Regierung stutzt Mehrwertsteuer auf Gas

Verbände fordern auch beim Strom eine „deutliche Entlastung“

ARCHIV - 24.02.2022, Baden-Württemberg, Stuttgart: Eine Gasflamme brennt auf einem Küchenherd. Die Bundesregierung will für einen befristeten Zeitraum einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Erdgas verlangen. (zu dpa «Bundesregierung will Mehrwertsteuer auf Gas senken») Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 24.02.2022, Baden-Württemberg, Stuttgart: Eine Gasflamme brennt auf einem Küchenherd. Die Bundesregierung will für einen befristeten Zeitraum einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Erdgas verlangen. (zu dpa «Bundesregierung will Mehrwertsteuer auf Gas senken») Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Frankfurt am Main. Das Statement von Kanzler Olaf Scholz (SPD) dauerte nur knapp zwei Minuten. Doch der Inhalt der Ausführungen war erheblich. Er kündigte am Donnerstagmittag eine deutliche Absenkung der Mehrwertsteuer auf den gesamten Erdgasverbrauch von Haushalten und Unternehmen an. Bislang werden 19 Prozent erhoben. Bis Ende März 2024 sollen es nur 7 Prozent sein. Für einen Standardhaushalt (Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden) kann dies eine finanzielle Entlastung von deutlich mehr als 400 Euro pro Jahr bringen. „Dies ist ein weiterer Schritt zur Entlastung“, sagte Scholz.

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Die Reduzierung des Steuersatzes ist eng mit der Gasumlage verknüpft, die vom 1. Oktober an erhoben werden soll. Scholz sagte, mit dem jetzigen Schritt würden die Gaskundinnen und Gaskunden insgesamt deutlich stärker entlastet, als sie durch die neue staatliche Abgabe belastet würden.

Die Umlage beträgt 2,4 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde. Sie wird einkassiert, um Gasimporteure zu subventionieren. Die Unternehmen leiden massiv unter den reduzierten Liefermengen aus Russland und sind deshalb gezwungen, den fehlenden Brennstoff zu erheblich höheren Preisen im Großhandel einzukaufen. Zugleich müssen sie aber gegenüber ihren Kunden – vor allem Stadtwerke – Lieferverträge mit erheblich niedrigeren Preisen einhalten. Ohne die Umlage müsste die Regierung den Importeuren – allen voran Uniper – erlaubten, die Verträge auszusetzen, um die höheren Kosten direkt weiterzugeben, nebst erheblichen Verwerfungen für Stadtwerke und Kunden. Ohne mehr Geld wären zahlreiche Unternehmen von der Insolvenz bedroht, was einen Kollaps der Gasversorgung zur Folge haben könnte.

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Habeck mahnt, die Steuersenkung 1:1 weiterzugeben

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte: „Es war immer klar: Wir wollen nicht, dass die Menschen noch zusätzlich durch die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage belastet werden.“ Der jetzige Schritt sei folgerichtig, da eine direkte Steuerbefreiung der Abgabe wegen des europäischen Rechts nicht möglich sei. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte bei der EU-Kommission darum gebeten, aber eine Abfuhr erhalten.

Scholz: Mehrwertsteuer auf Gas künftig 7 statt 19 Prozent
18.08.2022, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt ein Pressestatement zur Gasumlage. Die Bundesregierung will für einen befristeten Zeitraum einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Erdgas verlangen. Die Steuer solle von bisher 19 auf 7 Prozent reduziert werden. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Angesichts der rapide gestiegenen Gaspreise will die Bundesregierung die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Mehrwertsteuer entlasten.

Habeck mahnte indes die Versorger: „Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie diese Senkung 1:1 an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.“ Dies nachzuvollziehen wird nicht ganz so einfach sein. Denn neben der Umlage kommen in den nächsten Monaten massive Erhöhungen auf die privaten Haushalte zu. Deren Dimension ist noch nicht absehbar, da die Gaspreise im Großhandel weiter steigen und viele Stadtwerke derzeit damit beschäftigt sind, neue Lieferverträge auszuhandeln, bei denen es nicht mehr um das einst so billige russische Erdgas geht.

Das Verbraucherportal Check 24 geht in einer ersten Berechnung von einer Entlastung der Kunden von bis zu gut 430 Euro für den Musterhaushalt mit den 20.000 Kilowattstunden aus – dabei ist die neue Umlage bereits berücksichtigt. Dies dämpft aber nur die Preiserhöhungen, die vielfach eine Verdreifachung der Tarife im Vergleich zum Vorjahr bringen werden.

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Entsprechend fordert der Energiedachverband BDEW nun auch bei der elektrischen Energie auf 7 Prozent zu senken. Die BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff sagte am Donnerstagnachmittag: „Wir benötigen auch beim Strom eine deutliche Entlastung. Deshalb sollte auch hier die Mehrwertsteuer analog der heutigen Entscheidung vorübergehend gesenkt werden.“ Der BDEW hat die Verringerung der Sätze für Gas und Strom schon vor einigen Tagen ins Spiel gebracht. Die 7 Prozent sind hierzulande üblich für eine verminderte Mehrwertsteuer. Europarechtlich wären auch nur 5 Prozent zulässig, was aber viel Bürokratie nach sich gezogen hätte.

Inflation wird deutlich gedrückt

Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK, geht davon aus, dass die Steuersenkung „die Inflation über den Winter spürbar senken“ wird. Bei einem Inkrafttreten zum 1. Oktober würde die Teuerung für die letzten drei Monate von 2022 um etwa 0,7 Prozentpunkte gedrückt. Noch etwas stärker würde die Wirkung im nächsten Jahr ausfallen. Etwa zwei Drittel des Inflationseffekts der Gasumlage würden so ausgeglichen.

„Es ist richtig, dass sich die Bundesregierung des Problems der steigenden Belastung jener Haushalte annimmt, die mit Erdgas heizen“, erklärte Dullien dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Aus Verteilungs- und Anreizgesichtspunkten sei der geringere Satz aber nicht die ideale Lösung. „Da mit der Mehrwertsteuer jede verbrauchte Kilowattstunde Gas billiger wird, werden jene mehr entlastet, die auch mehr Gas verbrauchen“, so der Wirtschaftsforscher. Das seien vor allem Haushalte mit hohen Einkommen. Außerdem werde der Anreiz zum Gassparen durch den niedrigeren Preis gedämpft.

Einen Gaspreisdeckel für einen Grundverbrauch hält er für wirksamer. „In einem solchen Fall wäre die Entlastung in Euro gleichmäßiger auf die Haushalte verteilt, außerdem bliebe der Anreiz zum Gassparen in vollem Maß intakt, weil für den Gasverbrauch oberhalb des Sockels der volle Preis fällig wäre.“

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