Oder-Umweltkatastrophe: Leise Hoffnung und laute Schuldzuweisungen
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Tote Fische werden aus der Oder geschaufelt und beseitigt.
© Quelle: Getty Images
Gryfino/Lebus. Nach dem großen Fischsterben in der Oder keimt leise Hoffnung, dass sich der Fluss wieder erholen könnte. Gleichzeitig wächst die Kritik an der ungenügenden Informationspolitik der polnischen Behörden und an mangelnder grenzüberschreitender Zusammenarbeit.
„Der Fluss verändert sich wieder. Seit Sonntag sind keine neuen toten Fische mehr angeschwemmt worden“, sagt die polnische Parlamentsabgeordnete Kataryzna Kotula im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Kotula lebt in Gryfino an der unteren Oder, ihr Mann ist Fischer und kennt den Fluss wie seine Westentasche. „Er findet wieder mehr lebende Fische im Fluss, und der Geruch der Oder hat sich wieder verändert“, berichtet die Abgeordnete der oppositionellen Linksfraktion.
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Wissenschaftler fahnden nach 300 Stoffen
Doch die Katastrophe sei noch lange nicht vorbei, sagt Kotula. Und es bleiben viele offene Fragen. Was das massenhafte Fischsterben ausgelöst hat, war auch am Montag nicht klar. „Wir wissen bis jetzt nicht, was genau diese Vergiftungserscheinungen bei den Fischen verursacht hat“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag in Lebus an der Oder, wo er sich ein Bild von der Lage machte.
Die polnische Seite sei dabei, in ihrem Zentrallabor nach 300 Stoffen zu fahnden, berichtete Brandenburgs Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne), vor Ort. Ausgeschlossen werden könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass die Fische an Quecksilber gestorben seien, betonte der Minister. „Von polnischer Seite wurde uns gestern mitgeteilt, dass alle Fischproben, die bisher durchgeführt wurden, keine Schwermetallbelastung und keine Quecksilberbelastung ergeben haben.“
Nach Berichten der polnischen Gazeta Wyborcza würden polnische Behörden drei mögliche Szenarien in Betracht ziehen. Am wahrscheinlichsten sei ein Umweltverbrechen und die Einleitung einer großen Menge noch unbekannter chemischer Substanzen ins Flusswasser. Ebenso möglich sei aber auch eine großflächige Aufwirbelung von Sedimenten und Schlick vom Grund des Flusses, die bei niedrigem Wasserstand darin angesammelte Schadstoffe freisetzen könnten oder schlicht eine erhöhte Schadstoffkonzentration durch extrem niedrige Wasserstände.
Breslau entdeckte schon vor zwei Wochen tote Fische
Die deutsche und die polnische Seite arbeiteten nun intensiver zusammen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen sei, sagte Vogel. Von diesem Dienstag an wollen Experten beider Länder tagen.
Immer lauter wird die Kritik an der Informationspolitik der polnischen Behörden. Nicht nur die deutschen Stellen wurden im Unklaren gelassen, auch die polnischen Gemeinden am Unterlauf der Oder bekamen keinerlei Informationen über die herannahende Gefahr. Bereits am 28. Juli wurden bei Wroclaw (Breslau) die ersten toten Fische entdeckt, zwei Wochen lang wurden die deutschen und polnischen Behörden am Unterlauf des Flusses im Unklaren gelassen. „Das war unverantwortlich, hier müssen jede Menge Rücktritte folgen“, kritisiert Kotula.
Fischsterben in der Oder: Gesamtes Ökosystem geschädigt
Noch immer steht nicht fest, was genau das massive Sterben der Tiere im deutsch-polnischen Grenzfluss verursacht hat.
© Quelle: Reuters
„Wir müssen stärker zusammenarbeiten“
Das Einsammeln der Fischkadaver ruht beiderseits der Oder zum größten Teil in den Händen lokaler Freiwilliger. Im Raum Gryfino südlich von Szczecin (Stettin) seien zudem 50 Soldaten und 70 Feuerwehrleute im Einsatz, berichtet Kotula. Sie mahnte eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch beim Einsatz von Freiwilligen an. „Diese Katastrophe zeigt uns: Wir müssen international stärker zusammenarbeiten, beide Ufer der Oder gemeinsam.“
Der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbunds Nabu, Leif Miller, sagte: „Die Folgen dieses furchtbaren Ereignisses werden uns noch jahrelang beschäftigen. Es muss jetzt alles darangesetzt werden, die Verursacher dieser Umweltkatastrophe zu finden und – soweit möglich – weitere Schäden zu begrenzen und in Zukunft zu verhindern.
mit Material von dpa
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