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Kämpfe trotz angeblicher Waffenruhe

Von wegen Feuerpause: Putins perfide Absichten

Nach Angriffen steigen über den Außenbezirken der Stadt Bachmut Rauchschwaden in die Luft. (Archivbild, 25.12.2022)

Nach Angriffen steigen über den Außenbezirken der Stadt Bachmut Rauchschwaden in die Luft. (Archivbild, 25.12.2022)

Nur wenige Minuten nach Beginn der von Putin ausgerufenen einseitigen Feuerpause in der Ukraine gingen die Kämpfe am Freitagmittag weiter. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten von Artilleriefeuer in der ukrainischen Stadt Bachmut, um die schon seit Monaten gekämpft wird. Beide Seiten seien weiter in Kämpfe verwickelt, hieß es. Nach ukrainischen Angaben soll Russland auch Kurachowe und Kramatorsk in der Region Donezk angegriffen haben. „Kramatorsk steht unter Beschuss“, so Bürgermeister Oleksandr Honcharenko. Ein Krankenhaus wurde offenbar getroffen. Im südlichen Cherson gab es russische Angriffe auf eine Feuerwache und ukrainische Angriffe auf einen Truppenstützpunkt. Bis zu 100 russische Soldaten sind nach Angaben des ukrainischen Generalstabs verletzt worden.

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Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai, erklärte, dass sich im Osten der Ukraine seit der Ausrufung des Waffenstillstands nichts geändert habe. Russland beschieße auch weiterhin ukrainische Stellungen. Unabhängig bestätigen lassen sich die Angaben nicht.

In der gesamten Ukraine gab es am Vormittag Luftalarm, nachdem russische Kampfpflugzeuge aufstiegen. Russland warf der Ukraine vor, die besetzte Stadt Donezk zu beschießen und erklärte, man erwidere lediglich das Feuer. Kiew bestätigte die Kämpfe der ukrainischen Soldaten. „Auf diese Weise gratulieren sie den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten!“, so das Verteidigungsministerium.

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Patriarch Kirill, Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, hatte am Donnerstag um eine Feuerpause während des orthodoxen Weihnachtsfestes am 6. und 7. Januar gebeten. Kurz darauf verkündete Putin die 36-stündige Waffenruhe. Sie sollte bis Mitternacht am Samstag andauern. Der Chef des nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Olexij Danilow, hatte die Feuerpause als „Lüge und Heuchelei“ zurückgewiesen.

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Niemand kann Feuerpause überwachen

Beobachter sind vom Bruch der Waffenruhe nicht überrascht. „Putin hat eine Feuerpause immer kategorisch abgelehnt“, macht Thomas Jäger deutlich, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Außerdem gab Jäger zu bedenken, dass die Ankündigung zu kurzfristig komme, um sie an diejenigen weiterzugeben, die gerade in heftige Kämpfe verstrickt sind. „Viele russische Soldaten, die zum Beispiel in Bachmut seit Monaten kämpfen, werden einer solchen Meldung kaum vertrauen“, so der Experte im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es gebe auch niemanden, der diese angebliche Feuerpause überwachen soll. „Putins Ankündigung ist nichts als PR“, so Jäger, der Westen dürfe darauf nicht hereinfallen.

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Mitte Dezember hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow noch erklärt, dass Russland keine Pläne für einen Waffenstillstand während des russisch-orthodoxen Weihnachtsfests habe. Kirills Waffenstillstandsforderung und Putins Ankündigung kurz darauf sehen „sehr arrangiert“ aus, so die Einschätzung von Regina Elsner vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin. „Russland will sich als Land darstellen, das für orthodoxe Werte einsteht und glaubhaft machen, dass die Ukraine den wahren orthodoxen Glauben unterdrückt.“ Dass Putin mit dem Weihnachtsfest ausgerechnet religiöse Gründe für eine Feuerpause vorschiebt, passe sehr gut in die seit Kriegsbeginn immer wieder geäußerte russische Propaganda, wonach orthodoxe Christen in der Ukraine unterdrückt würden. „Putin will sich als Beschützer der orthodoxen Kirchen inszenieren.“ Russland sei klar gewesen, dass die Ukraine die Waffenruhe ausschlagen würde.

Bereits zum Osterfest gab es Forderungen nach einem kurzzeitigen Waffenstillstand. Putin hatte eine solche Feuerpause aber abgelehnt – auch dies sieht Elsner als Hinweis, dass die Ankündigung des Kremls „unglaubwürdig“ ist.

Russland will Ruf der Ukraine beschädigen

Der renommierte US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) geht davon aus, dass mit dem russischen Angebot einer Feuerpause der Ruf der Ukraine geschädigt werden soll. „Putin kann nicht erwarten, dass die Ukraine diesen plötzlich erklärten Waffenstillstand einhält und hat offenbar die Feuerpause gefordert, um die Ukraine als nicht entgegenkommend und nicht verhandlungsbereit darzustellen“, so die Militärexperten in Washington über den hinterlistigen Plan Putins. Eine Feuerpause käme vor allem den russischen Truppen zugute und es bestehe die Gefahr, dass der Ukraine die Initiative genommen werde.

Kritik an der ausgerufenen Feuerpause gab es auch in russischen Militärkreisen. Separatistenanführer Igor Girkin beschwerte sich auf Telegram: „Putin hat einen solch kühnen und entscheidenden Schritt in Richtung Niederlage und Kapitulation im gegenwärtigen Krieg unternommen“. Er glaubt, die Ukraine werde die Situation nutzen, um ihre Position zu stärken und sieht Putin am Ende. „Den Haag applaudiert und beginnt, eine Kammer vorzubereiten“, schreibt er mit Anspielung auf den Internationalen Strafgerichtshof.

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Schützenpanzer für die Ukraine – Selenskyj dankt Deutschland und USA
Ukraine-Konflikt, Wolodymyr Selenskyj telefoniert in Kiew mit Emmanuel Macron  President of Ukraine Volodymyr Zelensky speaks over phone with President of France Emmanuel Macron, at his office in Kyiv President of Ukraine Volodymyr Zelensky speaks over phone with President of France Emmanuel Macron, at his office in Kyiv on January 4, 2023. Photo by PRESIDENT OF UKRAINE OFFICE apaimages Ukraine Ukraine Ukraine 040123_Kyiv_UPO_00 1 Copyright: xapaimagesxPRESIDENTxOFxUKRAINExxapaimagesx

Die Freude in Kiew ist groß. Nach langem Zögern haben Olaf Scholz und Joe Biden der Ukraine Schützenpanzer zugesagt.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Iryna Vereshchuk, warnte die Bevölkerung vor russischen Terrorangriffen auf Weihnachtsgottesdienste in Kirchen, die sich in besetzten Gebieten befinden. Die Menschen wurden aufgefordert, am 6. und 7. Januar vorsichtig zu sein und größere Menschenmengen zu meiden.

Laut der Vizeverteidigungsministerin der Ukraine, Hanna Malyar, hat Russland seit Beginn des Krieges 2014 insgesamt elfmal vereinbarte Feuerpausen gebrochen. „Deshalb wird nur der Rückzug der russischen Truppen aus dem Territorium der Ukraine einen echten Waffenstillstand und das Ende der Aggression bedeuten“, so Malyar auf Telegram.

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