Ausgebrannte Presse? Journalistengewerkschaft fordert besseren Schutz
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/5XO52BGO5NE7NINXN2JTUBWWHQ.jpg)
Nach Angriffen auf Journalisten bei früheren „Querdenker“-Demonstrationen hat die Polizei Stuttgart im April 2021 reagiert und „Medien-Safety-Points“ bei einer Demonstration eingerichtet.
© Quelle: imago images/Arnulf Hettrich
Berlin. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (DJU) in der Gewerkschaft Verdi fordert angesichts zunehmender Übergriffe bei Corona-Protesten mehr Einsatz des Bundesinnenministeriums zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten bei der Berichterstattung von Demonstrationen.
„Es ist zunächst mal gut, dass die Stärkung der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Das muss jetzt aber mit Leben gefüllt werden und in konkrete Vorhaben fließen“, sagte die DJU-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Das sind aus unserer Sicht Gespräche und Vereinbarungen zwischen Polizeien, Innenministerien und Journalistinnen- und Journalistenverbänden über Schutzkonzepte, bei denen das Bundesinnenministerium trotz der überwiegenden Zuständigkeiten in den Ländern eine federführende und koordinierende Rolle übernehmen sollte, auch als Signal, dass man das Problem erkannt hat und ernst nimmt“, erklärte Hofmann.
Zu solchen Schutzkonzepten gehörten etwa die Aus- und Fortbildung von Polizistinnen und Polizisten zum Umgang mit Journalistinnen und Journalisten und zum Presserecht, aber auch von Medienschaffenden zum Umgang mit Angriffen und Bedrohungen, so Hofmann. Aus den Niederlanden komme etwa die Idee, aus einem zu großen Teilen staatlich finanzierten Fonds Sicherheitstrainings und Anti-Trauma-Seminare, aber auch Sicherheitsausrüstung für freie Medienschaffende zu bezahlen.
Die Gefahr, vor allem bei der Berichterstattung über Proteste radikaler Corona-Leugner und -Leugnerinnen und Impfgegner und Impfgegnerinnen angegriffen zu werden, ist laut Einschätzungen der Gewerkschaft im Jahr 2021 weiter angestiegen. „Tatsächlich hat sich der verbliebene Kern in der zweiten Jahreshälfte weiter radikalisiert und erhält nun vor allem im Zuge der Impfpflichtdebatte wieder massiven Zulauf, was uns mit Sorge auf das kommende Jahr blicken lässt“, sagte Monique Hofmann über die wiedererstarkten Corona-Proteste.
„Ein wichtiger Treiber dieses Radikalisierungsschubs ist die Plattform Telegram, wo besonders in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu Anti-Corona-Demos mithilfe von Fotos und anderen Daten regelrecht nach Journalistinnen und Journalisten gefahndet wird“, fügte die Gewerkschafterin hinzu.
Noch lägen keine abschließenden Zahlen der Angriffe auf Pressevertreterinnen und Pressevertreter vor. „Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Angriffe mit Blick auf das Gewaltpotenzial noch einmal eine neue Qualität erreicht haben“, sagte Hofmann. Die Schwelle zur Gewaltbereitschaft sei deutlich gesunken.
Journalistinnen und Journalisten berichten von Bedrohungen und Gewalt
Eine ganze Reihe an Journalistinnen und Journalisten, die teilweise schon seit dem Frühjahr 2020 regelmäßig über Corona-Proteste in Deutschland berichten, äußerten ihren Frust und ihre Sorge über die anhaltende Gewaltbereitschaft in den vergangenen Tagen im sozialen Netzwerk Twitter. Unter dem Hashtag #AusgebranntePresse berichteten sie von Angriffen und Drohungen.
Ein Berliner Journalist schrieb etwa darüber, wie im Dezember 2020 seine Privatadresse und Handynummer in Telegram-Kanälen der Corona-Leugner-Szene veröffentlicht wurden. Mehrere Journalistinnen berichteten von sexistischen Beleidigungen und Vergewaltigungsdrohungen durch männliche Demonstrationsteilnehmer.
Einige Journalistinnen und Journalisten äußerten auch Kritik an mangelndem Eingreifen der Polizei bei Angriffen.