Wie regiert Scholz? Auf diesen Kanzler müssen wir uns einstellen
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Olaf Scholz (SPD), designierter Bundeskanzler, sitzt in der Bundespressekonferenz nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP zur Bildung einer Bundesregierung.
© Quelle: Bernd Von Jutrczenka/dpa
Deutschlands zukünftiger Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gilt als ruhiger Politiker, den auch in den TV-Duellen niemand richtig aus der Reserve locken konnte. Die New York Times bezeichnete ihn schon als den „vielleicht langweiligsten Deutschen“. Doch der Schein trügt: „Er ist ein harter Verhandler“, sagte die Grünen-Politikerin Katharina Fegebank vor wenigen Wochen, die als zweite Bürgermeisterin Hamburgs mit Scholz 2015 die Koalition in der Hansestadt ausgehandelt hat und Wirtschaftssenatorin war.
„Er hat den Anspruch, der Platzhirsch zu sein, Gespräche auch dominieren zu wollen und relativ wenig Spielraum zu lassen“, so Fegebank über den im Arbeiterviertel Hamburg-Altona aufgewachsenen und oft unterschätzten Scholz.
„Scholz versucht die Politik zu kontrollieren“
Auch der Politikwissenschaftler Professor Uwe Jun (Universität Trier) meint: „Scholz versucht die Politik zu kontrollieren, durchzuplanen und geht strategisch vor – ähnlich wie Angela Merkel.“ Doch in der Ampelkoalition wird diese eher defensive Art nicht reichen, wenn die SPD auch für Zukunftsthemen stehen will. „Mit Habeck und Lindner hat Scholz zwei kommunikativ starke Personen neben sich, die ihm dem Amtsbonusstreitig machen können“, so Jun im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Da FDP und Grüne ihren Parteien Ergebnisse liefern müssten, würden sie jede Gelegenheit nutzen, um Regierungserfolge für sich zu reklamieren.
Der Düsseldorfer Politikprofessor Stefan Marschall geht davon aus, dass Scholz tendenziell einen pragmatischen Regierungsstil an den Tag legen wird. „Er wird keine dogmatischen oder ideologischen Positionen durchsetzen und eher auf Sicht fahren, statt langfristige Visionen zu entwickeln.“ Die Koalitionsverhandlungen waren von Diskretion und Vertraulichkeit geprägt. Für den Düsseldorfer Politik-Experten könnte das ein erstes Signal sein, was Deutschland zu erwarten hat. „Ein solcher Regierungsstil unterscheidet sich deutlich zu dem von Gerhard Schröder, der viel mit Medien kommuniziert hat und auf eine gute Performance bedacht war.“
Marschall sieht in Bundeskanzler Scholz vor allem den Verhandler. „Dass Scholz als Kanzler ein Machtwort ausspricht, halte ich für sehr unwahrscheinlich“, sagte Marschall dem RND. Er geht davon aus, dass der neue Kanzler wie ein „Vermittlungsausschuss zwischen FDP und Grünen und seiner eigenen Partei“ Kompromisse aushandeln müsse. „Er muss den Laden zusammenhalten und die oft gegensätzlichen Positionen zusammenbringen“, so Marschall, „aber Machtworte des Kanzlers, ein ‚Basta’, wird es wohl nicht geben.“