Wenn es doch um Fußball ginge
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DFB-Präsident Bernd Neuendorf mit Innenministerin Nancy Faeser beim ersten deutschen WM-Spiel gegen Japan.
© Quelle: Getty Images
Liebe Leserin, lieber Leser,
in Katar war der Kanzler zuletzt Ende September. Es war eine typische Scholz-Reise mit Speeddating in drei Ländern in nur zwei Tagen: Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und eben Katar. Scholz reiste insbesondere in der Mission, für Deutschland Ersatz zu beschaffen für die ausbleibenden Energielieferungen aus Russland – mit mittlerem Erfolg. Mit Katar jedenfalls gelang vorerst nur ein kleiner Gasdeal.
Warum? Nun zum einen möchte sich Deutschland bei Gaslieferungen gar nicht langfristig binden, weil ja das Ziel ist, aus den fossilen Energien auszusteigen. Zum anderen hatten die Kataris gute Gründe, den Besuch aus Germany ein wenig zappeln zu lassen. Abnehmer ihrer reichhaltigen Gasvorräte haben sie genug. Gerade erst hat China einen Deal über 27 Jahre mit dem Golfstaat abgeschlossen – ein aus Sicht des Emirats angenehmer Geschäftspartner: pragmatisch und fragt weder nach Menschenrechten noch nach einer Klimabilanz. Dagegen sind die Deutschen mit ihren Vorstellungen, dass man Wanderarbeiter menschenwürdig behandeln muss, und ihrem offensiven Einsatz für die Rechte und die Gleichberechtigung Homosexueller aus Sicht Katars eher lästig.
Die Fußball-WM spielte bei dem Kurztrip im September nur am Rande ein Rolle. Beim Pressestatement des Emirs mit dem Kanzler wurde aber deutlich, dass das Thema für Scholz unangenehm ist. Ob er überhaupt plant, zur WM nach Katar zu reisen, ließ er damals wie heute offen. Scholz hält den Ball also erst einmal flach. Und schon damals war klar, dass nicht nur die Frage, ob eigentlich Weihnachtsmarkt und Public Viewing zusammenpassen, der Fußball-WM die Begeisterung nehmen könnte. Die Debatten um Menschenrechte, ausgebeutete Wanderarbeiter und nun aktuell um das Tragen der Solidaritätsbinde gegen Diskriminierung wegen sexueller Orientierung und gegen Rassismus verderben zumindest in Deutschland vielen Fußballfans die Stimmung.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (links, SPD) und der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani beim Drei-Länder-Trip des Kanzlers Ende September.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Der Kanzler selbst will die Spiele der deutschen Mannschaft zunächst einmal im Fernsehen verfolgen, „wenn es sein Terminkalender erlaubt“, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit vergangene Woche sagte. Am Mittwoch könnte dies der Fall gewesen sein – jedenfalls war die Generaldebatte im Bundestag zum Anstoß beendet.
Nun verstehe ich nicht viel von Fußball und will mich daher nicht aus dem Fenster lehnen. Aber nach meiner vorsichtigen Einschätzung könnte es sein, dass Scholz gar nicht in die Verlegenheit kommt, über eine Reise zum Endspiel nach Katar entscheiden zu müssen – aus dem einfachen Grund, weil es die deutsche Mannschaft nicht ins Endspiel schafft.
Für den Fall, dass dies doch gelingen sollte, wäre die Entscheidung für Scholz schwierig. Seit dem Titelgewinn der deutschen Mannschaft bei der WM 1974 in Deutschland waren die Kanzler immer persönlich dabei, wenn die deutsche Mannschaft im Endspiel stand. 1974 in München beim Sieg gegen die Niederlande und 1982 in Madrid saß Helmut Schmidt auf der Tribüne. Beim Endspiel 1986 war Helmut Kohl in Mexiko-City dabei und abermals 1990 in Rom, als Deutschland Weltmeister wurde. 2002 flog Gerhard Schröder nach Japan für das Spiel Deutschland gegen Brasilien. Und Angela Merkel feierte 2014 sogar in Rio de Janeiro den WM-Titel mit den Spielern in der Kabine. Dass die deutsche Mannschaft in WM-Endspielen ohne Kanzler im Publikum auflief, war nur 1954 der Fall – Konrad Adenauer verpasste das Wunder von Bern. Und 1966 fehlte Ludwig Erhard, als Deutschland im Wembley-Stadion gegen England verlor.
