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Peking und die Zensur

Chinesischer Jubel für Putin: mehr Manipulation als Meinung

Fernsehbildschirme zeigen eine Nachrichtensendung auf der der russische Präsident Putin über den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine spricht.

Fernsehbildschirme zeigen eine Nachrichtensendung auf der der russische Präsident Putin über den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine spricht.

Peking. Es kommt selten vor in China, dass die Rede eines ausländischen Staatsoberhaupts viral geht. Doch Wladimir Putins Rechtfertigung für seinen Einmarsch in die Ukraine wurde am Donnerstag über eine Milliarde Mal angeklickt – und von vielen Nutzern euphorisch gefeiert. Die Ansprache hat unter Chinesen offensichtlich einen Nerv getroffen. Denn auch sie fühlen sich, wie Putin es schildert, von den USA in die Ecke gedrängt.

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Tatsächlich ist das chinesische Internet voll von prorussischen Postings und teils nationalistischen Beleidigungen gegen die Ukraine. Doch gleichzeitig lässt sich darauf nur bedingt auf die repräsentative Meinung innerhalb der Bevölkerung schließen.

Zum einen ist es in vielen Ländern ein weit verbreitetes Phänomen, dass die Hassposter im anonymen Netz am lautesten ihre Ansichten hinausposaunen. Zum anderen kommt in China noch eine weitere Verzerrung hinzu: der am stärksten entwickelte Zensurapparat der Welt.

Fakt ist: Wladimir Putin wird seit Längerem von vielen Chinesen bewundert. Seine demonstrative Stärke und Zurschaustellung muskulöser Männlichkeit kommen in einigen Bevölkerungsteilen gut an. Vereinfacht ausgedrückt: Nicht wenige Chinesen würden sich auch von ihrem eigenen Präsidenten wünschen, dass er mit nacktem Oberkörper auf einem Schimmel durch die Landschaft reitet.

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Influencer wettert gegen „Amerikas kleinen Bruder“

Wenig überraschend positionieren sich viele Influencer in den sozialen Medien auch beim Ukraine-Krieg eindeutig auf der Seite Russlands. „Die Welt hasst Amerika schon seit langer Zeit. Nun schlägt Russland endlich einmal Amerikas kleinen Bruder nieder – wieso sollte ich da nicht applaudieren?“, sagt ein Blogger mit über zwölf Millionen Followern in einem Kurzvideo.

Doch nicht alle teilen seine Ansichten. Insbesondere in intellektuellen Kreisen wird die chinesische Anbiederung an Moskau kritisch hinterfragt. Mehrere renommierte Professoren, unter anderem von der Tsinghua Universität in Peking und der Fudan Universität in Shanghai, haben in einer öffentlichen Stellungnahme die russische Invasion als „ungerechtfertigten Krieg“ gegen einen souveränen Staat bezeichnet.

„Wir haben das Gefühl, dass auch wir unseren Stimmen Gehör verschaffen müssen“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Wir unterstützen mit Nachdruck die Aktionen der ukrainischen Bevölkerung zur Verteidigung ihres Landes.“

Die chinesische Zensur schreitet ein

Angesichts der engen Partnerschaft Pekings gegenüber Moskau sind solch kritische Worte eine heikle Angelegenheit. Wenig überraschend schritten dann auch die Zensoren umgehend ein: Die Onlinestellungnahme wurde nach kurzer Zeit aus dem Netz gelöscht. Er verstoße „gegen die Richtlinien“, heißt es auf der Onlineplattform Weibo. Dabei werden jene Ansichten von vielen Chinesen geteilt, wenn sie auch nicht selten aus Angst vor Repressionen unausgesprochen bleiben.

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Es ist die immer gleiche Leier: Wann immer sich erhitzte Debatten im chinesischen Netz entfalten, ruft Xi Jinping seine Zensurbehörden auf den Plan. Sie sollen, wie es in der blumigen Sprache der Kommunistischen Partei heißt, „die öffentliche Meinung steuern“ und das politische Klima „sauber“ halten. Konkret bedeutet das: Die eigenen Standpunkte werden durch den Algorithmus prominent platziert, während entgegengesetzte Meinungen ausradiert oder versteckt gehalten werden.

China fährt eine Doppelstrategie

Die Staatsmedien sind dabei die ausführenden Komplizen des Propagandaapparats. Interessant ist zu beobachten, wie mehrgleisig die „Message control“ ausgelegt ist: Während der Fernsehsender CCTV auf den chinesischen Onlineplattformen vor allem prorussische Sichtweisen darlegt, postet der englischsprachige Ableger CGTN auf Twitter auch Sympathiebekundungen gegenüber der Ukraine.

In einem Video sprechen sich beispielsweise chinesische Musikstudenten aus Kiew für Frieden aus. Doch dies findet wohlgemerkt auf einer Onlineplattform statt, die innerhalb der Volksrepublik China gesperrt ist – offensichtlich, um Sympathiepunkte beim ausländischen Publikum zu ergattern, während die eigene Bevölkerung nur die offizielle Propaganda zu hören bekommt.

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Auch in der analogen Welt funktioniert die Kontrolle

Im chinesischen Netz nämlich verbreiteten die Medien eine geradezu perfide Stellungnahme der russischen Botschaft in Peking. Darin wird der Krieg als „friedenssichernde Operation“ gegen eine „neo-nazistische Ukraine“ und deren „Genozid von vier Millionen ethnischen Russen im Donbass“ beschrieben. Die Postings der User sind mehrheitlich Hasstiraden gegen die USA: „Tötet die Nazi-Ukraine, los geht´s!“, lautet einer der am meist geliketen Kommentare. Ein anderer: „Wir sollten Russland unterstützen und ein Exempel statuieren.“

Die Kontrolle des Narrativs setzt sich natürlich auch in der analogen Welt fort. Vor der russischen Botschaft wachen Dutzende Sicherheitskräfte, um Menschenansammlungen im Vorhinein zu verhindern. Eine Usbekin, die sich als „kulturelle Russin“ identifiziert, wollte am Montag vorm benachbarten russischen Kulturinstitut eine Ein-Personen-Demo abhalten. Doch als die Sicherheitskräfte ihre blau-gelbe Kleidung sahen, wurde sie umgehend von den Beamten zur Rede gestellt – und musste unverrichteter Dinge kehrtmachen.

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