Jan Böhmermann arbeitet sich an Tuis Vergangenheit ab – mit altbekannten Vorwürfen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/IC6FMJJ2AHQCLJII7TGOANMUQY.jpg)
Die Tui hat offenbar für die britische Regierung Abschiebeflüge durchgeführt.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
In der 50. Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ widmete sich Jan Böhmermann den Machenschaften von Deutschlands größtem Reiseveranstalter Tui. Neues brachte er dabei nicht ans Licht, trug allerdings aktuelle Debatten zum Thema Greenwashing, die Vergangenheit des Vorgängerkonzerns Preussag AG, Tuis Rolle bei Abschiebungen von Geflüchteten sowie Tuis Nähe zu russischen Oligarchen zusammen.
Alexej Mordaschow ist ein russischer Oligarch, der vor einigen Jahren bei der Tui als Großaktionär eingestiegen ist. Zuletzt hielt er 34 Prozent an der Tui AG und war dort seit Februar 2016 auch Mitglied im Aufsichtsrat. Kurz nachdem Russland am 24. Februar in der Ukraine einmarschiert war, gab er seinen Posten ab. Anteile von 29,9 Prozent verkaufte er offenbar nur Stunden vor der Verhängung der EU-Sanktionen an die Firma Ondero Ltd. mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Die Firma gehört Mordaschows dritter Ehefrau Marina.
Böhmermann wirft Tui Doppelmoral im Ukraine-Krieg vor
Böhmermann kritisierte in diesem Zusammenhang das Engagement der Tui Care Foundation in der Ukraine. Die Stiftung hatte unter dem Motto „Helping Hands for Ukraine“ Geld gesammelt, und die Tui verdoppelt laut Website jede eingegangene Spende. Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) am Freitagabend sagte eine Sprecherin, dass es sich um zwei „völlig voneinander unabhängige Dinge“ handle. Dass Mordaschow respektive seine Ehefrau Anteilseigner bei der Tui seien, habe nichts mit dem Einsatz für die Menschen in der Ukraine zu tun.
Fragwürdige Methoden wurden der Tui in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen. So war sie im Jahr 2020 führende Airline bei Abschiebeflügen aus Großbritannien. Mehr als 30 Flüge soll die Tui im Auftrag des britischen Innenministeriums binnen zehn Monaten durchgeführt haben.
Böhmermann thematisiert Preussags Kriegsverbrechen im Irak 1988
Noch weiter zurück reichen Vorwürfe, dass Tuis Vorgängerkonzern Preussag an Kriegsverbrechen im Irak beteiligt gewesen sein soll. Die Tui wurde 1968 als Touristik-Union International GmbH & Co. KG gegründet und unterhielt verschiedene Touristiksparten wie Hotels, Reisebüros oder Züge. Später wurde die Tui von Hapag-Lloyd, das bereits 45 Prozent der Tui-Anteile besaß, und der Preussag AG übernommen. 2001 wurde sie hundertprozentige Tochterfirma der Preussag AG, die 2002 zur Tui AG umfirmierte. Gleichsam setzte die Tui fortan nur noch auf Touristik und stieß etwa Stahl-, Kohle- und Erdölgeschäftsbereiche ab. Die Tui wurde im Laufe der Zeit zum weltweit größten Touristikunternehmen.
Die Vergangenheit der Preussag AG ist alles andere als ruhmreich. Das Kriegsjahr 1943 zählte zu den besten Geschäftsjahren, und 1988 soll die Preussag AG tonnenweise Chemikalien in den Irak geliefert haben, mit denen Nervengas hergestellt wurde. Auch beim Bau von Kampfstoffanlagen soll die Preussag geholfen haben. In der Folge erlebte die Welt den schlimmsten Giftgaseinsatz seit dem Ersten Weltkrieg, in Halabdscha starben mehr als 5000 kurdische Menschen, nahezu ausschließlich Zivilisten und Zivilistinnen.
Tui schiebt Verantwortung auf einzelne Mitarbeiter der Preussag
Böhmermann ließ in der Sendung Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim zu Wort kommen. Die sagte, dass die Preussag damals auch Teile der Anlagen geliefert habe, unter dem offiziellen Auftrag, Mittel zur Schädlingsbekämpfung dort herstellen zu wollen. Die Preussag hätte allerdings wissen müssen, was in den Anlagen wirklich passierte. Drei Mitarbeiter wurden 1996 vom Landgericht Darmstadt wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Auf Anfrage des „ZDF Magazin Royale“ gab die Tui an, dass die Firma Water Engineering Trading GmbH unter Beteiligung von Mitarbeitern der Preussag AG „vorwerfbare Lieferungen“ in den Irak vorgenommen hatte, ohne Wissen des Arbeitgebers besagter Mitarbeiter. Die Preussag habe die Mitarbeiter entlassen, als der Vorfall bekannt wurde. Die Tui sieht sich derzeit mit einer Klage aus dem Irak konfrontiert. Böhmermann zeigte ein Interview mit Aras Abid, der nach eigenen Angaben 26 Verwandte bei dem Giftgasanschlag verloren hat. „Es ist eine Schande, dass Deutschland und die deutsche Bevölkerung zu der Mitschuld der Firmen schweigen“, sagte er.
Nur Altbekanntes: keine neuen Enthüllungen durch Böhmermann
Die Verstrickungen der Preussag AG waren allerdings bekannt, so trug Böhmermann auch Inhalte aus Zeitungen wie „Standard“, „Spiegel“ und „Tagesspiegel“ zusammen. So wirkte es auch eher abgemüht, dass Böhmermann noch die Klimakrise aufgriff. So rühmt sich die Tui damit, dass der CO₂-Ausstoß pro Passagierin und Passagier sinkt, insgesamt seien aber mehr Schiffe unterwegs und der CO₂-Ausstoß sei in Tuis Kreuzfahrtsektor um rund 10 Prozent gestiegen.
Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter.