Wahlchaos in Berlin: Schaden an der Demokratie

Berlin: Wahlberechtigte warten nach 18 Uhr in einer Schlange vor einem Wahllokal an der Mandelstraße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg darauf, ihre Stimmen zur Bundestagswahl, der Abgeordnetenhauswahl und der Wahl der Bezirksvertretungen abgeben zu dürfen.

Berlin: Wahlberechtigte warten nach 18 Uhr in einer Schlange vor einem Wahllokal an der Mandelstraße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg darauf, ihre Stimmen zur Bundestagswahl, der Abgeordnetenhauswahl und der Wahl der Bezirksvertretungen abgeben zu dürfen.

Berlin. Auf den ersten Blick konnten die Berliner Wählerinnen und Wähler es womöglich als positives Signal missverstehen: Wer in der Hauptstadt am Sonntag seine Stimme für die Bundestags- oder die Berlin-Wahl abgeben wollte, wurde vor vielen Wahllokalen von langen Warteschlangen empfangen.

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Doch es war kein Zeichen hoher Wahlbeteiligung oder für eine gewachsene Lust an der Demokratie – sondern der Vorbote eines Wahlchaos, das die Hauptstadt nicht nur in einem schlechten Licht dastehen lässt, sondern große Vertrauensverluste in den Wahlprozess ausgelöst haben dürfte.

Megamarathon am Superwahltag

Die Verzögerungen und Pannen, die sich Berlin an diesem Superwahlsonntag leistete, lesen sich wie eine Klischeesammlung, die sich Markus Söder und Boris Palmer gemeinsam ausgedacht haben: Da wurden Wahlzettel für die verschiedenen Bezirksparlamente vertauscht, sodass die Wahllokale geschlossen wurden. Anderswo gingen die Wahlzettel aus, und wegen des parallel stattfindenden Berlin-Marathons kam der angeforderte Nachschub nicht durch.

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Richtig gelesen: Die Verantwortlichen in der Hauptstadt hielten es für eine gute Idee, die halbe Innenstadt für eine Sportveranstaltung zu sperren, während zugleich dreierlei Parlamentswahlen und ein Volksentschied zu stemmen waren.

Die Helden des Sonntags waren die Wahlhelfer

Zu diesem menschlichen Versagen kam offenbar das Laisser-faire etlicher angemeldeter Wahlhelferinnen und Wahlhelfer hinzu, die nicht auftauchten und durch Nachrücker ersetzt werden mussten. Die Helden des Wahlsonntags sind damit jene Freiwilligen, die als Wahlhelfer im Einsatz waren und sich den Frust Tausender Berliner anhören mussten.

Auch ob die Corona-Auflagen auf eine zeitaufwendige und komplizierte vierteilige Abstimmung über Bund, Senat, Bezirksparlamente und Immobilienkonzerne abgestimmt waren, ist fraglich.

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In der Summe führte all das mancherorts zu Wartezeiten von einer, teilweise sogar zwei Stunden. Eine Petitesse ist da noch, dass in Berlin noch Stimmzettel auch für die Bundestagswahl ausgefüllt wurden, während das Fernsehen längst die ersten Prognosen für das Wahlergebnis verkündete. Das hatte der Bundeswahlleiter bislang stets als unzulässig gegeißelt.

Viele Wähler gaben entnervt auf

Ein ernsthaftes Problem ist dagegen, dass etliche Wählerinnen und Wähler entnervt aufgaben und auf eine Stimmabgabe verzichteten. Niemand wird je erfahren, wie viele Berliner an diesem Wahlsonntag der Bundestagswahl und den drei wichtigen Abstimmungen in ihrer Stadt ferngeblieben sind, weil sie sich Wartezeiten von ein bis zwei Stunden nicht antun wollten.

Romantiker verweisen nun vielleicht auf die langen Schlangen bei den ersten freien Wahlen in Südafrika oder nach dem Mauerfall in der DDR und werfen den vergraulten Wahlwilligen im heutigen Berlin vor, ihre Bürgerpflicht vernachlässigt zu haben. Doch das Gegenteil ist richtig: Es war von Anfang an unverantwortlich vom Berliner Senat, den Megamarathon trotz des Wahltermins nicht vorzuziehen oder zu verschieben. Und auch die Landeswahlleitung hat ganz offensichtlich etlichen Fehlern und Pannen nicht ausreichend vorgebeugt.

Angesichts des großen Vertrauensverlustes, den dieses Fiasko bei vielen Wählern und erzwungenen Nichtwählern angerichtet hat, darf man es in Berlin jetzt nicht wieder weglächeln oder als typisch berlinerischen Charme abtun. Dieses Versagen muss Konsequenzen haben.

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