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Kein 550-Milliarden-Dollar-Paket

Der Coup des Kohlesenators: Wie Joe Manchin die Klimapolitik von Biden zum Kollaps bringt

Joe Manchin, US-Senator für West Virginia, spricht bei einer Pressekonferenz vor seinem Büro auf dem Capitol Hill. Manchin ist die wichtigste Gegenstimme zu US-Präsident Bidens 3,5 Billionen Dollar schwerem Haushaltsprogramm. (Archivbild)

Joe Manchin, US-Senator für West Virginia, spricht bei einer Pressekonferenz vor seinem Büro auf dem Capitol Hill. Manchin ist die wichtigste Gegenstimme zu US-Präsident Bidens 3,5 Billionen Dollar schwerem Haushaltsprogramm. (Archivbild)

Washington. Politische Freunde waren Bernie Sanders und sein Kollege Joe Manchin noch nie, obwohl sie beide der gleichen Generation angehören und dem Lager der Demokraten im amerikanischen Senat zugerechnet werden. Doch am Sonntag riss dem linken Senator aus Vermont endgültig der Geduldsfaden.

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„Joe Manchin sabotiert bewusst die Agenda des Präsidenten und den Mehrheitswillen des amerikanischen Volkes“, schimpfte Sanders in einer TV-Talkshow: „Unser Fehler war, dass wir mit ihm verhandelt haben, als wenn er es ernst meint.“

Der Analyse kann man kaum widersprechen. Seit mehr als einem Jahr haben die Demokraten in einem quälenden Prozess um die Unterstützung ihres rechten Quertreibers aus West Virginia gerungen. Sie haben ihre hochtrabenden Klima- und Sozialreformpläne verschoben, umgeschrieben und weichgespült, um seine entscheidende Stimme im Senat zu sichern.

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Geholfen hat es nichts: Weil sich Manchin weiter querstellt, muss Präsident Joe Biden nun seine komplette Klimagesetzgebung endgültig beerdigen. Nur ein paar kümmerliche sozialpolitische Restposten seines einstigen Zwei-Billionen-Paketes sollen in den kommenden Tagen im Kongress noch zur Abstimmung gestellt werden.

Maximal 35 Prozent Reduktion der Treibhausgase

Der krachende Kollaps von Bidens „Build Back Better“-Plan ist nicht nur ein erneuter schwerer Rückschlag für den angeschlagenen Präsidenten. Er dürfte auch die Klimaziele der USA endgültig beerdigen. Bei seinem Amtsantritt hatte Biden versprochen, die umweltschädlichen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 gegenüber dem Wert von 2005 zu halbieren.

Bis 2019 waren gerade einmal 12 Prozent Verminderung geschafft worden. 2020 stieg der Wert durch den Einmaleffekt der pandemiebedingten Lockdowns zwar auf 21 Prozent. Doch nach Schätzungen des unabhängigen Energieforschungsinstituts Rhodium Group werden die USA ohne scharfe neue Gesetze bis zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr als 24 bis 35 Prozent Reduzierung schaffen.

„Wir werden unsere Ziele nicht erreichen. Punkt.“, konstatierte Leah Stokes, eine Professorin für Umweltpolitik an der Universität Santa Barbara, in der „New York Times“ ebenso nüchtern wie brutal. Offenbar habe sich Manchin entschlossen, im Alleingang „die Menschheit dem Untergang zu weihen“, wetterte Ex-Obama-Berater John Podesta. Der klimapolitisch engagierte demokratische Senator Edward Markley gestand: „Nur die Wut hält meine Tränen zurück.“

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Amerikaner sind unzufrieden mit Regierung

Tatsächlich sind die desaströsen Folgen der Erderwärmung in den USA mit einer Häufung von extremen Dürreperioden, zerstörerischen Unwettern und Überschwemmungen massiv zu spüren. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew sind 58 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner der Meinung, dass ihre Regierung zu wenig gegen die Klimakrise tut. Erschreckende 71 Prozent haben in ihrem eigenen regionalen Umfeld Extremwetter erfahren.

Zeitraffer zeigt, wie die Böden ihr Wasser verlieren

Nach drei trockenen Jahren brachte 2021 wieder etwas mehr Feuchtigkeit für die deutschen Böden. Allerdings nur für kurze Zeit: Ein Zeit­raffer zeigt, wie die Dürre in den vergangenen Wochen nach Deutschland zurück­gekehrt ist.

Doch die Demokratinnen und Demokraten sind angesichts ihrer hauchdünnen Mehrheit im mit 50 zu 50 Sitzen gespaltenen Senat machtlos gegen die Blockade von Manchin, der de facto eine Vetostimme besitzt. Ursprünglich hatte Präsident Biden in seinem Mammutreformpaket 550 Milliarden Dollar für den Klimaschutz vorgesehen.

Zunächst verhinderte Manchin alle Auflagen, die den Umstieg der Kohle-Kraftwerksbetreiber auf saubere Energien erzwingen sollten. Dann widersetzte er sich den Subventionen für Elektroautos. Nun lässt er auch die Anreize für Betreiberinnen und Betreiber sowie Kundinnen und Kunden von Windkraft und Sonnenenergie platzen.

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Als Grund nennt Manchin vermeintliche Sorgen wegen der Inflation. Tatsächlich erhält der eitle 74-jährige Jachtbesitzer und Maserati-Fahrer einen großen Teil seiner Wahlkampfspenden von der Ölindustrie und hat sein Geld mit einem Kohleunternehmen gemacht. Im Kohleland West Virginia ist das kein Makel: Manchin hat sein Mandat in dem bitterarmen konservativen Bundesstaat, der 2020 für Donald Trump stimmte, als Demokrat mit satter Mehrheit gewonnen.

Joe Biden aber ist mit dem Senat nun sein zweites Standbein in der Klimapolitik weggebrochen. Vor zwei Wochen schon hatte der rechte Supreme Court die Befugnisse der Umweltbehörde EPA zur Regulierung von Kraftwerken drastisch beschnitten. Biden kann nun nur noch versuchen, seine Ziele mit präsidialen Verordnungen voranzutreiben. Die können aber vor Gericht gekippt werden und drohen überdies die ohnehin explodierenden Energiepreise weiter zu erhöhen, da der Kongress die Fördermittel blockiert.

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