EU stuft Erdgas und Atomkraft als klimafreundlich ein – doch die Kritik reißt nicht ab

Die Reaktorkuppel und den Kühlturm des Kernkraftwerks Emsland. (Archivbild)

Die Reaktorkuppel und den Kühlturm des Kernkraftwerks Emsland. (Archivbild)

Brüssel. Die massive Kritik aus EU-Staaten und dem Europaparlament nutzte zunächst nichts: Erdgas und Atomkraft sollen in der EU unter bestimmten Auflagen ein grünes Ökosiegel bekommen. Das gab die EU-Kommission am Mittwoch bekannt.

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Europa-Abgeordnete warnten: Der sogenannte Taxonomie-Rechtsakt gefährde den gesamten Green Deal, wonach die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Sie wollen jetzt versuchen, die Taxonomie im Europaparlament zu kippen.

Finanzbedarf ist gewaltig

Die Einstufung von bestimmten Gas- und Atomprojekten als nachhaltig soll laut EU-Kommission Privatleute und Investorengruppen dazu bringen, ihr Geld in klimafreundliche Technologien zu stecken. Der Finanzbedarf ist gewaltig. Nach Schätzung der Brüsseler Behörden müssen bis 2030 jedes Jahr etwa 350 Milliarden Euro zusätzlich aufgebracht werden, um die Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 sollen 55 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990 eingespart werden.

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Investitionen in Gaskraftwerke können dem Rechtsakt zufolge nun bis 2030 mit einem grünen Label versehen werden, sofern die Kraftwerke schmutzigere Anlagen ersetzen und bis zum Jahr 2035 komplett mit klimafreundlicheren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden.

Im ursprünglichen Entwurf war die Beimischung von klimafreundlichen Gasen schon von 2026 an vorgeschrieben. Gaskraftwerke können nun offenbar länger höhere Anteile an verschmutzendem Erdgas nutzen. Das hatte die Bundesregierung gefordert.

Neue Atomkraftwerke sollen bis zum Jahr 2045 als nachhaltig klassifiziert werden. Allerdings müssen die Betreiber spätestens 2050 einen konkreten Plan für die Endlagerung des radioaktiven Mülls vorlegen. Ein Endlager gibt es bislang in der EU nicht. In Finnland soll allerdings in zwei Jahren ein Endlager in Betrieb gehen.

EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness verteidigte das Vorhaben am Mittwoch in Brüssel als einen „ausbalancierten Rechtsakt“, der die unterschiedlichen Meinungen in der EU zur Gas- und Atomkraft berücksichtige. Die Taxonomie sei zudem ausdrücklich nur für eine Übergangszeit angelegt und solle dazu beitragen, so schnell wie möglich die besonders klimabelastende Kohle in der EU durch andere Energieformen zu ersetzen.

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Es sei auch für Transparenz gesorgt, sagte McGuinness. So müssten Investmentfonds die Anleger klar darauf hinweisen, wenn sie neben klassischen grünen Unternehmen auch Atom- oder Gaskonzerne in ihrem Portfolio haben.

Die Bundesregierung hat nun, wie alle anderen EU-Staaten auch, maximal sechs Monate Zeit, den Rechtsakt zu prüfen. Die Ampelkoalition hat sich bereits deutlich gegen das Ökosiegel für Atomkraft positioniert, hält aber an Gaskraftwerken als Übergangstechnologie fest.

Europa-Grüne sprechen von „historischen Fehler“

Die Europa-Grünen nannten den Rechtsakt der EU-Kommission einen „historischen Fehler“. Die Glaubwürdigkeit der EU stehe auf dem Spiel, wenn ausgerechnet Gas- und Atomkraft mit einem grünen Siegel versehen würden. Ähnlich äußerten sich Sozialdemokraten im Europaparlament.

Ob die neue Regelung Anfang 2023 in Kraft treten kann, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Österreich und Luxemburg haben bereits angekündigt, gegen die Taxonomie-Regel vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Die Aussichten auf einen Erfolg werden allerdings als gering eingeschätzt.

Die Taxonomie könnte auch durch einen Beschluss des Europäischen Rates gekippt werden. Dazu müssten sich allerdings 20 Staaten zusammentun. Das ist ebenfalls unwahrscheinlich.

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So hoffen Kritiker nun, dass sich in den nächsten Monaten im Europaparlament eine Mehrheit gegen den Rechtsakt organisieren lässt. Nur das würde nach jetzigem Stand das Ende der Taxonomie zur Folge haben.

Sozialdemokraten, Grüne und Linke sagen, sie hätten bereits etwa 250 Stimmen zusammen. Es fehlten noch gut 100 Stimmen zur Mehrheit. Diese müssten von Konservativen und Liberalen kommen. Einige dieser Abgeordneten haben zwar bereits signalisiert, dass sie mit der Taxonomie nicht einverstanden sind. Doch ob sie auch entsprechend abstimmen werden, ist ungewiss.

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