Cum-ex-Prozess: Privatbankier Olearius pocht auf Unschuld
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Bankier Christian Olearius zwischen seinen Anwälten Peter Gauweiler (links) und Rudolf Hübner im Bonner Landgericht.
© Quelle: IMAGO/Panama Pictures
Im Cum-ex-Skandal steht seit Montag der wohl prominenteste Beschuldigte vor Gericht. Um 10 Uhr nahm der Hamburger Privatbankier Christian Olearius auf der Anklagebank des Bonner Landgerichts Platz. Ein weiterer Prominenter ist im Verfahren unsichtbar allgegenwärtig: Olearius suchte vor Jahren Hilfe für sein Bankhaus M. M. Warburg beim damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Theoretisch könnte der heutige Bundeskanzler als Zeuge in Bonn aufgerufen werden – in der Anklage taucht sein Name angeblich 27-mal auf.
Im größten Steuerskandal der deutschen Geschichte hat es schon mehrere Schuldsprüche gegeben, Dutzende weitere Verfahren gegen Hunderte Finanzmanager sind in Vorbereitung. Im Kern geht es immer um den gleichen Sachverhalt: Anleger ließen sich Steuern erstatten, die nie gezahlt worden waren.
Die Beteiligten beriefen sich lange auf eine angebliche Gesetzeslücke, doch schon vor Jahren hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass es die nicht gab. Seitdem arbeitet vor allem die Kölner Staatsanwaltschaft Fälle quer durch die deutsche Finanzbranche auf. Der Gesamtschaden für den Fiskus wird auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.
Der heute 81-jährige Olearius weist die Vorwürfe zurück, seine Anwälte – darunter der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler – wollen auf Freispruch plädieren. Eine erste Stellungnahme haben sie für Mittwoch angekündigt. Sollte Olearius wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in 14 Fällen verurteilt werden, drohen ihm nicht nur bis zu zehn Jahre Haft, sondern auch Maßnahmen der Finanzaufsicht Bafin.
Die Finanzaufsicht schaut hin
Sie hat bereits dafür gesorgt, dass sich der Miteigentümer aus dem Aufsichtsrat zurückziehen musste. Die Stimmrechte seines 40-Prozent-Anteils liegen jetzt bei Bevollmächtigten, nach einer Verurteilung könnte die Bafin den Verkauf der Anteile fordern. Weitere 40 Prozent an dem 325 Jahre alten Institut gehören Max Warburg.
Olearius führte die Bank in der hohen Zeit der Cum-ex-Geschäfte um 2010. Unbestritten ist, dass sich das Hamburger Traditionshaus wie viele andere am damals so genannten Dividendenstripping beteiligte. In bestimmten Fällen können sich Anleger die auf Dividenden fällige Kapitalertragssteuer erstatten lassen. Zu diesem Zweck bekommen sie eine Bescheinigung über die gezahlte Steuer.
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Ein Zufall führte zum Betrug
Zufällig stellten zwei Aktienhändler nach komplizierten Geschäften rund um die Dividendenzahlung fest, dass sie von der Bank mehrere Bescheinigungen für nur eine Steuerzahlung bekommen hatten – zunächst offenbar versehentlich. Das wurde dann mit vielen Beteiligten quer durch das Finanzsystem sozusagen serienreif gemacht.
Cum-ex-Fonds wurden zum Verkaufsschlager vor allem unter wohlhabenden Anlegern – die sich später darauf beriefen, das Geheimnis der höheren Rendite nicht durchschaut zu haben. Die Geldhäuser wiederum beauftragten die besten Anwaltskanzleien, um die Rechtmäßigkeit des Systems zu beweisen. Mittlerweile sind sie aber in letzter Instanz gescheitert: Cum-ex war laut Bundesgerichtshof illegal.
Bis dahin vergingen allerdings Jahre, in denen der Gesetzgeber zunächst versäumte, die angeblichen Schlupflöcher zu schließen, und dann auch bei der Aufarbeitung des Skandals wenig voranbrachte. Der Mannheimer Steuerprofessor Christoph Spengel, ein Spezialist für das Cum-ex-Thema, sprach später von „Kollektivversagen“.
Cum-ex-Prozess gegen Bankier Olearius hat begonnen
Olearius war über Jahrzehnte Chef der Hamburger Warburg-Bank, einer traditionellen Privatbank mit jahrhundertelanger Geschichte.
© Quelle: dpa
Geschäfte für Kunden und auf eigene Rechnung
Warburg betrieb das Geschäft sowohl für Kundinnen und Kunden als auch im sogenannten Eigenhandel. „Die steuerliche Beurteilung der Cum-ex-Geschäfte durch die Warburg-Gruppe hat sich als falsch erwiesen“, erklärt die Bank mittlerweile. Insgesamt seien inzwischen 247 Millionen Euro an das Finanzamt Hamburg gezahlt worden, „obwohl Dritte die Geschäfte initiierten, abwickelten und große Profite erzielten“. Das Warburg-Image hat unter der jahrelangen Affäre schwer gelitten, die Existenz sei durch die Steuerforderungen aber nicht gefährdet gewesen.
Mit dieser Sorge hatte sich Olearius allerdings an den damaligen Regierenden Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gewandt, als das Finanzamt 2016 zunächst 47 Millionen und später weitere 43 Millionen Euro an Steuern von seinem Institut forderte. Die Behörde ließ die Forderung auf Steuernachzahlung dann tatsächlich zunächst verjähren. Scholz bestreitet, dabei Einfluss genommen zu haben, kann sich nach eigener Aussage aber in wichtigen Punkten nicht mehr erinnern. Die CDU versucht aktuell, einen weiteren Untersuchungsausschuss im Bundestag durchzusetzen, und ist dafür vor das Verfassungsgericht gezogen.
Vom ehemaligen CSU-Abgeordneten Gauweiler hat die Union wohl keine Unterstützung zu erwarten. Für Olearius wird der Anwalt auf nicht schuldig plädieren, denn der Banker habe nichts Unrechtmäßiges getan – schon gar nicht bewusst. Fabio de Masi, früherer Bundestagsabgeordneter der Linken und ein Aufklärer im Cum-ex-Skandal, hält weder Scholz noch Olearius für glaubwürdig. „Wie Scholz den Bundestag belog“ hat er eine ausführliche Analyse des Falls überschrieben.
Für das Bonner Verfahren ist entscheidend, ob Olearius eine treibende Kraft war und ob ihm klar war, was er tat. Die Ankläger halten ihn für einen der Initiatoren. „Der Angeklagte war darüber informiert und steuerte maßgeblich“, sagte Staatsanwältin Stephanie Kerkering am Montag. Er sei in Krisensituationen eingebunden gewesen, um Risiken abzuwenden, und ihm sei bekannt gewesen, dass das Cum-ex-Geschäftsmodell auf der Anrechnung beziehungsweise Erstattung von Steuern beruhte, die gar nicht gezahlt worden waren: „Ihm war bewusst, dass es sich um unzutreffende Angaben handelte.“