Wechsel an der Labour-Spitze: Wäre Keir Starmer der Richtige?

Keir Starmer wird mutmaßlich neuer Parteichef von Labour in Großbritannien. Doch in der Corona-Krise ist er bislang auffällig unauffällig.

Keir Starmer wird mutmaßlich neuer Parteichef von Labour in Großbritannien. Doch in der Corona-Krise ist er bislang auffällig unauffällig.

London. Knapp vier Monate nach der vernichtenden Wahlniederlage der Sozialdemokraten in Großbritannien kommt nun der Wechsel an der Spitze der Labour-Partei. Sechs Wochen lang hatten Partei- und Gewerkschaftsmitglieder sowie Unterstützer ohne Parteibuch Zeit, ihre Stimmen abzugeben. Am Samstagvormittag wird das Ergebnis bekanntgegeben. Es gilt als so gut wie ausgemacht, dass der bisherige Brexit-Experte Keir Starmer den Altlinken Jeremy Corbyn ablöst. Für den Posten der Vize-Chefin gilt die bisherige bildungspolitische Sprecherin Angela Rayner als gesetzt.

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Sollte sich Starmer wie erwartet gegen seine Konkurrentinnen Rebecca Long-Bailey und Lisa Nandy durchsetzen, wäre das eine deutliche Abkehr von der stramm linken Ausrichtung der Partei in den vergangenen Jahren. Starmer hatte nie offen gegen Corbyn aufbegehrt, doch er war stets ein Gegenpol zu dessen gleichgültiger Brexit-Strategie, mit der der 70 Jahre alte Politiker auf spektakuläre Weise Schiffbruch erlitt.

Ein Spagat, mit dem Labour ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr

Während sich die Konservativen von Premierminister Boris Johnson von ihrer kosmopolitischen Wählerschaft verabschiedeten und sich zur Partei des EU-Austritts verwandelten, versuchte Labour den Spagat zwischen euroskeptischen Arbeitern und proeuropäischen Intellektuellen. Die Folgen waren drastisch. Die Partei fuhr ihr schlechtestes Ergebnis seit 1935 ein.

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Starmer muss die Partei nun neu ausrichten: Er wird sich hüten, allzu laut nach einer Verlängerung der Brexit-Übergangsphase zu rufen. “Der Streit um den Verbleib oder den Austritt ist vorbei”, sagte er bei einer Podiumsdebatte mit seinen Konkurrentinnen im Februar. Johnson hält bislang eisern daran fest, die Loslösung von der EU bis zum Ende des Jahres abzuschließen. Doch daran glaubt angesichts der massiven Veränderungen durch die Coronavirus-Pandemie kaum noch jemand. Ein Scheitern der Verhandlungen, die derzeit gar nicht stattfinden können, würde der durch den Lockdown ohnehin geschwächten Wirtschaft einen zusätzlichen Schlag versetzen.

Ist Starmer der Richtige für ein Comeback von Labour?

Doch ist der 57 Jahre alte Starmer überhaupt der Richtige um die verlorenen Stammwähler zurückzugewinnen? Der stets akkurat gescheitelte, einstige Menschenrechtsanwalt aus London verkörpert die weltoffenen, proeuropäischen Linksliberalen der britischen Mittelschicht. Er ist rhetorisch begabt und mit seinem messerscharfen Verstand und Blick fürs Detail dem Selbstdarsteller Johnson fraglos überlegen.

Doch der designierte Oppositionsführer war in den vergangenen Wochen auffällig unauffällig. Dabei bietet die Regierung viel Angriffsfläche bei ihrem Umgang mit der Coronavirus-Pandemie: Erst zögerlich führte sie Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ein. Auch die geplante Erhöhung der Zahl der Tests, Beschaffung von Beatmungsgeräten und Schutzkleidung für Krankenhausmitarbeiter lief nur schleppend an. Starmer scheint zu ahnen: Im Moment ist nicht viel zu gewinnen mit Regierungskritik, die sich in Krisenzeiten mit dem Vorwurf des Politikergezänks allzu schnell als Bumerang erweisen könnte. Der neue Labour-Chef dürfte darauf setzen, dass sich die Regierung mit ihrem chaotischen Krisenmanagement selbst entlarvt.

RND/dpa

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