Tübinger Verpackungssteuer rechtens – folgen nun andere Städte?
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Eine Auswahl an McDonald’s-Verpackungsmaterial liegt zu Demonstrationszwecken im Verhandlungssaal des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs auf dem Tisch der Anwälte der Stadt Tübingen.
© Quelle: Uwe Anspach/dpa
Karlsruhe. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugunsten der Verpackungssteuer in Tübingen zeigen sich Städte in Deutschland noch zögerlich, dem Beispiel aus Baden-Württemberg zu folgen. Als Gründe nannten Kommunen in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zumeist den Wunsch nach einer städteübergreifenden Lösung und die noch nicht vorliegende Urteilsbegründung.
Seit Anfang 2022 hat Tübingen eine Verpackungssteuer – für Einweggeschirr und Einwegverpackungen wird eine Gebühr fällig. Das soll Müllberge in der Stadt vermeiden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das in einem Grundsatzurteil Ende Mai für rechtmäßig erklärt. Die Betreiberin einer McDonald‘s Filiale in Tübingen hatte – unterstützt von dem Fast-Food-Konzern - gegen die kommunale Verpackungssteuersatzung geklagt. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.
Zumindest gab es in Mannheim, Karlsruhe oder Freiburg bereits entsprechende Überlegungen, eine Verpackungssteuer einzuführen. So brachten die Grünen im Freiburger Gemeinderat bereits 2020 erfolgreich einen Antrag zur Verpackungssteuer ein, mit dem sich die Verwaltung beschäftigen wollte. Im selben Jahr sagte die Mannheimer Verwaltung zu, die rechtliche Lage zu klären – nach dem nun ergangenen Urteil aus Leipzig forderte die SPD im Mannheimer Gemeinderat am Donnerstag eine schnelle Umsetzung der Verpackungssteuer in der Stadt. Karlsruhe hatte die Entscheidung über eine Steuer wegen der rechtlichen Unsicherheit zurückgestellt – wird das Thema aber nach Worten einer Sprecherin erneut aufgreifen.
Viele Städte sind noch zögerlich
In der Stadt Berlin steht eine Verpackungssteuer derzeit nicht auf der Agenda. Aus Sicht Berlins sollte eine mögliche Verpackungssteuer wenn überhaupt nur auf Bundes- oder europäischer Ebene eingeführt werden, teilte eine Sprecherin der Umweltverwaltung mit. Eine kommunale Einführung würde zu einer zerklüfteten Steuerlandschaft führen. Die Stadt befürchtet zudem „Beschwerden hinsichtlich Gleichbehandlung und Wettbewerb“. Zugleich teilte die Sprecherin mit: „Eine solche Verpackungssteuer würde wahrscheinlich den Verbrauch von Einwegprodukten deutlich mindern.“
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In Düsseldorf wird das Urteil laut einem Sprecher „mit Interesse verfolgt“. Konkrete Pläne, es Tübingen gleich zu tun, gibt es aber nicht. Die Stadt verweist unter anderem darauf, dass seit Jahresbeginn bereits die sogenannte Mehrwegangebotspflicht in Deutschland gelte.
Die Stadt Stuttgart zweifelt die Wirksamkeit der Steuer an. Wie eine von der Universität Tübingen veröffentlichte Studie zeige, sei es umstritten, ob eine derartige Steuer tatsächlich zur Reduktion von Verpackungsmüll führt, teilte ein Sprecher mit. Gemeinsam mit der Gastronomie sollen deshalb Mehrwegsysteme untersucht werden, die die Kundschaft auch annehme.
Auch in den Städten Augsburg, Hildesheim und Bautzen gibt es derzeit keine Pläne für eine Abgabe auf Einwegverpackungen.
In Trier gab es dagegen bereits 2019 einen Antrag zur Einführung der Steuer. Wegen des laufenden Verfahrens aus Tübingen kam es bislang zu keiner Entscheidung. Das Urteil und die Begründung sollen nun geprüft werden, hieß es von der Stadt. So geht auch die Stadt München vor. Zugleich fordern dort zwei Stadtratsfraktionen eine Umsetzung der Verpackungssteuer.
Bayerische Städte erwägen Steuer
Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur hat ergeben, dass auch mehrere bayerische Städte eine Verpackungssteuer erwägen.
Die Stadt München zeigt sich für eine ähnliche Lösung grundsätzlich offen. Nach Einschätzung der Stadtkämmerei sei eine Einführung rechtlich möglich, teilte eine Sprecherin mit. Für alles weitere möchte die Stadt zunächst die schriftliche Begründung des Urteils aus Leipzig abwarten. Zugleich liegen Anträge von zwei Stadtratsfraktionen vor, es der Stadt Tübingen gleich zu tun.
Im Bamberg soll bis Ende des Jahres Klarheit herrschen, wie die Verpackungssteuer umgesetzt werden kann, wie der zweite Bürgermeister Jonas Glüsenkamp sagte. Er ist überzeugt, dass nun viele Städte nachziehen werden und verweist auf die Rechtslage der Kommunen. Diese müssten grundsätzlich alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen. Und damit nun auch die Verpackungssteuer einführen, ist er überzeugt. Um einen möglichen Flickenteppich lokal unterschiedlicher Vorgaben zu vermeiden, wünscht sich Glüsenkamp städteübergreifende Vorgaben. „Solange es diese nicht gibt, werden sich viele Kommunen wohl an der Tübinger Satzung orientieren, die vor Gericht Bestand hatte.“
Auch in Nürnberg soll die Einführung der Verpackungssteuer geprüft werden. Sie halte die Lenkungs- und Anreizfunktion, die mit der Verpackungssteuer verbunden werde, für sehr sinnvoll, teilte Umweltreferentin Britta Walthelm mit. Doch auch hier möchte die Verwaltung zunächst auf die schriftliche Begründung des Urteils warten. Eine „Insel-Lösung“ nur für Nürnberg mache zudem keinen Sinn. Referentin Walthelm sieht den Bund am Zug, die Gesetzgebung zu erweitern und die Sonderabgabe für Produkte aus Einwegplastik auch auf Pizzakartons, Aluminiumschalen und Kaugummis auszudehnen.
Die Stadt Passau sieht sich mit einem im Sommer 2021 eingeführten Mehrwegbecher-System in der Gastronomie bereits auf einem guten Weg. Zudem würden derzeit mehrere weitere Maßnahmen zur Abfallvermeidung geprüft, teilte ein Sprecher mit. Dazu zählt demnach auch die Verpackungssteuer.
50 Cent für Einweggeschirr in Tübingen
In der Universitätsstadt werden seit 2022 je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck fällig. Wegen des Rechtsstreits wurden bisher aber noch keine Steuern eingezogen.
Das Grundsatzurteil aus Leipzig „schafft Rechtsklarheit für unsere Mitgliedsstädte“, kommentierte der Städtetag Baden-Württemberg am Donnerstag. Es sei davon auszugehen, dass die Tübinger Verpackungssteuer Nachahmer finden werde. „Dafür werden die Städte aber sicherlich erst einmal die Urteilsgründe abwarten, aus denen sich weitere Hinweise zur rechtmäßigen Ausgestaltung der kommunalen Steuer ergeben werden.“
RND/dpa