Labour-Parteitag – verbunden, zumindest am Bildschirm

Sir Keir Starmer, Vorsitzender der Labour-Partei.

Sir Keir Starmer, Vorsitzender der Labour-Partei.

London. Es wird keine Jubelbilder der euphorischen Parteimitglieder geben, und es werden auch keine legendären Karaokepartys am Abend ausgerichtet, noch wird es zu Debatten am Rande der Veranstaltungen kommen. Der erste Labour-Parteitag unter Keir Starmer findet nicht wie geplant in Liverpool, sondern wegen der Coronavirus-Pandemie online statt. Es stellt die britische Opposition vor Herausforderungen, denn eigentlich wollte sie den Wandel mit dem seit Anfang April amtierenden Vorsitzenden Starmer unter dem Slogan “Eine neue Führung” publikumswirksam einleiten und endgültig einen Schlussstrich unter die Ära Jeremy Corbyn ziehen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Stattdessen versucht Starmer nun, per Streaming seine Basis an den Bildschirmen auf eine neue Ära einzuschwören. “Es wird Zeit, mit dem Siegen Ernst zu machen”, wird der 58-Jährige am heutigen Dienstag sagen, wie vorab bekannt wurde. “Meine Vision für Großbritannien ist simpel: Ich will, dass dieses Land das beste ist, um darin aufzuwachsen, und das beste Land, um darin alt zu werden.” Mit seiner Rede will er seine persönlichen Werte und seine Art von Politik darstellen und zu Patriotismus und “Stolz auf Großbritannien” aufrufen. Doch reicht das für den nötigen Umschwung in der Opposition?

Wohin steuert Labour?

Keir Starmer soll Labour aus der Krise führen und vor allem die vom inneren Kulturkampf zerrissene Partei einen. Immerhin, seit seiner Übernahme Anfang des Jahres konnte Labour in den Umfragen aufholen, was zwar nicht zuletzt dem miserablen Krisenmanagement der konservativen Regierung in der Pandemie geschuldet ist, aber in den wöchentlichen Fragestunden im Parlament glänzte der Jurist regelmäßig beim Schlagabtausch mit Premierminister Boris Johnson, indem er mit akribischen Fragen und Detailwissen die Schwachstellen der Regierung sezierte.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auf dem Parteitag sollten dagegen die großen Fragen geklärt werden. Wohin steuert Labour nach der desaströsen Wahlniederlage im vergangenen Dezember? Geprägt von Richtungskämpfen und öffentlichen Streitigkeiten zwischen der sozialistischen, vornehmlich jungen Momentum-Bewegung, die bis heute dem Altlinken Corbyn hinterhertrauert, und den moderaten, eher Richtung Mitte tendierenden Sozialdemokraten, die auf die Tradition als alte Arbeiterpartei pochen, muss Keir Starmer einen neuen Weg finden. Einen Anfang hat er gemacht, indem er glaubhaft gegen die antisemitischen Tendenzen in der Partei vorging – und deshalb bereits eine Alliierte seines Vorgängers aus dem Schattenkabinett warf.

Starmer spart Thema Brexit aus

Schwieriger umzusetzen dürften Veränderungen beim Parteiprogramm sein, immerhin gehörte er unter Corbyn zum innersten Kreis und trug das linke Manifest vor der Wahl 2019 mit. Noch heikler wird es für Starmer, der 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt hatte, beim Brexit. Bislang versucht er, das Thema, so gut es geht, zu vermeiden, um die eigenen Wähler nicht zu verprellen. Denn insbesondere jene klassischen Labour-Unterstützer im Norden Englands, von denen etliche für den Brexit votiert hatten, wandten sich bei der letzten Wahl in Scharen von den Sozialdemokraten ab und vertrauten vielmehr dem Versprechen Boris Johnsons, den EU-Austritt endlich umzusetzen. Der in London lebende, ehemalige Menschenrechtsanwalt Sir Keir Starmer gilt ihnen dagegen oft als abgehoben und zu EU-freundlich. Wie will er ihr Vertrauen zurückgewinnen? Derzeit hält er sich an die Strategie, den Brexit auszuklammern und lieber Johnson und sein Kabinett bei jeder sich bietenden Gelegenheit als “inkompetent” darzustellen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

“Connected”, “verbunden”, nennt Labour die dreitägige virtuelle Veranstaltung, die am heutigen Dienstag mit Starmers Ansprache endet. Ob Keir Starmers Worte versöhnen werden und ob er mit der Parteibasis tatsächlich verbunden ist, wird sich aber aufgrund der fehlenden Bilder von jubelnden oder eher skeptischen Mitgliedern kaum herausfinden lassen.


Mehr aus Politik regional

 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken