„Fast zwei Millionen Tonnen“ Weltkriegsmunition in Nord- und Ostsee

Zwei Wasserbomben aus dem Zweiten Weltkrieg werden in der Ostsee vor Wustrow (Mecklenburg-Vorpommern) gezielt gesprengt.

Zwei Wasserbomben aus dem Zweiten Weltkrieg werden in der Ostsee vor Wustrow (Mecklenburg-Vorpommern) gezielt gesprengt.

Berlin. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote, Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK), will Nord- und Ostsee von Munitionsrückständen aus dem Zweiten Weltkrieg befreien.

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„Vor deutschen Küsten liegen nach wie vor fast zwei Millionen Tonnen an gefährlichen Torpedos, Seeminen und Sprengstoffen. Wir haben nach Ansicht von Experten nur noch 20 Jahre Zeit, diese tickenden, rostenden Zeitbomben aus dem Meer zu holen und zu entschärfen“, sagte Grote dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Strandabschnitte müssen gesperrt werden

Der IMK-Chef sieht in der Beseitigung der Weltkriegsmunition eine „Aufgabe von nationaler Bedeutung“. Schon jetzt bestehe die Gefahr, dass ganze Strandabschnitte gesperrt werden müssten, weil Seeminen oder austretender Phosphor angeschwemmt würden.

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„Munitionsrückstände gefährden ganze Wirtschaftszweige. Minen und Bomben können Leitungen auf dem Meeressgrund zerstören, Windparks beschädigen, Seeschifffahrt behindern und Tourismus mancherorts unmöglich machen.“

Grote kündigte an, den Kampf gegen die Weltkriegsmunition zum Thema auf der Innenministerkonferenz Mitte Juni in Kiel zu machen. „Für mich berührt das ganz klar die innere Sicherheit“, sagte Grote dem RND.

300.000 Tonnen chemische Waffen

Nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) liegen allein auf deutschem Gebiet 1,6 Millionen Tonnen an konventionellen Waffen und 300.000 Tonnen chemischer Waffen, die Nervengifte wie Senfgas und Sarin enthalten. Das Gewicht entspricht dem von 200 Eiffeltürmen.

Einige Kampfmittel befindet sich nicht einmal 20 Meter vom Strand entfernt. Die Munitionskörper sind laut AWI teilweise komplett verrottet. Viele Bomben können immer noch explodieren.

Munition wurde außerhalb von markierten Gebieten im Meer versenkt

Der Großteil der Munition stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Alliierten hatten nach Kriegsende Fischer beauftragt, die Kampfmittel auf See zu versenken. Viel Munition wurde aber auch außerhalb der markierten Gebiete über Bord gekippt – womöglich um Treibstoff zu sparen.

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Hinzu kamen im Laufe der Zeit Meeresströmung und Grundschleppfischerei, die es schwierig machen, die Munition wiederzufinden. Beim Bau von neuen Pipelines oder Off-Shore-Windparks stoßen Unternehmen nicht selten auf solche Kampfmittel.

Mittlerweile ist die Munition derart verrottet, dass bereits geringe Druckänderungen oder ein Schlag zur Explosion führen können.

TNT-Rückstände im Speisefisch

Neue Untersuchungen konnten nachweisen, dass zehn bis 13 Prozent des Speisefisches Ostseedorsch Stoffe von chemischen Waffen im Filet enthalten. Inwiefern diese Mengen Auswirkungen auf den Verbraucher haben, ist noch unklar. Laborversuche belegen, dass Abbauprodukte von TNT die DNA von Fischen schädigen können.

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Neben Umweltschützern will auch die Wirtschaft den Meeresboden von Munition zu befreien. Die Kampfstoffe bilden ein Risiko für die Schifffahrt, für den Bau von Windkraftanlagen und das Verlegen von Seekabeln. Taucher sind damit beschäftigt, Fahrrinnen von Minen zu befreien.

Roboter sollen die Munition vollautomatisch entschärfen

Das Fraunhofer Institut und die Universität Leipzig arbeiten an einer technischen Lösung. Künftig soll ein Roboter Munition am Meeresgrund vollautomatisch entschärfen und ohne Sprengung entsorgen. Übrig bleibt Metallschrott.

„Es gilt dringender Handlungsbedarf. Seit 2006 haben Wissenschaftler die Munition in der Ostsee erforscht. Nun müssen Möglichkeiten, die wir in Deutschland aufgrund modernster, digitaler Robotik und Sensorik und Spezialschiffen zur Sprengung haben, genutzt werden“, sagte FDP-Wirtschaftsexperte Hagen Reinhold dem RND.

„Um Meer und Mensch zu schützen, können heimische Forschung und die Wirtschaft ihren Beitrag leisten. So bleiben die Arbeitsbedingungen in Schifffahrt, Offshore und Fischerei das ganze Jahr sicher und der Badespaß im Sommer ungetrübt.“

Von Jörg Köpke/RND

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