Corona-Demonstration: “Die Leute riefen: ‘Du bist eine Merkel-Jüngerin’”
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Ist ein Dialog mit Protestierenden auf einer Corona-Demonstration möglich? Die FDP-Politikerin Karoline Preisler wagte den Versuch.
© Quelle: imago images/Future Image/privat/RND Montage Behrens
Berlin. Frau Preisler, Sie waren bei der Corona-Demonstration in Berlin, aber nicht als Demonstrantin. Was war Ihr Anliegen?
Meine Botschaft war ganz klar auf einem Schild zusammengefasst: “Ich hatte Covid-19 und mache mir Sorgen um euch.” In den sozialen Netzwerken hatte ich in den Tagen vor der Demonstration Ankündigungen von Menschen gesehen, die positiv auf Corona getestet worden waren und trotzdem zur Demonstration kommen wollten. Ich wollte mit den Menschen, die andere und sich selbst gefährden, ins Gespräch kommen. Für mich ist es legitim, Corona-Maßnahmen zu hinterfragen. Versammlungsfreiheit ist die Basis demokratischer Prozesse.
Ist es Ihnen gelungen, jemanden zu überzeugen?
Leider nein. Ich fürchte, ich habe zu niemandem durchdringen können. Dabei habe ich ja durchaus eine eindrucksvolle Geschichte zu erzählen. Ich war sehr früh mit Corona infiziert – mit einem mittelschweren Verlauf. Mir blieb die Luft weg, und ich war froh, in die Klinik zu kommen. Ich hatte Angst, vor den Augen meiner Kinder einzugehen.
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Die FDP-Politikerin Karoline Preisler aus Mecklenburg-Vorpommern
© Quelle: Privat
Wie haben die Demonstranten auf Ihre Geschichte reagiert?
Viele sind pöbelnd an mir vorbeigelaufen, ohne dass es zum Gespräch kam. Diejenigen, mit denen ich geredet habe, waren in ihren Glauben verrannt, dass Corona nur eine große Verschwörungserzählung sei. Ich hatte Masken dabei, die ich verteilen wollte. Aber wenn jemand eine genommen hat, ist sie wohl meist einfach in der Tasche verschwunden.
Was haben diejenigen, mit denen es zum Gespräch kam, denn gesagt?
Ach, das waren, wenn man so will, teilweise fast schon besorgte Hinweise mir gegenüber – von krudestem Inhalt. Die Menschen haben gesagt, dass Impfungen voller Kinderblut seien, dass Kanzlerin Angela Merkel einen Keller habe, in dem sie Kinder knechte, und dass die Reichskriegsflagge kein Zeichen für eine rechte Gesinnung sei. Einige warfen mir auch vor, ich sei eine gut bezahlte Schauspielerin. Die Leute riefen: “Du bist eine Merkel-Jüngerin, die hier die große Corona-Lüge aufrechterhalten will.”
Angst vor Corona hatte keiner, oder?
Ich habe auf der Demonstration einige getroffen, die gesagt haben, sie hätten selbst Corona gehabt und es sei eben nach drei Tagen wieder vorbei gewesen. Viele pochten auf ihr Recht auf Infektion. Sie wollten nicht hören, dass ich wegen Corona zwischenzeitlich sogar Sprachstörungen hatte und bis heute als Nachwirkung immer wieder ein Engegefühl in der Brust verspüre. Es war, als würde ich mit einer Wand reden. Manchen hat es irritiert, wenn ich vom Haarausfall drei Monate nach der Infektion erzählt habe. Das ist anscheinend das Einzige, was diesen Leuten Angst macht. So eine Oberflächlichkeit.
Niemand kann sagen, er sei nur ein besorgter Bürger und habe nicht gewusst, dass er an der Seite von Rechtsextremen demonstriert.
Karoline Preisler, FDP-Politikerin
Die geschilderten Gespräche mit Demonstranten klingen alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Warum tun Sie sich das an?
Ich bin ehrenamtliche FDP-Politikerin. Mir geht es darum, dass wir den Gesprächsfaden auch zu diesen Menschen nicht verlieren. Darunter sind Leute, die – auch wenn wir das nicht nachvollziehen können – im Gespräch fast schon zittern, weil sie so aufgewühlt über das angebliche Unrecht im Land sind. Mich entsetzt es, wenn ich auf so einer Demonstration mit einem Unternehmer ins Gespräch komme, wir aber nicht darüber reden können, wie sich der Kampf gegen Corona verhältnismäßig führen lässt. Auch er war komplett auf die Seite der Corona-Leugner und Wissenschaftsfeinde gewechselt.
Wie würden Sie die Mischung der Menschen auf der Demonstration beschreiben?
Es sind sehr unterschiedliche Menschen dort gewesen. Eines ist aber auch klar: Niemand kann sagen, er sei nur ein besorgter Bürger und habe nicht gewusst, dass er an der Seite von Rechtsextremen demonstriert. Ich habe auch keinen getroffen, der sich von der Ansage, es müsse jetzt einen Sturm auf Berlin geben, distanziert hätte. Die Menschen wussten, mit wem sie unterwegs sind und was sie tun.
Gehen Sie auch zur nächsten großen Corona-Demonstration, um mit den Menschen zu sprechen – oder haben Sie genug von dem, was Sie dort erlebt haben?
Als Politiker müssen wir dahin gehen, wo es wehtut. Wir müssen den Dialog auch dort suchen, wo er fast unmöglich scheint. Ich will niemanden für die Demokratie verloren geben.