Jörg Pilawa: „Ich habe in meinem Leben genug Partys gefeiert“
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Moderator Jörg Pilawa moderiert auch in diesem Jahr wieder die Silvestershow im Ersten.
© Quelle: Thomas Leidig/ARD/obs
Herr Pilawa, Ihre Silvestershow in diesem Jahr ist vorab aufgezeichnet worden. Im letzten Jahr war das bereits ähnlich, Sie konnten also tatsächlich mal Silvester mit Freunden und der Familie verbringen – wie war‘s rückblickend?
Pilawa: Es war ein ganz ruhiger Abend. Wir hatten da auch nichts groß geplant, denn wenn wir durch die Pandemie etwas gelernt haben, dann, dass man gar nicht mehr weiß, wie die Welt in zwei Wochen aussieht. Während man früher drei Monate vorher zu Partys geladen hat, ist das heute viel spontaner. Für mich war der Partyverzicht aber auch kein Problem, ich hab in meinem Leben genug Partys gefeiert. Mir tut da mehr die junge Generation leid, denen haben wir in der Pandemie eh schon viel abverlangt. Ich hoffe, dass das die Politik mal realisiert und sich dafür nicht nur bedankt, sondern den jungen Leuten vielleicht mal 2022 ein paar Goodies zuwirft.
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Die Silvestershow wurde bereits im November aufgezeichnet, läuft am 31.12. in der ARD.
© Quelle: Philipp von Ditfurth/dpa
Glauben Sie denn an ein „normales“ Jahr 2022?
Pilawa: Das ist ja fast das Schlimmste an der Pandemie: dass uns keiner so richtig sagen kann, wann es zu Ende ist. Wenn man sagen würde, das geht bis zum 30.6.2022, dann kann man sich drauf einstellen. Aber so ist es für alle zermürbend.
Ihre Silvestershow wurde bereits vor einigen Wochen aufgezeichnet. Gibt es eigentlich bei Ihren Shows einen Plan B, falls Sie als Moderator kurzfristig in Quarantäne müssten?
Pilawa: Das ist eine gute Frage (lacht). Wir zeichnen seit zwei Jahren unter Corona-Bedingungen auf. Ich werde vor jeder Probe und jeder Aufzeichnung getestet, ich habe in den letzten zwei Jahren bestimmt mehr als 200 Tests gemacht. Ich habe mich auch schon gefragt: Was passiert jetzt, wenn ich positiv bin? Zum Glück brauchte ich darauf aber bislang keine Antwort. Bei Gästen mussten wir aber schon mal nach Ersatz suchen, und das auch sehr kurzfristig – das ist eine enorme Leistung der Produktion.
Es gibt also keinen Ersatzmoderator für Ihre Shows?
Pilawa: Nein, gibt es nicht. Deswegen spüre ich auch noch eine ganz andere Verantwortung, mich an die Regeln zu halten. Nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team.
Im letzten Jahr berichteten Sie davon, dass sich in der zweiten Jahreshälfte sehr viele Produktionen angestaut hatten, weil es davor nicht möglich war zu drehen. Wie ist es 2021 gewesen?
Pilawa: Da gab es keinen Stau, wir hatten uns vorher gut auf die Corona-Bedingungen eingestellt. Wir produzieren anders, aber wir können alles umsetzen. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar. Wir sehen ja in der Unterhaltungsbranche, dass das nicht überall möglich ist: Künstler sagen Konzerte ab, Tourneen werden verschoben. Da haben wir sehr viel Glück.
Sie als Chef einer Produktionsfirma können dann sicher auch sagen: Ist das Produzieren teurer geworden?
Pilawa: Auf jeden Fall. Die vielen Tests und das Plexiglas, das wir für jede Show brauchen, kosten. Außerdem brauchen wir größere Räumlichkeiten. Da, wo wir vorher drei, vier Gäste oder Kandidaten zusammen warten lassen konnten, können sich nun wegen der Abstände viel weniger Leute zusammen aufhalten.