Faeser kritisiert Katar und Fifa: „Passt nicht mehr in unsere Zeit“
Beim Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft in Doha trug Innenministerin Nancy Faeser die von der Fifa verbotene „One Love“-Armbinde.
An diesem Mittwoch saß erst einmal Innenministerin Nancy Faeser auf der Tribüne und musste sich die 1:2-Niederlage gegen Japan im ersten Spiel der deutschen Mannschaft ansehen. Die SPD-Politikerin trug ein ärmelloses weißes Shirt und hatte jene Binde über den Oberarm gestreift, die Manuel Neuer nach Vorgabe der Fifa und nach Einknicken des DFB nicht anlegen durfte.
Immerhin setzte sie dieses Zeichen. Wahrscheinlich wäre sie besser erst gar nicht gereist.
Bittere Wahrheit
Diplomatie ist kein Relikt vergangener Tage.
Rolf Mützenich,
SPD-Fraktionschef
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Rolf Mützenich, SPD-Fraktionschef, bei der Generaldebatte im Bundestag
© Quelle: IMAGO/Christian Spicker
Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Bundestag, Rolf Mützenich, nutzte die Generaldebatte am Mittwoch, um abermals auf eines seiner wichtigsten Anliegen zu verweisen: den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht nur mit Waffenlieferungen und Sanktionen zu begleiten. Mützenich ist ein steter Mahner, die Chancen auf Verhandlungen nicht vorüberziehen zu lassen. An diesem Mittwoch stärkte er dem Kanzler den Rücken, der nicht nur mit den Verbündeten der Ukraine im Kontakt steht, sondern auch jene mitzunehmen versuche, die den Angriffskrieg nicht sofort verurteilt hätten. Dazu zählen Länder in Afrika, Südamerika und China.
Wie Demoskopen auf die Lage schauen
Die bunte Zusammensetzung des Bundesrats ist der Beleg – der Trend der Parteipräferenzen ist in Deutschland von Region zu Region sehr unterschiedlich. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa schaut im aktuellen Wochenbericht einmal genauer auf die politische Landschaft der Bundesländer. Bei den Grünen zeigt sich der Analyse zufolge „auch weiterhin eine tiefe Kluft zwischen den alten und neuen Bundesländern“. Demnach könnten die Grünen im Westen des Landes bei einer Bundestagwahl mit 22, im Osten jedoch nur mit 10 Prozent rechnen. In den Stadtstaaten sind die Grünen besonders stark – in Berlin, wo im Februar neu gewählt werden muss – laut Bundestrend sogar stärkste Partei.
Weiter heißt es im Forsa-Bericht: „Die SPD würde derzeit bei einer Bundestagwahl in allen 16 Bundesländern weniger als 30 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten.“ Ihre höchsten Anteile bekäme sie in Hamburg mit 27, im Saarland mit 26 und in Brandenburg mit 25 Prozent. In Bayern wären es nur 16 Prozent. Die CDU würde Forsa zufolge ihren höchsten Anteil mit 31 Prozent in Nordrhein-Westfalen, ihre niedrigsten Anteile in den beiden Stadtstaaten Hamburg und Berlin mit 16 beziehungsweise 18 Prozent erhalten.
FDP, Linke und AfD erreichen in den alten Bundesländern maximal rund 10 Prozent. Teilweise liegen sie deutlich unter diesem Wert. In den neuen Bundesländern hingegen sei die Linke, vor allem aber die AfD, um ein Vielfaches stärker in der Wählerschaft verankert als in der alten Bundesrepublik, heißt es im Forsa-Bericht. So könnte die AfD derzeit in Thüringen bei einer Bundestagswahl mit mehr als 30 Prozent rechnen.
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© Quelle: Forsa
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