Scholz muss „entschiedene Haltung einnehmen“: So blickt die internationale Presse auf das Putin-Treffen

Blick gen Westen: Die internationale Presse erwartet von Kanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Moskau, dass dieser dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine klare Kante aufzeigt.

Blick gen Westen: Die internationale Presse erwartet von Kanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Moskau, dass dieser dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine klare Kante aufzeigt.

Mit den stetig zunehmenden Spannungen in der Ukraine-Krise wächst international die Sorge vor einer möglichen Invasion Russlands. Um eine militärische Auseinandersetzung zu verhindern, setzt Bundeskanzler Olaf Scholz seine Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts am Dienstag in Moskau fort. Im Kreml trifft er Russlands Präsidenten Wladimir Putin erstmals zu einem langen Vier-Augen-Gespräch, für das mehrere Stunden angesetzt sind. Formal handelt es sich um einen Antrittsbesuch des Kanzlers, doch die Ukraine-Krise dürfte bei dem Gespräch alle anderen Themen überlagern.

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Scholz gilt als letzter Regierungschef der westlichen Allianz, der noch Brücken nach Russland hat. Allzu groß sind die Hoffnungen international dennoch nicht, dass er Putin zu Zugeständnissen bewegen kann. Umso wichtiger sei es aber, dass der deutsche Kanzler nun klare Kante zeigt und auch den Begriff Nord Stream 2 in den Mund nimmt, kommentiert die internationale Presse.

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„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): Scholz muss Putin Konsequenzen „mit aller Klarheit“ aufzeigen

„Das Ziel westlicher Politiker, Zeit zu gewinnen und Moskau am Verhandlungstisch statt an einer neuen Kriegsfront zu beschäftigen, ist richtig. Ein ähnlicher Versuch des französischen Präsidenten Macron letzte Woche hat allerdings wenig sichtbare Ergebnisse erbracht.

Scholz sollte deshalb noch mehr tun. Er sollte die Gelegenheit nutzen, um Putin endlich die scharfen Konsequenzen mit aller Klarheit aufzuzeigen, welche Deutschland und die westlichen Alliierten Russland im Falle eines Angriffs auferlegen werden. Und er sollte klarmachen, dass dies für jegliche Form eines militärischen Angriffs gilt. Denn der Westen darf keine Zweideutigkeiten zulassen, die dem Kreml einen getarnten, schleichenden Kriegseintritt mit reduzierten Sanktionen erlauben könnten.“

„de Volkskrant“ (Niederlande): Für Scholz wird es schwer, „einen Durchbruch zu erreichen“

„Während die USA immer lauter warnen, dass Russland kurz davor steht, die Ukraine zu überfallen, reist der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz nach Moskau. Was hofft er dort zu erreichen? (...) Sollte Russland rasch zum Angriff übergehen, könnte sich danach zeigen, dass Olaf Scholz der letzte Regierungschef war, der davor noch mit (Präsident Wladimir) Putin im Kreml an einem Tisch saß. Inmitten dieses diplomatischen und militärischen Schattenspiels wird es für Scholz schwierig sein, einen Durchbruch zu erreichen. Vor allem reist er nach Moskau, um Putin davon zu überzeugen, dass Deutschland ein unverrückbarer Baustein in der Mauer der westlichen Einheit ist.“

„El País“ (Spanien): Scholz muss zeigen, dass Europa nur mit einer Stimme spricht

„Der gestrige Besuch von Scholz in Kiew und insbesondere der heutige in Moskau sind eine Gelegenheit für Deutschland, eine klarere und entschiedenere Haltung einzunehmen, was die Beziehungen zum Kreml angeht. Es ist wichtig, dass Europa nur mit einer einzigen, klaren und deutlichen Stimme spricht. Wie bei der Reise von (Frankreichs Präsident Emmanuel) Macron sind auch hier keine Wunder zu erwarten.