Was erhoffen Sie sich im Hinblick auf Ihren Job für 2022?
Pilawa: Ich wünsche mir wieder Produktionen unter normalen Bedingungen. Dass wir wieder Nähe zulassen können – das ist in der Unterhaltungsbranche so wichtig. Damit meine ich nicht nur, dass wir uns mal wieder zur Begrüßung in den Arm nehmen oder nach Feierabend ein Bier trinken. Sondern auch, dass wieder richtig Publikum da ist. Wenn man zum Beispiel einen Komiker zu Besuch hat und es lacht niemand, obwohl es lustig ist, dann fehlt es einfach an Stimmung.
Im Fernsehjahr 2021 gab es einige Comebacks, zum Beispiel „Wetten, dass…?“ und „TV Total“. Sehen Sie da einen Trend für die Fernsehbranche?
Pilawa: Der Trend ist auf jeden Fall erklärbar. Das sind Sehnsüchte, die da bedient werden. Man erinnert sich sofort an die Zeit, als die Sendungen noch im Fernsehen zu sehen war. Auch ich hab ja schon mal in so einem Remake vor ein paar Jahren mitgewirkt, bei „Am laufenden Band“. Das ist ja das Tolle am Fernsehen: Man erinnert sich gerne zurück. Egal, ob das Bonanza, Lassie oder Flipper ist – man verbindet damit immer was Positives.
Sie sagten mal, dass Sie Sorge haben, dass Fernsehmacher sich an Shows ohne Publikum gewöhnen. Wurde Ihnen die Sorge genommen?
Pilawa: Ich weiß noch nicht, wie das ausgeht. Aktuell merken wir alle, die an Produktionen beteiligt sind, dass wir das Publikum vermissen. Die, die wirtschaftlich zuständig sind für Sendungen, empfinden das vielleicht anders: Man muss kein Publikum organisieren und man muss es nicht betreuen. Das spart Zeit und Geld. Ich hoffe sehr, dass wir nach der Pandemie wieder in einen normalen Modus zurückkommen – für mich bedeutet Publikum bessere Stimmung und eine bessere Sendung.
Sie sprachen auch mal über die Spaltung der Gesellschaft in Zeiten der Pandemie. Haben Sie das Gefühl, dass es besser oder schlechter in diesem Jahr geworden ist?
Pilawa: Die Spaltung ist noch extremer geworden. Ich finde es schade, dass wir das alte Prinzip der Demokratie nicht mehr so umsetzen: Man kann immer unterschiedlicher Meinung sein, aber man sollte darüber miteinander reden können. Das wird immer schwieriger. Wir denken nur noch in Schwarz und Weiß, es gibt nichts dazwischen. Dieser Gedanke in einer Diskussion, dass das Gegenüber auch recht haben könnte – den gibt es irgendwie gar nicht mehr. Das sehe ich mit großer Sorge – uns fehlt eine gesunde Diskussionskultur.
Mussten Sie sich von Bekannten oder Freunden distanzieren, die plötzlich in Verschwörungstheorien abdriften?
Pilawa: Ich bemühe mich immer noch zu reden. Aber es ist manchmal schwierig mit Argumenten vorzudringen, weil die Diskussionen über Corona so emotional geworden sind. Da geht es selten auf beiden Seiten noch um Fakten. Ich habe im Freundeskreis zum Glück solche Extremfälle nicht, mitbekommen habe ich das aber schon. Ich beobachte auch immer mehr, dass sich mittlerweile jeder zu jedem Thema äußert – gefragt oder ungefragt. Und das oft auf Ebenen, auf denen ich zugeben muss: Das kann ich gar nicht beurteilen, ich bin kein Wissenschaftler oder Virologe. Ich gehe ja auch nicht in die Kfz-Werkstatt und erkläre dem Mechaniker, wie er meine Zündkerzen zu wechseln hat. Wir dürfen nicht aufhören miteinander zu reden, aber wir müssen auch wissen, worüber.
Ist das nicht genau der Punkt, dass wir über etwas reden, was viele von uns nicht begreifen können?
Pilawa: Und was uns vielleicht Angst macht. Aber Angst ist in jeder Lebenslage ein schlechter Berater. Genau wie reflexartiges Reagieren, was ich immer häufiger beobachte. Man hört etwas und sofort äußert man sich dazu in den sozialen Medien. Warum denken wir nicht einfach mal erst drüber nach? Im preußischen Recht gab es früher den Paragrafen, dass man über wichtige Sachen eine Nacht schlafen musste.
Geben Sie sich denn selbst eine Nacht zum Drüberschlafen?
Pilawa: Ich versuche es. Ich bekomme ja auch oft Anfragen von Journalisten, wo ich mich zu komplexen Themen äußern soll. Wenn mich jemand fragt, „Was sagen Sie denn zur Impfpflicht?“, habe ich mir angewöhnt zu sagen: „Darf ich da noch mal drüber nachdenken?“ Dass das nicht immer geht, ist mir natürlich klar. Aber ich versuche, mir die Zeit zu nehmen.
Und zu welcher Meinung sind Sie in Sachen Impfpflicht gekommen?
Pilawa: Vor einem Jahr war ich komplett dagegen. Jetzt gibt es für mich schon Argumente, die dafür sprechen. Auch wenn mir noch niemand erklärt hat, wie das eigentlich genau funktionieren soll – so ohne Impfregister oder digitalen Impfpass wie in Österreich.
Wenn die technischen Voraussetzungen stimmen, wären Sie aber generell dafür?
Pilawa: Wenn irgendwann Argumente und Diskussionen überhaupt nicht mehr helfen, ja. Ich hoffe immer noch, dass man die fehlenden Leute noch überzeugen kann. Ich hab es auch selbst erlebt, dass sich Menschen nicht nur aus Überzeugung gegen eine Impfung entscheiden, sondern auch, weil sie sich einfach nicht gekümmert hatten. Wenn wir noch einen Teil überzeugen können, braucht es die Pflicht am Ende vielleicht noch nicht mal.
Sie sind einer der erfolgreichsten Moderatoren Deutschlands – allerdings überraschenderweise nicht bei Social Media. Woran liegt das, dass sie auf Instagram nur 9000 Follower haben?
Pilawa: Das liegt daran, dass es mich einfach nicht interessiert. Ich mache da nichts, alle Einträge kommen von meinem Team und wir zeigen da weder meinen Kaffee, mein Mittagessen oder meinen Sundowner – sondern nur Sachen aus aktuellen Produktionen. Wenn Sie gefragt hätten, wie viele Follower ich habe – ich hätte es noch nicht mal gewusst.
Ihre Tochter Emmy besucht eine Schauspielschule und will in der Branche Fuß fassen. Ist der Name Pilawa da Fluch oder Segen?
Pilawa: Sie hat sich da bewusst nicht mit dem Familiennamen beworben, sie macht da ihren ganz eigenen Weg. Natürlich würde nach dem Namen mal gefragt, sie heißt eben nicht Meier, Müller, Schulze. Aber sie sagt, dass das für sie bislang keine großen Auswirkungen hatte.
Haben Sie darüber gesprochen, was das bedeutet, nun plötzlich in der Öffentlichkeit zu stehen?
Pilawa: Ich habe immer gesagt: Bis die Kinder 18 sind, kann ich entscheiden, dass sie nicht in der Öffentlichkeit stehen. Mit Emmys Geburtstag haben wir dann darüber gesprochen, was dieser Schritt bedeutet. Nun ist das ihre Entscheidung gewesen. Und ich sage das nicht nur als stolzer Vater, sondern auch als jemand, der sie schon auf der Bühne gesehen hat: Sie hat ein großes Talent. Aber uns beiden ist klar, dass wir jetzt nicht gemeinsam in Talkshows gehen würden, um sie zu pushen. Das möchte ich nicht – und sie zum Glück auch nicht.