Achterbahn der Emotionen bei der Post: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum drohenden Streik
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Post- und DHL-Logos stehen auf den Jacken von Demonstranten der Deutschen Post, die vor der Ver.di Bundeszentrale auf der Schillingbrücke in Berlin streiken. (Archivbild)
© Quelle: Annette Riedl/dpa
Bonn. Für die Post ist es ein Tag mit zwei Seiten: Am Donnerstagvormittag hat der Bonner Konzern ein Rekordergebnis verkündet - der vierte Jahreshöchstwert in Folge ist für Firmenchef Frank Appel Grund zur Freude.
Doch nur wenige Stunden später bekommt der Manager einen Dämpfer: In einer Urabstimmung lehnten 85,9 Prozent der Befragten das Tarifangebot der Post ab und votierten für einen unbefristeten Streik, wie Verdi am Donnerstagnachmittag mitteilte. Damit sei das Quorum von 75 Prozent deutlich übertroffen worden.
Warum könnte es erneut Streik bei der Post geben?
Verdi wollte in Tarifverhandlungen ein Entgeltplus von 15 Prozent in einem einjährigen Vertrag durchsetzen und begründete das unter anderem mit der hohen Inflation. Die Post lehnte die Forderung als wirtschaftlich nicht tragbar ab. Sie bot einen zwei Jahre laufenden Vertrag an, der eine Tariferhöhung in zwei Stufen ab 2024 vorsieht.
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Nach ihren Berechnungen würde sich die Bezahlung der Beschäftigten um durchschnittlich 11,5 Prozent verbessern. Separat hierzu sollen die Beschäftigten schon ab diesem Jahr schrittweise 3000 Euro netto bekommen, die als Inflationsausgleichsprämie fließen.
Sind in nächster Zeit neue Verhandlungen geplant?
Ja, die Tarif-Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Verdi gehen schon am Freitag (10. März) weiter. Die Gewerkschaft will die Verhandlungen, die sie im Februar für gescheitert erklärt und somit abgebrochen hatte, wiederaufnehmen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Damit komme man der Forderung der Deutschen Post nach, sagte die Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. „Die Deutsche Post AG steht jetzt in der Verantwortung, durch eine deutliche materielle Verbesserung des abgelehnten Angebots einen unbefristeten Streik abzuwenden“, sagte Kocsis.
Wann streikte die Post-Belegschaft zuletzt?
Warnstreiks gab es immer mal wieder, zuletzt im Februar. Solche Arbeitsniederlegungen sind zeitlich befristet und örtlich begrenzt. Einen unbefristeten Streik nach Abbruch der Verhandlungen gab es zuletzt 2015 bei der Post, damals sorgte die Ausgründung von Paket-Tochterfirmen mit niedrigerer Bezahlung für Unmut. Streik ist eine Seltenheit beim Gelben Riesen und ein gravierender Schritt, den Verdi geht.
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Streik bei der Post: Was Verbraucherinnen und Verbraucher wissen müssen
In ganz Deutschland drohen neue Verzögerungen für Brief- und Paketkunden der Deutschen Post. Im Zuge der Tarifverhandlungen stimmten die Beschäftigten für einen unbefristeten Streik. Was das nun für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet und worauf sie achten müssen: Das RND beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was bedeutet ein möglicher Streik für Verbrauchende?
Bei den jüngsten Warnstreiks im Januar und Februar blieben Millionen Briefe und Pakete zwischenzeitlich liegen. Im Verhältnis zu den Gesamtmengen waren das aber nur geringe Prozentwerte. Mancher Empfänger hatte Pech und musste zwei, drei Tage warten, andere bekamen die Warnstreik-Folgen gar nicht mit.
Bei einem Streik würde das aller Voraussicht nach anders: Es dürfte erhebliche Verzögerungen geben. Laut Verdi sind von den 200.000 Beschäftigten im Stammgeschäft mehr als 100.000 Verdi-Mitglieder - rechnerisch wäre also circa jeder Zweite streikberechtigt. Tatsächlich dürfte die Beteiligung aber schwanken und je nach Region unterschiedlich ausfallen.
Tarifverhandlungen für die Post laut Gewerkschaft Verdi gescheitert
Ein dreitägiger Verhandlungsmarathon in Düsseldorf endet ohne Einigung. Verdi leitet nun die Urabstimmung über einen Arbeitskampf ein.
© Quelle: dpa
Und welche Folgen hätte ein Streik für die Post?