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Aber diese Reise von Scholz kann dazu dienen, den Eindruck zu verstärken, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs wirklich bereit sind, die diplomatische Karte gegenüber (Russlands Präsident Wladimir) Putin bis zum Ende auszuspielen. Bei der Ukraine-Krise geht es auch um die Zukunft der Europäischen Union, es geht um die Grenzen und die Sicherheitsarchitektur der EU.“

„Financial Times“ (England): Scholz muss den Begriff Nord Stream 2 in den Mund nehmen

„Das Schicksal der noch nicht eröffneten Gaspipeline Nord Stream 2, die von Russland unter Umgehung der Ukraine nach Deutschland führt, ist zu einem Test für die Entschlossenheit des Westens und Deutschlands geworden. Olaf Scholz ist in der Öffentlichkeit bei Nord Stream 2 zweideutig geblieben. Er weigert sich zu sagen, dass ein russischer Angriff auf die Ukraine das Projekt zum Scheitern brächte.

Am besten wäre es, wenn der deutsche Bundeskanzler jetzt offen sagen würde, dass Nord Stream 2 an dem Tag beendet wird, an dem der Krieg beginnt. Möglicherweise ist Scholz nicht bereit, dies öffentlich zu sagen, weil er befürchtet, dass der deutschen Regierung dann ein kostspieliger Rechtsstreit droht. In diesem Fall sollte die Botschaft Putin mit Nachdruck, aber unter vier Augen übermittelt werden. Nord Stream 2 ist ein Projekt mit hohem Symbolwert. Jede Zweideutigkeit birgt die Gefahr, von Moskau falsch interpretiert zu werden.

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Generell hat die Krise deutlich gemacht, dass Deutschland seine Beziehungen zu Russland überdenken muss. Als neuer Bundeskanzler, der mit neuen Umständen konfrontiert ist, hat Scholz die Möglichkeit, einen Neustart zu wagen.“

„Hospodarske noviny“ (Tschechien): Scholz’ Reisereihenfolge ein „diplomatischer Seitenhieb gegen den Kreml“

„Im Unterschied zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist Bundeskanzler Olaf Scholz zuerst nach Kiew gereist, bevor er weiter nach Moskau fliegt. Das ist ein unübersehbarer diplomatischer Seitenhieb gegen den Kreml und ein Zeichen, dass Scholz die Ansichten Kiews ernst nimmt. Das Maximum, das er in Moskau wird erreichen können, wäre ein Versprechen oder auch nur eine Andeutung einer Deeskalation. Denn der russische Präsident Wladimir Putin hat sich so weit aus dem Fenster gelehnt, dass es schwer für ihn wird, einen Rückzieher zu machen. Der Kremlchef muss beweisen, dass er mit seinem massiven militärischen Druck auf die Ukraine etwas erreicht hat.“

„Le Monde“ (Frankreich): Reise nach Moskau ist „unverzichtbar“

„Nun ist der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz an der Reihe. Nach seinem Besuch in Kiew am Montag (...) fährt er am Dienstag weiter nach Moskau. Diese Reise ist unverzichtbar, wenn man berücksichtigt, wie schwer sich die neue deutsche Regierung, die im Dezember vereidigt wurde, getan hat, eine klare Position in Bezug auf Russland zu beziehen. Vom Besuch von Olaf Scholz bei Russlands Präsident Wladimir Putin darf man sich keine Wunder erhoffen, genauso wenig wie vom Moskau-Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Woche zuvor.“

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„Kommersant“ (Russland): Scholz enttäuscht Ukraine mit Nato-Bemerkung

„Bei seinem Auftritt in Kiew hat der Bundeskanzler der Ukraine volle Unterstützung zugesichert und Moskau mit harten Sanktionen gedroht. Zugleich wich er direkten Antworten auf Fragen zur Zukunft der Ostseepipeline Nord Stream 2 und nach Rüstungsgütern für die Ukraine aus. (...) Und dann machte Olaf Scholz auch noch beiläufig eine Bemerkung, die den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj enttäuscht haben dürfte: die Frage eines Nato-Beitritts der Ukraine steht nach seinen Worten jetzt gerade gar nicht auf der Tagesordnung.“

