Bundeskanzler Olaf Scholz warnt vor „Überbietungswettbewerb“ bei Waffenlieferungen
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Regierungserklärung durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag in Berlin.
© Quelle: IMAGO/Christian Spicker
Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einer Regierungserklärung im Bundestag über den EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag informiert. Dabei betonte der SPD-Politiker, dass die Unterstützung der Ukraine durch die europäischen Länder fortgesetzt werde. Gleichzeitig warnte Scholz vor einem „öffentlichen Überbietungswettbewerb“ in Fragen um Waffenlieferungen für das von Russland angegriffene Land.
Ein solcher „Überbietungswettbewerb“ um Waffensysteme sowie „markige innenpolitische Statements und Kritik an Partnern auf offener Bühne“ würden lediglich schaden. „Jede Dissonanz, jede Spekulation nutzt einzig Putin und seiner Propaganda“, sagte Scholz am Mittwoch in Berlin.
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Zu Beginn seiner Aussprache brachte Scholz zunächst sein Mitgefühl für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien zum Ausdruck. „Wir sind erschüttert über die Toten und Verletzten, über so viel Leid und Zerstörung“, sagte der Bundeskanzler. Die Bundesregierung habe der Türkei unverzüglich Hilfe zugesagt, diese sei auch bereits auf dem Weg. Scholz setzte sich zudem für einen grenzüberschreitenden Zugang zum Erdbebengebiet ein, um auch in Syrien die notwendige Hilfe leisten zu können.
Drei Prinzipien für Deutschlands Ukraine-Politik
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine erläuterte Scholz drei Prinzipien, auf denen die Politik der Bundesregierung und der EU basiere. Man lasse nicht zu, „dass ein Land sich mit Gewalt Teile eines anderen Landes einverleibt und Grundprinzipien unserer Friedensordnung infrage stellt“, betonte der Bundeskanzler. Deshalb werde die EU die Ukraine so lange unterstützen wie nötig und auch nochmals zum Jahrestag des russischen Angriffs am 24. Februar die Sanktionen gegen Russland verstärken.
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Zudem werde man keine Entscheidung treffen, die das Militärbündnis Nato zur Kriegspartei werden ließe. „Nicht die Nato führt Krieg gegen Russland, Russland hat die Ukraine angegriffen“, unterstrich Scholz. Putin werde seine Ziele nicht erreichen, weder auf dem Schlachtfeld noch durch einen Diktatfrieden.
Das dritte Prinzip seien Entscheidungen „im Gleichklang mit Partnern und Verbündeten“, so der Bundeskanzler. Dieses habe bereits in den vergangenen zwölf Monaten bei Fragen um Lieferungen von Waffensystemen wie Panzerhaubitzen, Mehrfachraketenwerfern, Flugabwehrsystemen oder Panzern gut funktioniert. „Bei alledem behalten wir Umsicht und Nervenstärke, die es braucht, um abgewogen zu entscheiden“, bekräftigte der SPD-Politiker. Darauf könnten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland fest vertrauen. „Dafür stehe ich mit meinem Wort.“
In Deutschlands Außen- und Europapolitik solle es laut Scholz um das „Führen durch Zusammenführen“ gehen. „Darin liegt für mich Deutschlands Rolle in Europa.“ Lösungen sollen gemeinsam mit anderen Ländern erarbeitet werden. „Das ist und bleibt der Kompass dieser Bundesregierung in der Außen- und Europapolitik.“
Scholz: „Die Ukraine gehört zu Europa, ihre Zukunft liegt in der Europäischen Union“
Im außerordentlichen Europäischen Rat am Donnerstag würden zudem Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die Gespräche mit der ukrainischen Regierung aus der vergangenen Woche informieren. Der Austausch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei den EU-Mitgliedsstaaten wichtig und er solle fortgesetzt werden. Das Versprechen, dass der Ukraine im vergangenen Jahr gegeben wurde, wolle man einhalten: „Die Ukraine gehört zu Europa, ihre Zukunft liegt in der Europäischen Union.“ Selenskyj wird am Donnerstag auch in Brüssel erwartet.
Scholz wies auch darauf hin, dass sich die EU-Länder nicht in allen Fragen so einig sind wie bei der Ukraine-Politik. Unstimmigkeiten zu Fragen von Migration und Wettbewerbsfähigkeit sollen beim EU-Gipfel angegangen werden. Bei der Unterstützung der Geflüchteten aus der Ukraine habe dies bereits gut funktioniert. Millionen Menschen seien in Deutschland und anderen Ländern aufgenommen worden. Dennoch wolle er in Brüssel diese Verantwortung nochmals „thematisieren“, sagte der SPD-Politiker.
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© Quelle: dpa
Immer mehr europäische Länder seien wie Deutschland auf Arbeitskräftezuwanderung angewiesen, erläuterte der Bundeskanzler. Die Bundesregierung wolle vorrangig in die Ausbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern investieren, die bereits in Deutschland sind. Dennoch sei es „gut, dass wir in Deutschland in den nächsten Monaten endlich ein modernes Zuwanderungsrecht schaffen“, bekräftigte Scholz.
Scholz verbietet sich „Kassandrarufe“ wegen US-Investitionen in Klimaschutz
In Sachen Wettbewerbsfähigkeit der EU forderte Scholz ein Entgegenkommen der USA bei den Maßnahmen des Inflation Reduction Act. „Unsere laufenden Gespräche über den Inflation Reduction Act sind dafür eine gute Ausgangsbasis – jedenfalls dann, wenn die USA auf Regeln verzichten, die europäische Unternehmen zum Beispiel gegenüber Unternehmen aus Kanada und Mexiko benachteiligen“, sagte der Bundeskanzler. Es sei jedoch „angebracht“, dass die USA den Weg der Klimaneutralität nun auch beschreiten würden. Dass man sich mit den Folgen für Europa beschäftige, sei zwar richtig, doch „Kassandrarufe sind auch hier nicht angezeigt“, betonte Scholz. „Ein ungehemmter Subventionswettlauf mit den USA wäre mit Sicherheit der falsche Weg.“
Um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu gewährleisten, habe die EU-Kommission bereits „vernünftige Vorschläge“ gemacht, so Scholz. „Düstere Prognosen“ über eine tiefe Rezession, die Deindustrialisierung Europas sowie die Abwanderung von Zukunftstechnologien seien bisher nicht eingetreten. „Und sie werden auch nicht eintreten“, bekräftigte der Kanzler. Im Gegenteil seien die Energiepreise zuletzt sogar zurückgegangen und auch die Wirtschaft sei zumindest leicht gewachsen.
Im Anschluss an die Regierungserklärung des Bundeskanzlers standen sein Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) den Abgeordneten in einer Regierungsbefragung Rede und Antwort.