Die Post müsste Extrakosten stemmen, um den Sendungsfluss mit Ach und Krach aufrechtzuerhalten. Grob gesagt: Mangels Personals dürften sich große Mengen an Paketen und Briefen in den Standorten stapeln. Die Firma müsste externe Lager anmieten und Personal von externen Dienstleistern einsetzen. Eine teure Sache. Beim Streik im Jahr 2015 bezifferte die Post die Kosten auf 100 Millionen Euro.
Wie lange könnte ein möglicher Streik dauern?
2015 dauerte es vier Wochen, bis der unbefristete Streik vorbei war - zuvor hatte es mehrere Monate lang immer mal wieder Warnstreiks gegeben. Wie lange ein möglicher Streik nun dauern könnte, ist unklar. Beide Seiten betonen, dass sich der andere bewegen müsse. Bis die Bereitschaft zum Kompromiss reift, dürfte es noch dauern.
Wie läuft das Geschäft bei der Deutschen Post?
Alles in allem sehr gut. Die Fracht- und Lieferketten-Sparten boomen, und auch der Paketversand im Ausland und Expresszustellungen legen beim Umsatz zu. Das Stammgeschäft - der Brief- und Paketversand im Inland - sackt hingegen ab, hier machen sich die eingetrübte Konsumlaune und höhere Kosten etwa für Energie stark bemerkbar. Alle Konzernbereiche zusammengerechnet kam der Konzern im vergangenen Jahr auf einen Betriebsgewinn von 8,4 Milliarden Euro (plus 5,7 Prozent). In diesem Jahr rechnet die Konzernspitze wegen der Konjunkturentwicklung aber mit einem sinkenden Betriebsergebnis.
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Mitarbeitende der Deutschen Post beteiligen sich auf dem Dortmunder Friedensplatz an einer Streikkundgebung. (Archivbild)
© Quelle: Bernd Thissen/dpa
Wie hat sich die Post verändert?
Das einstmals urdeutsche Unternehmen hat sich zum globalen Großkonzern mit breitem Portfolio entwickelt. Als Frank Appel 2008 Vorstandsvorsitzender wurde, machten der Brief- und Paketversand in Deutschland circa 85 Prozent des operativen Gewinns (Ebit) aus, der Rest kam nur auf 15 Prozent. Seither hat der Konzern enormes Wachstum hinter sich und die Verhältnisse haben sich umgekehrt: Das Stammgeschäft kommt nur noch auf 17 Prozent des operativen Gewinns und der Rest auf 83. Das macht deutlich: Die Musik spielt im Ausland.
Wie steht es um die Post in Deutschland?
Circa ein Drittel der Belegschaft ist in der Sparte Post & Paket Deutschland tätig - Ende 2022 waren es rund 192.000 Menschen. Hier macht sich der Strukturwandel bemerkbar: Die Briefmengen sinken, weil die Menschen immer stärker auf digitale Kommunikation setzen. Die Paketmengen stiegen hingegen jahrelang, weil der Versandhandel boomt. 2022 sank die Zahl der beförderten Pakete zwar, das war aber wegen des hohen Vergleichsniveaus aus dem Coronajahr 2021 keine Überraschung. Künftig rechnet die Post hier wieder mit einem Zuwachs.
Im Vergleich zu anderen Konzernteilen ist Post & Paket Deutschland nur mäßig profitabel, im vergangenen Jahr brach der Betriebsgewinn wegen höherer Kosten für Energie, Transport und Saisonkräfte um ein Drittel ein. Der Heimatmarkt ist für den globalen Großkonzern eher ein Sorgenkind, lokale Zustellprobleme führten im vergangenen Sommer und Herbst zu einer Welle an Beschwerden bei der Bundesnetzagentur. Als „Universaldienstleister“ hat die Firma staatliche Pflichten zu erfüllen. In der anstehenden Reform des veralteten Postgesetzes hofft die Firma auf Lockerungen.
Was geschieht im Post-Vorstand?
Seit 15 Jahren steht der frühere McKinsey-Berater Frank Appel an der Konzernspitze. In zwei Monaten ist Schluss: Dann räumt der 61-Jährige seinen Chefposten und der 47 Jahre alte Vorstandskollege Tobias Meyer übernimmt. Künftig wird sich Appel auf seine Tätigkeit als Telekom-Aufsichtsratsvorsitzender konzentrieren.
Damit bleibt er einem anderen Teil der früheren Bundespost erhalten. Sein Nachfolger Meyer kennt die Post gut, von 2019 bis 2022 leitete er das Stammgeschäft des Logistikers, den Konzernbereich Post & Paket Deutschland. Meyer war früher ebenfalls bei McKinsey tätig, seit 2013 ist er beim Bonner Konzern.
RND/dpa