Steuerzahler muss Milliarden zahlen: Wie Inflation und Staatsanleihen zusammenhängen
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Die Inflation sorgt dafür, dass inflationsindexierte Bundesanleihen nun für den Steuerzahler teuer werden.
© Quelle: Daniel Reinhardt/dpa
Der Bund hat sich verspekuliert: Wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv berichtet, muss der Steuerzahler Milliarden Euro an die Besitzer von Staatsanleihen zahlen, bei denen ein Inflationsausgleich eingepreist ist. Hier erklären wir die Hintergründe.
Wie nimmt der Staat neue Schulden auf?
Der Staat muss immer wieder neue Schulden aufnehmen, um seine Ausgaben bezahlen zu können. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank stieg die Verschuldung 2021 auf 2,48 Billionen Euro, ein Anstieg um insgesamt 162 Milliarden Euro. Das benötigte Geld leiht sich der Staat, indem er unter anderem festverzinste Wertpapiere ausgibt. Dabei handelt es sich in der Regel um Staatsanleihen, die vergleichbar mit einem Schuldschein sind. Banken, Investmentfonds oder auch Versicherungen kaufen diese Anleihen, weil Deutschland eine besonders hohe Bonität hat und die Rückzahlung des Geldbetrags daher als ziemlich sicher gilt.
Was sind Staatsanleihen?
Ein Großteil der Schulden eines Landes wird in der Regel durch Staatsanleihen finanziert. In Deutschland geben sowohl der Bund als auch die Länder eigene Anleihen heraus. Die deutschen Bundesanleihen haben eine Laufzeit von sieben, zehn, 15 oder 30 Jahren. Nach Ablauf dieser Zeit muss der Staat den Käufern einer Staatsanleihe ihren Kaufbetrag zurückzahlen. Außerdem werden regelmäßig Zinsen fällig, meist einmal im Jahr. Da deutsche Staatsanleihen beliebt sind, werden sie auch bei geringen Zinsen gekauft. Für manche zahlt der Bund sogar gar keine Zinsen.
Was sind Staatsanleihen mit Inflationsschutz?
Der Staat hat fünf Wertpapiere herausgegeben, die an die Inflation gekoppelt sind. Sie haben nach Angaben der Bundesschuldenagentur ein Volumen von 65 Milliarden Euro. Vier dieser sogenannten inflationsindexierten Papiere haben eine Laufzeit über zehn Jahre, eine Anleihe hat eine Laufzeit von 30 Jahre. Inflationsindexiert bedeutet, dass der Staat neben Zinsen auch noch einen Inflationsausgleich bezahlen muss. Dieser Ausgleich wird im Gegensatz zu den Zinsen aber nicht regelmäßig, sondern erst am Ende der Laufzeit ausgezahlt. Bis dahin werden die Ausgleichszahlungen über die Zeit angesammelt und zurückgelegt.
Investoren erhalten mit diesem Wertpapier also einen Inflationsschutz, da die Summe bei Rückzahlung die Inflation berücksichtigt. Nach Angaben der Deutschen Finanzagentur ist die Höhe des Inflationsausgleichs und der Zinsen an die Entwicklung des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) der Eurozone (ohne Tabak) gekoppelt. Dieser Preisindex bezieht sich auf von Güter und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten in der Eurozone bezahlt werden. Er entspricht in etwa der deutschen Inflationsrate.
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Welche Einfluss hat die Inflation auf die Staatsanleihen?
Wenn die Inflation steigt, muss der Staat höhere Zinsen zahlen und mehr Rückstellungen für den Inflationsausgleich am Ende der Wertpapierlaufzeit vornehmen. Im Mai lag der HVPI bei 8,2 Prozent (Stand: 17.06.2022). Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag er noch bei 1,9 Prozent und einige Monate vorher rutschte der Wert sogar unter null.
Wie das RND berichtet, muss der Bund allein in diesem Jahr aufgrund der gestiegenen Inflation rund 8 Milliarden Euro (statt einer Milliarde Euro im Vorjahr) für den zugesicherten Inflationsausgleich zurücklegen. Experten gehen davon aus, dass die Inflation auch in den nächsten Jahren anhalten wird und der Staat deutlich mehr als die bisher einkalkulierte eine Milliarde als Inflationsausgleich pro Jahr ansammeln und später an Investoren ausschütten muss. Zahlen muss das der Steuerzahler.
Wie wird die Inflation beim Kauf an der Börse berücksichtigt?
Ein Beispiel: Ein Investor kauft inflationsindexierte Staatsanleihen für 10.000 Euro, bei denen der Staat ein Prozent Zinsen verspricht. Wenn die Laufzeit nach einem Jahr endet, erhält der Investor bei 8,2 Prozent Inflation neben seinen 10.000 Euro einmal 108,20 Euro Zinsen sowie 820 Euro Inflationsausgleich.
Ist die Laufzeit länger, erhält der Investor jährlich Zinsen gemäß des in dem jeweiligen Jahr berechneten Verbraucherpreisindexes HVPI. Den Inflationsausgleich stellt der Staat Jahr für Jahr zurück. Er wird über die Jahre der Gesamtlaufzeit angesammelt und zum Fälligkeitstag ausgezahlt. In der Praxis werden die Staatsanleihen an der Börse gehandelt und ein Investor hält sie meist nicht vom Tag der Ausgabe bis zum Tag der Fälligkeit – also über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren. Beim Kauf einer inflationsindexierten Staatsanleihe ist daher die angesammelte Ausgleichszahlung bereits im Kaufpreis enthalten. Wer eine Staatsanleihe kauft, streckt somit den Inflationsausgleich vor, den er später vom Bund bei Fälligkeit erhält.
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