Stress mit dem Stresstest: Wie geht es weiter mit der Atomkraft?
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Wie geht es weiter mit der Atomkraft? Das Kernkraftwerk Isar.
© Quelle: imago/STAR-MEDIA
Berlin. Kürzlich hieß es, der Stresstest werde am 21. August vorgestellt – kurz nach der Rückkehr von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aus dem Urlaub. Nun ist von Ende dieser Woche, Anfang nächster Woche die Rede. Doch auch das ist nicht gewiss.
Am Dienstag sagte eine Sprecherin Habecks dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zu der Frage, ob die verbliebenen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 anders als vom Atomgesetz vorgesehen über das Jahresende hinaus laufen sollten: „Die Berechnungen dauern weiter an.“ Sie seien komplex, und es müssen eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt werden. Am Ende würden mehrere Szenarien veröffentlicht.
Kostensenkender Effekt, wenn auch klein
Nach RND-Informationen wurden die Kriterien dieses nach dem Frühjahr zweiten Stresstests zuletzt jedoch geändert. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete am Dienstag Ähnliches. Demnach soll neben der Frage, ob infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine neben der Gas- die Stromversorgung gefährdet sein könnte, unter anderem die Preisentwicklung berücksichtigt werden. Das Magazin schreibt: „Die vier Übertragungsnetzbetreiber, die für den sicheren und stabilen Stromaustausch verantwortlich sind, sollen neben der Versorgungssicherheit auch abschätzen, ob der Weiterbetrieb dabei hilft, die Preise an den Strommärkten zu senken. Derzeit klettern dort die Preise in ungekannte Höhen. Zu erwarten ist, dass es einen kostensenkenden Effekt gibt, auch wenn dieser klein ist.“
In Grünen-Kreisen wird gemutmaßt, die Einführung des Preiskriteriums diene dem Zweck, zumindest einen der drei Meiler, nämlich Isar 2, mindestens bis zum Frühjahr zu betreiben. Vom Wirtschaftsministerium gibt es dafür weder eine Bestätigung noch ein Dementi.
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„Nicht ideologisch unterwegs“
Seit einiger Zeit wird innerhalb wie außerhalb der Ökopartei ohnehin angenommen, dass Isar 2 in jedem Fall und die beiden anderen Kraftwerke eventuell am Netz bleiben könnten. Denn Bayern ist stärker als andere Bundesländer von russischem Erdgas abhängig, das unter anderem zur Verstromung genutzt wird. Im Übrigen hat der Freistaat den Ausbau von Leitungen für erneuerbare Energien aus Norddeutschland lange blockiert. Bevor in Bayern Ampeln stillstünden und Krankenhäuser an Notstromaggregate angeschlossen werden müssten, werde man sich einem sogenannten Streckbetrieb mit den vorhandenen Brennelementen also nicht verweigern, verlautet aus grünen Regierungskreisen. Man sei da „nicht ideologisch unterwegs“. Es werde auch kein Szenario gerechnet, das den Grünen politisch genehm sei.
Freilich haben Union und FDP im Bundestag längst erklärt, dass sie eine echte Laufzeitverlängerung für alle drei Meiler bis 2024 wünschten – was die Lieferung neuer Brennelemente beinhalten würde. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) macht ebenfalls Druck. Vor einer Novelle des Atomgesetzes würde mithin ein Tauziehen darüber einsetzen, wie weit diese reichen soll. Das Votum der Liberalen wäre dabei wohl entscheidend. Habeck, derzeit wegen der umstrittenen Gasumlage sowieso stark unter Druck, müsste zwischen den Fronten jonglieren.
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Offshore-Windenergie: Ostsee wird zum Stromdrehkreuz in Europa
Die EU bescheinigt der Ostsee ein Windausbeutepotenzial von 90 Gigawatt. Derzeit stehen in der deutschen Ostsee Anlagen mit einer Leistung von 1,1 Gigawatt. Expertinnen und Experten rechnen mit einem deutlichen Ausbauschub, von dem MV profitieren könnte. Schon jetzt laufen die Planungen dafür.
Startschuss für den Wiedereinstieg?
Die Grünen nämlich würden bei einer echten Laufzeitverlängerung bis 2024 kaum mitmachen – aus prinzipiellen Gründen wie aus der Sorge heraus, dass dies erst der Startschuss für einen Wiedereinstieg wäre, bis die neuen Brennelemente komplett verbraucht würden. So dürfte die Atomenergie plötzlich wieder Gegenstand des Parteitages werden, der Mitte Oktober in Bonn stattfindet. Dabei glaubten die Grünen lange, das Thema sei abgehakt und der Ausstieg beschlossene Sache. Das Habeck-Ministerium, so scheint es, spielt ein bisschen auf Zeit.
Fest steht: Der Stresstest soll neben der Preisfrage die wegen des Klimawandels niedrigen Pegelstände der Flüsse und die Konsequenzen für den Transport von Kohle genauso berücksichtigen wie die Leistungsfähigkeit von Wasserkraftwerken oder die Stromproduktion im Ausland. Fest steht ebenso: Sobald der Stresstest vorliegt, wird es im Parlament ein höchst kontroverses Hin und Her geben. Der Ausgang ist nicht absehbar.