„Washington Post“ (USA): Deutschlands Energieabhängigkeit von Russland ist „widersprüchlich und unhaltbar“

„Die übergreifende Lehre lautet, dass das Überleben der Demokratie mit der Geopolitik verflochten ist. Demokratische Prinzipien gedeihen nicht auf abstraktem Grund; sie müssen in einem sicheren territorialen Raum institutionalisiert werden. Es ist in unserem Interesse, eine gewaltsame antidemokratische Übernahme dieses großen Gebiets und seiner Bevölkerung zu verhindern und so einen Präzedenzfall für die Einschüchterung oder Übernahme anderer zu schaffen.

Es ist durchaus möglich, dass Putin genau das Ergebnis herbeiführt, das er zu verhindern vorgibt – eine größere Nato-Erweiterung –, wenn zuvor neutrale Länder wie Finnland und Schweden beitreten. Es wäre sogar noch besser, wenn ein aktuelles Mitglied – Deutschland – diese Situation zum Anlass nimmt, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, die immer noch hinter den Nato-Zielen zurückbleiben. Die deutsche Energieabhängigkeit von Russland wurde ebenfalls als das offengelegt, was sie ist – widersprüchlich und unhaltbar. Berlin muss das anpassen.“

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„Nesawissimaja“ (Russland): Moskau setzt auf Verhandlungen mit dem Westen

„Russland setzt nicht auf Konflikt, sondern auf Verhandlungen mit dem Westen, weil es die Möglichkeiten für einen Dialog noch nicht für ausgeschöpft hält. So lassen sich die Treffen Wladimir Putins mit Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu zusammenfassen. Vor dem Hintergrund einer Eskalation der internationalen Lage um die Ukraine hat sich der russische Anführer entschieden, mit den für die Sicherheit des Landes wichtigsten beiden Beamten vor den Fernsehkameras zu reden.

In den westlichen Medien mehren sich unter Berufung auf Quellen die Berichte über einen russischen Einmarsch in der Ukraine schon in den nächsten Tagen. Unter diesen Bedingungen ist das Treffen Lawrows und Putins ein vielversprechendes Signal, das davon zeugt, dass die Waffen doch nicht in Gang gesetzt werden.“

„De Tijd“ (Belgien): Konflikt mit Russland birgt wirtschaftliche Risiken

„Ein eskalierender Konflikt mit Russland ist nicht gut für die Wirtschaft und daher auch nicht für die Finanzmärkte. Doch eine Katastrophe muss das nicht sein. An sich ist es nicht schlecht, wenn etwas Luft aus den Börsenkursen entweicht, die jahrelang von den Zentralbankern aufgepumpt wurden. Kaum jemand hat besorgte Berichte geschrieben, als die Kurse Jahr für Jahr stiegen, aber als es ein paar Tage in die umgekehrte Richtung ging, gab es gleich einen Aufschrei.

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Vielleicht ist der wichtigste Grund zur Sorge aber nicht, dass eine Eskalation des aktuellen Konflikts die eine oder andere Aktie nach unten drückt, sondern dass die Zentralbanken dadurch erneut in Versuchung geraten, so weiterzumachen wie schon seit Langem: billiges Geld in eine Wirtschaft zu pumpen, die schon jetzt nicht mehr weiß, wie sie damit umgehen soll – mit allen Exzessen und realen wirtschaftlichen Risiken, die sich daraus ergeben.“

„Sydney Morning Herald“ (Australien): Einmarsch in Ukraine wäre „doppelter Schock für den Westen“

„Berichten zufolge glaubt die US-Regierung, dass ein Angriff mittlerweile sicher ist, wobei nur das genaue Datum noch unklar ist. Selbst (der russische Präsident Wladimir) Putin hat seine Diplomaten aus der ukrainischen Hauptstadt abgezogen, angeblich aus Angst vor „Provokationen“ der Ukrainer. (...)

