restriktionen gelten: Sie sollten schleunigst auch ihre Wirtschaft wieder öffnen.

Die überstürzten Corona-Lockerungen könnten sich rächen

Nur mit guten Konjunkturzahlen hat Trump die Chance auf eine Wiederwahl. Entsprechend rücksichtslos fegt er seit Wochen alle epidemiologischen Bedenken gegen die Rückkehr zum normalen Wirtschaftsleben beiseite. Dabei haben die USA die Corona-Pandemie keinesfalls überwunden.

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Inzwischen sind 110.000 Menschen an der Lungenkrankheit gestorben. Und in den Bundesstaaten, die schnell gelockert haben, steigen die Neuinfektionen gerade teilweise wieder beunruhigend an. Insofern könnte sich die leichte Erholung am Arbeitsmarkt als Pyrrhussieg herausstellen – dann nämlich, wenn sie mit einer zweiten, wesentlich schwereren Covid-19-Welle bezahlt würde.

Auch sind die USA von jenen ökonomischen Rekordzahlen, mit denen sich Trump schon wieder brüstet, immer noch Lichtjahre entfernt. Auch das macht ein Blick in die Statistik deutlich: Vor einem Jahr, im Mai 2019, hatte die Arbeitslosenquote bei 3,6 Prozent gelegen. Der aktuelle Wert ist also immer noch 10 Punkte höher.

Vor allem aber zeigt die Entwicklung einen angesichts der aktuellen Debatte über Rassismus und ethnische Ungerechtigkeit in der US-Gesellschaft äußerst beunruhigenden Trend: Die Erwerbslosenquote für Weiße ging nämlich um 1,8 Punkte auf 12,4 Prozent zurück. Für Afroamerikaner hingegen stieg der Wert von April zum Mai sogar leicht um 0,1 Punkte auf 16,8 Prozent.

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Vor diesem Hintergrund wirkt eine Passage des Trump-Monologs besonders bizarr. Eher nebenbei erwähnte der Präsident nämlich den bei einem brutalen Polizeieinsatz getöteten Afroamerikaner George Floyd, dessen Tod das Land gerade dramatisch aufwühlt. Überall in den USA gehen Menschen nicht nur gegen Polizeigewalt, sondern auch gegen die strukturelle Benachteiligung der Schwarzen auf die Straße.

“Hoffentlich schaut George jetzt herunter und sagt, dass das eine großartige Sache ist, die in unserem Land geschieht. Das ist ein großartiger Tag für ihn. Das ist ein sehr großer Tag in Sachen Gleichheit”, schwadronierte Trump. Für Millionen Afroamerikaner muss das wie zynischer Hohn klingen.

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