Kritik wird immer lauter

„Sie hassen Putin“: Mutter eines russischen Soldaten über den Kampf in der Ukraine

Ukraine, Mariupol: Russische Soldaten gehen durch einen zerstörten Bereich des Iljitsch Eisen- und Stahlwerks in Mariupol.

Ukraine, Mariupol: Russische Soldaten gehen durch einen zerstörten Bereich des Iljitsch Eisen- und Stahlwerks in Mariupol.

Am 20. Februar klingelte bei einer russischen Mutter das Telefon. Am anderen Ende der Leitung: ihr Sohn. Seine Einheit sei „auf Übung“ nahe der ukrainischen Grenze. „Er sagte, sie machten Schießübungen und lebten in Zelten“, schildert Valya, deren Name aus Angst vor behördlichen Konsequenzen verändert wurde, dem britischen Sender „BBC“.

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„Das war das letzte Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe.“ Nur vier Tage später marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Tausende Zivilisten werden getötet. Und auch in Russland verlieren Familien ihre Söhne im Krieg.

Selenskyj fordert Ächtung von Russland als „Terrorstaat“

In seiner abendlichen Videoansprache forderte der ukrainische Präsident zudem ein Kriegsverbrechertribunal.

Alles begann mit einem Anruf eines vermeintlichen Freundes

Valya will ihre Geschichte erzählen. Über ihr Kind sprechen. Der Welt mitteilen, was sie von der sogenannten „militärischen Sonderaktion“ des Kremls hält. „Anfang März hat mich ein Sergeant aus der Basis meines Sohnes angerufen. Er hat wahrscheinlich alle Eltern angerufen“, sagt sie dem Sender. „Er sagte mir, den Jungs geht es gut, sie hätten jeden Tag Kontakt mit ihnen. Wir blieben den ganzen März über in Kontakt und er sagte immer wieder, dass es ihnen gut gehe.“

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Doch dann habe ihr ein Mann eine Nachricht geschickt und behauptet, ein Freund ihres Sohnes zu sein. „Ich kannte ihn nicht“, betont Valya in dem „BBC“-Gespräch. „Er sagte mir, das Bein meines Sohnes sei abgerissen worden und er sei tot.“ Daraufhin habe sie den Kontakt zu Beamten gesucht, aber niemand habe ihr etwas sagen können.

Die Mutter versuchte, mehr über das Verschwinden ihres Sohnes herauszufinden

Nach etlichen Anrufen habe ihr ein Sergeant mitgeteilt, dass ihr Sohn zuletzt am 23. Februar Kontakt zur Basis hatte – drei Tage nachdem sie das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte. Daraufhin stellte die russische Mutter weitere Nachforschungen an. „Ich schrieb an die Einheit meines Sohnes. Ich habe an das Wehrkreisamt geschrieben. Ich habe an das Verteidigungsministerium geschrieben. Und dann habe ich noch einmal an alle geschrieben“, zählt Valya auf.

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Sie hassen die Regierung. Sie hassen Putin. Sie alle wollen, dass dieser Krieg endet.

Valya über andere russische Soldatenmütter

Niemand habe ihr die grundlegenden Informationen gegeben: Wo, wann und wie ihr Sohn verschwunden ist. „Mir wurde nur gesagt, dass er an der ‚besonderen militärischen Operation‘ teilgenommen hat und dass er vermisst wird“, erinnert sich Valya.

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Unter den Opfern sollen auch Kinder sein, teilten die ukrainischen Behörden mit.

Wie viele russische Soldaten wurden in der Ukraine getötet?

In Russland ist es eine Straftat, den offiziellen Zahlen der militärischen Todesopfer zu widersprechen. Und selbst diese sind nur schwer zu bekommen: Denn das russische Verteidigungsministerium hat die Zahl seit dem 25. März nicht aktualisiert. Damals lag sie bei 1351 getöteten russischen Soldaten. Im folgenden Monat räumte der Kreml „erhebliche“ Truppenverluste in der Ukraine ein. „Um die Invasion zu rechtfertigen, versuchen die russischen Behörden und staatlichen Medien, die Ukrainer in den Augen der russischen Öffentlichkeit zu entmenschlichen“, heißt es seitens des britischen Senders. „Sie denunzieren ukrainische Soldaten und Beamte als ‚Ultranationalisten‘ und ‚Nazis‘. Sie behaupten, die Ukraine sei der Aggressor und Russland der Befreier.“

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Offenbar fühlen sich immer mehr russische Soldatenmütter den Behörden ausgeliefert

Und dennoch: Valya sieht die Ukraine nicht als Feind. „Wenn unser Land so angegriffen worden wäre, würden wir uns genauso wehren wie sie. Wir würden uns wehren und wären auch wütend“, erklärt die Mutter eines russischen Soldaten, die sich mit Frauen mit einem ähnlichen Schicksal im ganzen Land vernetzt hat. Valya erklärte, es gebe unter Müttern „wachsende Ressentiments“ gegenüber den Behörden, wer in die Ukraine zum Kämpfen geschickt wird. „Sie hassen die Regierung. Sie hassen Putin“, sagt Valya. „Sie alle wollen, dass dieser Krieg endet. Alle Mütter wollen das.“

Laut ihren Schilderungen werden vor allem Soldaten aus der „untersten Klasse“ und abgelegenen Regionen Russlands in den Krieg geschickt. „Keine Moskowiter“, betont sie. „Es gibt dort keine Söhne von Regierungsbeamten.“

Ihr Sohn wurde in der Ukraine getötet

Nach dem Gespräch mit dem britischen Nachrichtensender hat Valya eine offizielle Benachrichtigung erhalten, dass ihr Sohn in der Ukraine getötet wurde. Ein weiterer russischer Soldat, der nicht nach Hause zurückkehren wird. „Wenn die Mütter aller Soldaten dort jetzt und die Mütter, die Söhne verloren haben, wenn sie alle aufstehen würden, können Sie sich vorstellen, wie groß diese Armee wäre?“, fragt Valya. „Und das werden sie. Ihre Nerven werden brechen.“ Die Mutter beendet das Interview mit einem eindringlichen Appell: „Hör auf. Hör auf damit. Hör auf und beschütze unsere Kinder.“

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RND/ap

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