Expertin im RND-Interview

Drei Gründe, warum Putin Atomwaffen nach Belarus verlegt

Eine Iskander-M-Rakete wird während einer Demonstration der russischen Streitkräfte auf den Abschuss vorbereitet. Russlands Präsident Putin hat die Stationierung taktischer Atomwaffen in der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus angekündigt.

Eine Iskander-M-Rakete wird während einer Demonstration der russischen Streitkräfte auf den Abschuss vorbereitet. Russlands Präsident Putin hat die Stationierung taktischer Atomwaffen in der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus angekündigt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, in den kommenden Monaten russische Atomwaffen ins Nachbarland Belarus zu verlegen. Russland werde die Kontrolle über die taktischen Atomwaffen behalten, so Putin weiter, um die der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko schon länger gebeten habe. Bis Anfang Juli sollten die Lagerplätze dafür in Belarus fertiggestellt sein. Im RND-Interview erläutert die Sicherheitsforscherin Marina Henke die Hintergründe. Sie ist Professorin für Internationale Beziehungen an der Hertie School und Direktorin des Centre for International Security. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen militärische Interventionen, Friedenssicherung und europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

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Frau Henke, möchte Putin mit der Verlegung russischer Atomwaffen den Westen einschüchtern?

Es gibt drei Gründe, warum Staaten ihre taktischen Nuklearwaffen in anderen Ländern stationieren. Der erste Grund ist zur Abschreckung, also ein Mittel zur psychologischen Kriegsführung. Putin will Unsicherheit verbreiten, indem er mit Belarus einen weiteren Akteur in das Kontrollsystem der Nuklearwaffen involviert. Im Westen kann dadurch eine größere Angst entstehen, dass es zu einer nuklearen Eskalation kommt. Die zweite Dimension ist die Zusicherung an Lukaschenko, weiterhin ein enger Vertrauter Putins zu sein. Lukaschenko wollte diese Waffen schon sehr lange als Versicherung und hat bei Putin immer wieder darum gebettelt. Jetzt sind sie für ihn wie ein Geschenk, wenngleich Russland diese Waffen weiterhin kontrolliert.

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Und der dritte Grund?

Durch die Stationierung der Nuklearwaffen in Belarus erhöht Russland künstlich die Verhandlungsmasse für zukünftige Friedensverhandlungen mit der Ukraine. US-Außenminister Blinken hatte schon angekündigt, dass man über Verhandlungen nachdenkt. Beide Seite überlegen also, wie eine Einigung aussehen könnte. Putin kalkuliert offenbar, die ukrainische Seite bei Verhandlungen zu besseren Konditionen bewegen zu können, wenn er die Rücknahme der taktischen Nuklearwaffen aus Belarus anbietet. Eine ähnliche Logik haben wir bereits in den 1980er-Jahren gesehen, als die USA die Sowjetunion dazu bewegen wollten, ihre Mittelstreckenraketen zurückzuziehen.

Putin kalkuliert offenbar, die ukrainische Seite bei Verhandlungen zu besseren Konditionen bewegen zu können, wenn er die Rücknahme der taktischen Nuklearwaffen aus Belarus anbietet.

Marina Henke,

Expertin militärische Interventionen an der Hertie School

Hat die Verlegung von Nuklearwaffen auch ganz praktische Konsequenzen?

Die Atomsprengköpfe befinden sich dann zwar näher zur Ukraine, zu Polen und dem Baltikum. Aber das ist genau genommen gar nicht entscheidend. Die Nuklearwaffen lassen sich per Flugzeug oder mit Iskander-Raketen von Land oder einem U-Boot aus abfeuern und da machen ein paar 100 Kilometer keinen großen Unterschied aus. Maßgeblich ist auch nicht die Reichweite, sondern die Explosionsgewalt, also das Ausmaß der Zerstörung und der nuklearen Verseuchung. Dies lässt sich bei taktischen Nuklearwaffen sehr präzise einstellen.

Marina Henke, Professorin an der Hertie School.

Marina Henke, Professorin an der Hertie School.

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Überrascht Sie die angekündigte Verlegung der Atomwaffen?

Es ist tatsächlich überraschend, weil Putin erst am vergangenen Dienstag beim Treffen mit dem chinesischen Staatschef Xi in Moskau ein Kommuniqué verabschiedet hatte, wonach sich Russland verpflichtet, keine Nuklearwaffen in Drittstaaten zu stationieren. Diese Vereinbarung innerhalb einer Woche schon wieder in den Wind zu schießen könnte ein Hinweis darauf sein, dass Putin die Unterstützung Chinas nicht im erhofften Umfang erhalten haben könnte. Die Chinesen haben immer deutlich gemacht, dass eine nukleare Eskalation ein rotes Tuch für sie ist – mit allen Konsequenzen.

Putin kündigt an: Russland stationiert Atomwaffen in Belarus
25.03.2023, Russland, Moskau: *** RECROP *** Auf diesem Sputnik, Kremlin Pool Photo, das von AP zur Verfügung gestellt worden ist, hört der russische Präsident Wladimir Putin  Verkehrsminister Saweljew zu. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Stationierung taktischer Atomwaffen in der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus angekündigt. Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP +++ dpa-Bildfunk +++

Russlands Präsident Wladimir Putin kündigt Verlegung von Atomwaffen nach Belarus an.

Ist diese noch engere Verbindung zwischen Russland und Belarus auch ein weiteres Indiz für eine mögliche Annexion des Nachbarlandes?

Der belarussische Machthaber Lukaschenko ist schon lange so abhängig von Russland, dass Putin Belarus gar nicht mehr annektieren muss. Das Land ist unter Lukaschenko ein Vasallenstaat und Putin steht in der Ukraine gerade vor so großen Herausforderungen, dass eine Annexion von Belarus zu Unzeiten käme.

Putin hat in den letzten Monaten immer wieder mit einer nuklearen Eskalation gedroht. Wie ernst müssen wir diese Drohungen überhaupt noch nehmen?

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Zu Beginn des Krieges waren alle Nuklearexperten sehr besorgt über Putins Androhungen von taktischen Nuklearwaffen. Inzwischen verlieren diese Drohgebärden zunehmend an Glaubwürdigkeit und Gefahr. Russland könnte aber schlichtweg noch nicht so sehr in die Ecke gedrängt worden sein, dass es zur Nuklearwaffe greift. Ich bin nach mehr als einem Jahr Krieg immer weniger überzeugt, dass Putin wirklich eine taktische Nuklearwaffe einsetzen wird. Er weiß zu gut, dass er dann die Unterstützung Chinas und vieler weiterer Länder verlieren wird.

Wenn die Drohungen immer unglaubwürdiger werden, was bringen sie dann noch?

Putins nukleare Drohungen sind in Teilen durchaus erfolgreich. Der einzige Grund für die Zurückhaltung der USA und der anderen Nato-Mitglieder bei den Waffenlieferungen an die Ukraine ist der Atommachtstatus Russlands. Dieser Krieg würde sonst ganz anders geführt werden. Russland besitzt Atomwaffen und spricht offen aus, dass es gewillt ist, sie einzusetzen. Deshalb sehen wir auch jetzt wieder die Zurückhaltung bei der Lieferung von Kampfjets.

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