Steinmeier bleibt Bundespräsident: keine Zeit für Visionäre

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach der Aufzeichnung der traditionellen Weihnachtsbotschaft des Präsidenten im Schloss Bellevue.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach der Aufzeichnung der traditionellen Weihnachtsbotschaft des Präsidenten im Schloss Bellevue.

Berlin. Der Bundespräsident heißt Frank-Walter Steinmeier, höchstwahrscheinlich auch für die nächsten fünf Jahre: Seit an diesem Dienstag nach SPD und FDP auch die Grünen seine Wiederwahl ankündigten, steht Steinmeiers Mehrheit. Und auch wenn das nirgends zu Begeisterungsstürmen oder leuchtenden Augen führen dürfte, muss man sagen: Es ist letztlich gut so.

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Denn offensichtlich ist gerade Steinmeiers Unaufgeregtheit in aufgeregten Zeiten seine Stärke. Zudem hätte jedes weitere Zaudern und Feilschen über die Frage, wer in gut fünf Wochen zum Staatsoberhaupt gewählt wird, dem Ansehen des Amtes und der Politik insgesamt geschadet – ohne ein anderes Endergebnis.

Zwar mangelte es in den letzten Monaten nicht an Taktik in dieser Frage. Angefangen hat das mit der FDP, die sich lange vor der Bundestagswahl für Steinmeier aussprach – schon, um der SPD die Personalie als Faustpfand im Poker zwischen Jamaika und Ampel zu entreißen.

Auch hinter Steinmeiers überraschender Initiativbewerbung vom vorigen Mai steckte Kalkül: Der Bundespräsident, der 2017 ja von mindestens ebenso vielen Unions- wie SPD-Wahlleuten gewählt worden war, empfahl sich als Stabilitätsfaktor in der Corona-Krise und wusste um seine Beliebtheit im Wahlvolk – daran musste sich jede Alternative messen lassen.

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Und die Latte liegt hoch: Bis zu 70 Prozent der Deutschen sprechen sich in Umfragen für eine zweite Amtszeit Steinmeiers aus. Wer wollte der- oder diejenige sein, die als Produkt eines Koalitionsdeals ein derart populäres Staatsoberhaupt verdrängt?

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Steinmeier fiel weder als Visionär noch als Vordenker oder Vermittler auf

Die Deutschen wünschen sich offenbar angesichts der allgegenwärtigen Krisen von Klima über Migration bis Pandemie auch im Präsidialamt jemanden zur Beruhigung. Dafür ist Steinmeier genau der Richtige. Als Bundespräsident fiel er weder als Visionär noch als Vordenker oder Vermittler auf.

Sein bei Amtsantritt verkündetes Anliegen, die liberale Demokratie gegen populistische Angriffe zu verteidigen, zündete als Thema zunächst nicht recht – auch, weil er bis heute keine Deutung für den Auftrieb des Populismus vorweisen kann, sondern lediglich seine Abscheu dagegen.

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Sein oft wiederholter Appell, man müsse beide Seiten hören, ist lobenswert und wurde noch wichtiger, als er ihn im Corona-Streit wiederholte und auch Gegner der Lockdownpolitik zur Debatte lud. Ihre Einwände ließ er aber, wie andere in früheren Streitfragen, nie an seiner Haltung kratzen, die stets den bundesrepublikanischen Mainstream verkörperte. Selbst nach der hitzigsten Diskussionsrunde stellt Steinmeier fest: Gut, dass wir darüber gesprochen haben – und nun halten wir uns bitte weiter an den Konsens, auf den wir uns zuvor schon geeinigt hatten.

Eine Mittlerfunktion, die ihm als Berufspolitiker auch nicht anstand, konnte er so zwar nie einnehmen. Als Instanz der Selbstvergewisserung der aktuellen Mehrheitsmeinung wirkt er aber umso besser – und diese Rolle ist wohl auch die gefragtere.

Das zeigt Steinmeiers Beliebtheit, seine Anschlussfähigkeit von CDU/CSU über Christian Lindners neoliberale FDP bis nun eben auch zu den Grünen, deren Angebot im Wahlkampf eben noch Veränderung gewesen war.

Dass er zur Stabilisierung aktiv beitragen kann, bewies der Bundespräsident zu Beginn seiner Amtszeit, als er GroKo-Geburtshelfer wurde und so Neuwahlen abwendete, aber auch, indem er in der aufgeregten Corona-Debatte Momente des Innehaltens schuf.

Gerade wegen Steinmeiers enger Verbindung zur Ära Merkel wäre die Union schlecht beraten, aus Prinzip einen Gegenkandidaten aufzustellen – zumal für eine Kandidatin, die die Herzen in der Union wie bei den Grünen höherschlagen lässt, nicht nur den beiden Parteien die Fantasie fehlt.

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Zeit für eine Frau im höchsten Staatsamt

Und dass eine Frau nur zum Verlieren aufgestellt wird, haben sowohl CDU/CSU, als auch SPD schon zu oft exerziert, um es erneut als feministisches Symbol verkaufen zu können.

Dennoch darf man diese Frage nicht abtun. Nach zwölf Männern ist es tatsächlich höchste Zeit für eine Frau im höchsten Staatsamt. Sicher: Nach 16 Jahren Merkel, einem paritätisch besetzten Bundeskabinett, der frisch vereidigten Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im zweithöchsten Staatsamt und einem Bundespräsidenten wie Frank-Walter Steinmeier, der sich selbst als „weißen Mann mit weißen Haaren“ bezeichnet und doch gegen alte Rollenmuster und antifeministische Hetze eintritt, müssen sich selbst die Grünen nicht dafür schämen, dass sie kein weibliches Staatsoberhaupt erzwingen konnten. Zumal sie ja im Wahlkampf gerade erleben mussten, dass Weiblichkeit allein nicht die alles entscheidende Qualifizierung sein muss.

Und doch sollten nach mehr als sieben Jahrzehnten bundesrepublikanischer Geschichte alle Beteiligten die Wahl des neuen, alten Bundespräsidenten im Februar mit einem inneren Schwur verbinden: Das nächste Mal sollte das Staatsoberhaupt endlich eine Frau werden. Es bleiben immerhin fünf Jahre, um die nötigen Weichen entsprechend zu stellen.

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