Sollte Putin einmarschieren, wäre dies ein doppelter psychologischer Schock für den Westen. Erstens würde es die beruhigende Fiktion erschüttern, dass ein totaler, kinetischer Krieg, der von einer Großmacht gegen ihren Nachbarn geführt wird, ein Relikt der Geschichte ist. Zweitens wäre es für viele ein Schock, wenn niemand eingreift, um die Ukraine gegen die nackte russische Aggression zu verteidigen. Die USA werden es nicht tun. Die Europäer nicht. Die Nato auch nicht. Sie mögen der Ukraine Waffen liefern, aber sie werden das Land nicht verteidigen.“

„Verdens Gang“ (Norwegen): Putin stärkt Nato-Zusammenhalt

„Krieg oder Frieden? Das ist die Frage. Und nur Putin weiß die Antwort. Kriegsgefahr droht. Aber es ist immer noch möglich, einer solchen Katastrophe zu entgehen. Das Einzige, was Russlands Präsident Wladimir Putin für eine Entspannung tun muss, ist es, die russischen Truppen von der Grenze abzuziehen. Dann wäre es auch möglich, mit der Nato über vertrauensbildende Maßnahmen, Waffensysteme und Rüstungskontrolle zu verhandeln. Es kann sein, dass Putin erkennt, dass seine militärischen Drohungen gegen die Ukraine und seine unumstößlichen Forderungen an die Nato nicht die gewünschten Resultate zeigen. Die Krise führt zu Veränderungen in Europa, aber nicht zu denen, die Putin anstrebt. Anstatt die Nato zu spalten, trägt er dazu bei, den Zusammenhalt in dem Militärbündnis zu stärken.“

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„Die Presse“ (Österreich): Krieg ist die „schlechteste Option“ für Putin

„Stehen die Zeichen also auf Krieg? Nicht notwendigerweise. Dass dem russischen Präsidenten alles zuzutrauen ist, lehrt zwar die Putinologie. Kaum rational begründbar ist freilich, dass er sein auf tönernen Füßen stehendes Imperium mit offenem Visier in einen Krieg führt, der schwerste ökonomische Sanktionen zur Folge hätte. Das von Macron lancierte diplomatische Comeback des Normandieformats, von Putin lang links liegen gelassen, samt einem Moratorium für einen Nato-Beitritt der Ukraine könnte einen Ausweg eröffnen. Eine dauerhafte ‚Finnlandisierung‘ – eine Neutralisierung – der Ukraine, wie sie Putin vorschweben mag, ist allerdings illusorisch.

Der Kremlchef hat auf maximales Risiko gesetzt, er wird jedoch wohl nur ein Minimalziel erreichen. Dass Krieg die schlechteste Option wäre, weiß er selbst.“

„Rzeczpospolita“ (Polen): Im Poker um die Ukraine hat Putin die besseren Karten

„Die Psychologie wird zur wichtigsten Waffe in der Konfrontation um die Zukunft der Ukraine. Unterliegen wird derjenige, der zuerst glaubt, dass ein Krieg unvermeidbar ist und dass nur grundlegende Konzessionen seinen Ausbruch verhindern können. In diesem Spiel hat Russland derzeit die stärkeren Karten. Von Tschetschenien über Georgien bis Syrien – der Kreml hat in den vergangenen Jahren viele Militäroperationen ausgeführt. Für den Westen dagegen ist ein Krieg an der Grenze der Nato immer noch etwas Unvorstellbares.

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Ein weiterer Vorteil des Kreml besteht darin, dass der Westen von Beginn an geteilter Ansicht ist und der Aufbau einer gemeinsamen Front ihm schwerfällt. Deutschland signalisiert den Willen, Nord Stream 2 zu retten, Frankreichs Präsident möchte in diesem Konflikt Punkte sammeln, die ihm die Wiederwahl sichern. Dieses Problem hat das autoritäre russische Regime nicht. Und schließlich verteidigt der Westen bei dieser Auseinandersetzung den recht abstrakten Begriff der ‚Freiheit‘ auf der Welt, während Putin etwas sehr viel Greifbareres aufbauen will: ein russisches Imperium.“

RND/jst/dpa

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