Angebliche Bedrohung durch ukrainische Soldaten

Kremlblogger verbreiten Propaganda-Video – doch Social-Media-User entlarven es als Fake

Ein Standbild aus dem Propagandavideo, in dem ein angeblicher ukrainischer Soldat eine Frau und ihr Baby bedroht.

Ein Standbild aus dem Propagandavideo, in dem ein angeblicher ukrainischer Soldat eine Frau und ihr Baby bedroht.

Berlin. Auf prorussischen Kanälen in den sozialen Netzwerken hat ein Video, das angeblich ukrainische Soldaten dabei zeigen soll, wie sie eine Frau und ihr Baby belästigen und bedrohen, für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch schnell stellte sich heraus: Das Video ist nicht mehr als ein weiterer Fall russischer Propaganda.

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In dem Ausschnitt, der offenbar von einer Dashcam, einer hinter der Frontscheibe eines Autos angebrachten Kamera, aufgenommen wurde, sind Soldaten zu sehen, die zunächst in einem waghalsigen Manöver mit einem Militärfahrzeug das Auto der Frau ausbremsen und anhalten. Der Militärwagen trägt offenbar ukrainische Abzeichen. Laut der kremlnahen Kanäle sei die Szene in der Nähe der Front passiert. Auch die russische Botschaft in London teilt sie auf Twitter.

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Fake-Video: Zwei vermeintliche ukrainische Soldaten belästigen Frau, weil sie Russisch spricht

Zwei Soldaten, die ebenfalls vermeintliche ukrainische Markierungen an ihren Uniformen tragen, steigen aus dem Geländewagen aus. Einer geht direkt auf das Zivilfahrzeug zu und beginnt eine aggressive Unterhaltung mit der Fahrerin. Im Hintergrund ist immer wieder das Wimmern eines Babys zu hören.

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„Abschaum, gib mir deine Dokumente“, sagt der Soldat zur Fahrerin laut einer Übersetzung und behauptet, sie habe gegen Verkehrsregeln „verstoßen“ sowie einen Militärkonvoi behindert. Die Fahrerin fordert den Soldaten auf Russisch dazu auf, in einem angemessenen Ton mit ihr zu sprechen. Daraufhin bezeichnet der Militär sie als „Schwein“, „dumm“ und „schmutzig“. Er sagt, sie solle die offizielle Sprache (Ukrainisch) und nicht die „Sprache der Schweine“ (Russisch) mit ihm sprechen. Ihm sei egal, dass ein Kind mit im Auto sitze.

Im Laufe des Gesprächs wird der Soldat immer bedrohlicher, als er herausfindet, dass es sich scheinbar um eine Muslimin handelt. Die Frau und ihr Kind brechen merklich immer mehr in Angst und Panik aus. Dann beginnt der Mann, der an der Fahrerseite des Zivilfahrzeugs steht, in die Nähe des Autos zu schießen. Währenddessen zieht er sich in Richtung des Militärwagens zurück und feuert nochmals mehrfach seitlich am zivilen Fahrzeug vorbei. Die Mutter versucht, ihr schreiendes Kind zu beruhigen. Die Soldaten hingegen steigen wieder in ihren Geländewagen, wenden und fahren davon.

Kremlnahe Kanäle stürzen sich sogleich auf den Fall

Für den Kreml und seine Unterstützer im Internet scheint die Szene ein gefundenes Fressen zu sein. Das Video findet weite Verbreitung im Internet, selbst die russische Botschaft in London und das russische Außenministerium teilen die Aufnahme auf ihren Twitter-Kanälen. In dem bereits gelöschten Tweet des Außenministeriums wurden die vermeintlichen Ukrainer als „Nazis“ bezeichnet.

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Doch wie so oft ist an den Vorwürfen der Russen gegen ukrainische Soldaten wenig Wahres: Mittels Open Source Intelligence (Osint), also der Nutzung öffentlich zugänglicher Informationen, konnte festgestellt werden, dass das Video weit hinter der Frontlinie auf russisch kontrolliertem Territorium aufgenommen wurde. Die vermeintlichen ukrainischen Soldaten sind offenbar Kremlmilitärs oder prorussische Kämpfer.

Wie wurde die Kremlpropaganda aufgedeckt?

In Detailarbeit gelang es dem Team des Twitter-Kanals „GeoConfirmed“ und anderen Usern, den genauen Schauplatz der Szene festzustellen. Dazu nutzten sie auffällige Wegmarken, wie Bäume, eine Stromleitung und große weiße Steine am Straßenrand, die in dem Videoausschnitt erkennbar sind. Das Ergebnis: Das Video wurde nicht wie von Kremlkanälen behauptet an der Front aufgenommen, sondern nahe der von Russland besetzten Stadt Donezk im Donbass. Die genauen Koordinaten wurden mit 47.977044, 37.953754 angegeben und laut „GeoConfirmed“ von Anwohnenden bestätigt. Der Ort liegt rund 30 Kilometer hinter der Front.

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Doch was an dem Video hat die Zweifel der Osint-Experten geweckt? Zunächst war da die nahezu perfekte Szenerie des Videos für die russische Kriegspropaganda. Ukrainische Soldaten, die eine Frau belästigen und beleidigen, weil sie Russisch spricht. Beim vermeintlichen Opfer soll es sich um eine Muslimin handeln und das Video wurde laut des Zeitstempels am 24. März 2023 aufgenommen – dem Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Zuletzt hatte die Kremlpropaganda immer häufiger versucht, die Ukraine als islamfeindliches Land darzustellen.

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Hinzu kommt das Auftreten der Soldaten. Wie von den prorussischen Kanälen dargestellt, soll die Szene im Frontgebiet aufgenommen worden sein. Doch die Soldaten verlassen nicht allzu vorsichtig ihr Fahrzeug. Sie führen zwar Waffen mit sich, tragen diese aber als fühlten sie sich sicher. Die gelben Markierungen an Helm und Uniform seien ungewöhnlich unter ukrainischen Soldaten, die aktuell grüne Abzeichen nutzten, merkt ein Nutzer an. Zudem gibt es Zweifel am Fahrzeug der Frau: dieses sei viel zu sauber für ein Auto, das im Frontgebiet unterwegs ist. Und mit einer Dashcam komme man kaum durch Militärcheckpoints, da diese im vergangenen Jahr verboten wurden, um Bewegungen ukrainischer Truppen nicht zu verraten.

Mittlerweile rudern selbst die kremlnahen Kanäle zurück. Ein russischer Militärblogger versah seinen ursprünglichen Telegram-Post zu dem dem Vorfall mit dem Hinweis: „Das Video hat sich als Fake herausgestellt.“ Ein weiterer prorussischer Blogger schrieb: „Unsere Jungs trainieren nicht gut. Bei der Durchführung solcher Informationsoperationen müssen sie noch lernen und lernen.“ Die russische Botschaft in Großbritannien hingegen hat ihren Tweet mit dem Video weder gelöscht noch mit einem Hinweis versehen. Das übernahm dann Twitter selbst: Unter dem Beitrag ist nun ein Hinweis auf die Osint-Recherche von „GeoConfirmed“ zu finden.

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