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Beide Vorhaben beschlossen

Keine Gasumlage, niedrigere Mehrwertsteuer: Was Verbraucher jetzt wissen müssen

Um die Gasumlage oder sonstige Instrumente zur Eindämmung der Energiekosten wird nicht nur in der Politik gestritten.

Um die Gasumlage oder sonstige Instrumente zur Eindämmung der Energiekosten wird nicht nur in der Politik gestritten.

Hannover/Frankfurt am Main. Kurz vor Monatsende hat das Bundeskabinett die Gasumlage endgültig beerdigt, fast gleichzeitig beschloss der Bundestag am Freitag die geplante Mehrwertsteuersenkung für Gas und Fernwärme. Damit sind die zuletzt angekündigten höheren Abschlagszahlungen und Nebenkostenerhöhungen wegen der Umlage wohl obsolet, meinen Verbraucherschützer. Sie raten trotzdem, zunächst einmal auf neue Schreiben von Versorgern und Vermietern zu warten – und ärgern sich über die kurzfristig getroffenen Entscheidungen in Berlin.

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Die Gasumlage sollte eigentlich am 1. Oktober in Kraft treten, mit den so erhobenen 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollten strauchelnde Gasimporteure stabilisiert werden – was hinfällig ist, weil die Bundesregierung mittlerweile plant, betroffene Konzerne wie Uniper zu verstaatlichen. Nun wird die Umlage nur drei Tage in Kraft sein, weil erst dann der Kabinettsbeschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht werden kann. Danach werde sie „rückwirkend und in Gänze“ außer Kraft gesetzt, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitagmittag mit.

Energieversorger wollen Rechnungen anpassen

In den vergangenen Wochen hatten zahlreiche Versorger und Vermieter Gaskundinnen und Gaskunden wegen der Umlage höhere Abschlagszahlungen in Aussicht gestellt. Aber: „Kundinnen und Kunden, die von ihren Energieversorgern solche Preisanpassungsschreiben erhalten haben, müssen nicht aktiv werden“, sagte Kerstin Andreae, Chefin des Energiedachverbandes BDEW, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Die wegen der Umlage erhöhten Abschläge würden in der Jahresrechnung mit den tatsächlichen Kosten verrechnet, die Gasbeschaffungsumlage tauche nicht auf der Jahresrechnung auf und werde auch nicht berechnet. „Keine Gaskundin und kein Gaskunde wird die Gasbeschaffungsumlage zahlen müssen, auch nicht, wenn sie im aktuell zu zahlenden Abschlag enthalten ist“, kündigte Andreae an.

Verbraucherschützer raten, Zählerstände zu notieren

Unter Verbraucherschützern ist der Unmut derweil groß, von Chaos in der Hauptstadt ist die Rede, weil die Gasumlage so kurz vor Inkrafttreten gekippt wurde. Trotzdem raten die sie zu Geduld, obgleich ihnen zufolge viele Abschlagszahlungen nun vermutlich zu hoch sind. „Verbraucher sollten die entsprechenden Schreiben von den Versorgern abwarten“, rät Udo Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale in NRW. Allerdings empfiehlt er, zu dem Zeitpunkt, ab dem die Umlage fällig werden sollte, die Zählerstände bei Strom und Gas zu notieren – um gegebenenfalls überhöhte Zahlungen zurückfordern zu können.

Zugleich fallen ab Oktober die Preise für Gas, weil dort dem Bundestagsbeschluss entsprechend die Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent sinkt. Die Gaspreise stiegen immer weiter, begründete Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Steuersenkung. „Und der Staat darf nicht Profiteur davon sein, dass für die Menschen das Leben teurer wird.“ Insgesamt nimmt der Staat nach Rechnung des Finanzministeriums durch die Steuersenkung bis 2024 rund 13 Milliarden Euro weniger ein.

Mehrwertsteuersenkung soll bei Kunden ankommen

Andreae lobte die Steuersenkung, die kurzfristig auch für Fernwärme beschlossen wurde. Dies könne den Preisanstieg für Haushalte „spürbar dämpfen“. Auch bei der Fernwärme würden die Energieversorger „mit Hochdruck die notwendigen Anpassungen vornehmen“, versprach Andrae. „Fest steht: Die Mehrwertsteuersenkung wird 1:1 bei den Kundinnen und Kunden ankommen“, betonte sie außerdem.

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Die BDEW-Chefin sprach sich auch beim Strom für eine Absenkung auf 7 Prozent aus. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, als wolle die Bundesregierung dies umsetzen. Hier sind hingegen die Überlegungen für einen Preisdeckel schon weit fortgeschritten. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte kürzlich per Twitter verraten, dass ein subventionierter Preis von 30 Cent pro Kilowattstunde für 3100 Kilowattstunden einer Durchschnittsfamilie (Gesamtverbrauch: 5000 kWh) in der Diskussion ist.

300 Euro Ersparnis durch niedrigere Mehrwertsteuer

Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 bedeutet die Mehrwertsteuersenkung für Gas bei einem Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden eine Entlastung von rund 300 Euro im Jahr. Allerdings wird dieser Effekt wieder dezimiert, da Belastungen durch zwei andere Umlagen (für Regelenergie 0,57 Cent pro kWh) und für Gasspeicher (0,059 Cent) wieder oben drauf geschlagen werden. Das macht für den Musterhaushalt rund 130 Euro mehr pro Jahr aus.

Die rechnerische Mehrbelastung durch höhere Gaspreise liegt demnach im Vergleich zum Vorjahr für die Musterfamilie immer noch bei etwa 2700 Euro pro Jahr. Ändern soll das nach dem Willen der Bundesregierung der Gaspreisdeckel respektive die Gaspreisbremse – beide Begriffe meinen im Endeffekt das Gleiche. Aus Kreisen der Energieversorger war am Freitag zu hören, dass sie sich mit dem Vorhaben anfreunden könnten, weil es den Versorgern wohl zahlreiche Zahlungsausfälle und somit eigene Zahlungsschwierigkeiten ersparen könnte.

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Finanzminister Lindner verteidigt 200-Milliarden-Abwehrschirm der Regierung

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat im Bundestag die Pläne zur Eindämmung der Energiepreise erläutert.

Kritik an EU-Plänen

Gegenüber dem RND warnte Andreae am Freitag außerdem vor den EU-Plänen zur Abschöpfung von Gewinnen bei Stromerzeugern. Der europäische Strompreisdeckel soll so finanziert werden, bislang profitieren insbesondere Erzeuger von Öko- und Atomstrom von hohen Preisen im Großhandel, die durch den höheren Anteil von elektrischer Energie, die mit Gas erzeugt wird, entstanden sind. Zugleich sind die Kosten bei den Erneuerbaren und in AKWs nicht gestiegen. Die EU-Energieminister haben sich darauf verständigt, die Erlöse mit Strom, der teurer als 180 Euro pro Megawattstunde ist, abzuschöpfen. Aktuell werden dafür hierzulande mehr als 300 Euro verlangt.

„Es ist zu befürchten, dass Stromerzeuger auf abgesicherte langfristige Verträge verzichten und sich nur noch auf den Spotmarkt konzentrieren werden. Die Folge: Der Terminmarkt trocknet aus und gut kalkulierbare Festpreisverträge werden kaum noch angeboten“, sagte Andreae dazu. Die Erlösobergrenze dürfe zudem nicht zu einer Verknappung der Erzeugungskapazitäten führen, „was die Strompreise weiter nach oben treiben und die Bemühungen, mehr Kraftwerke in den Markt zu holen, konterkarieren würde“.

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