Habeck erneut in Erklärungsnot: nächster Staatssekretär in der Kritik
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Udo Philipp (Bündnis90/Die Grünen) im Jahr 2019, damals neuer Staatssekretär im Kieler Landtag.
© Quelle: Carsten Rehder/dpa
Berlin. Nach dem Rückzug Patrick Graichens steht der nächste Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium in der Kritik. Weil Vorwürfe gegen Udo Philipp wegen eines möglichen Interessenkonflikts bei der Förderung von Start-ups laut werden, geht das Ministerium nun in die Offensive und hat die direkten Unternehmensbeteiligungen des Staatssekretärs veröffentlicht.
Demnach ist Philipp an vier Unternehmen beteiligt. Bei seiner Arbeit als Staatssekretär sei er jedoch nicht mit diesen Firmen befasst, „insbesondere nicht mit Entscheidungen, von denen sie finanziell profitieren würden“, heißt es in dem Schreiben. Die von ihm gehaltenen Aktien würden durch Vermögensverwalter geführt, auf Einzelgeschäfte könne er somit keinen Einfluss nehmen. Zudem hätten die Beteiligungen schon bestanden, als er sein Amt als Staatssekretär antrat. Er sei seit 2019 bei den Unternehmen „in keiner Weise aktiv und hat keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik“. Philipp habe diese Beteiligungen beim Ministerium außerdem angezeigt, obwohl er das gemäß der Regeln nicht hätte tun müssen.
Philipp ist im Ministerium für Start-ups zuständig
Die Kritik entzündete sich daran, dass Philipp im Bundeswirtschaftsministerium für die Gründerszene zuständig ist, gleichzeitig aber Beteiligungen an mehreren Start-ups besitzt. Laut Berichten des „Business Insider“ habe er privates Geld in mehrere Start-ups investiert, was ihn potenziell zu einem Profiteur der Politik des Ministeriums mache, die er selbst maßgeblich mit beeinflusse. Eine Ministeriumssprecherin erklärte gegenüber „Business Insider“, Philipp habe sich vor seinem Amtsantritt bei „wenigen kleinen Unternehmen als Business Angel engagiert“, sei nun aber nicht mehr aktiv, ein Verkauf seiner Anteile „nicht möglich“. Vor seiner Zeit als Staatssekretär war der 59-Jährige unter anderem Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des schwedischen Finanzinvestors EQT.
Philipp selbst bezog im „Business Insider“ Stellung: „Es ist im Einklang mit den Compliance-Regeln des Hauses sichergestellt, dass ich mit möglichen Entscheidungen zu den Unternehmen nicht befasst werde“, sagte er. Keines der Unternehmen habe seit dem Regierungswechsel im Dezember 2021 Fördermittel aus dem Ministerium erhalten.
Habecks Beamte wollen für Transparenz sorgen
Um welche Firmen es sich handelt, wollte er zunächst nicht sagen – allerdings hat das Ministerium nun die vier Unternehmen offengelegt. Philipp hat demnach Anteile an den Start-ups Africa Greentec in Hainburg (4,1 Prozent), LMP in Paris (13,6 Prozent), CSP in Großköllnbach (5,1 Prozent) sowie an der MST Group in München (8,3 Prozent).
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Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sei durch interne Regelungen Vorsorge getroffen, dass Philipp – sollte es Berührungspunkte zwischen Ministerium und den Unternehmen geben – keine Entscheidungen treffe, von denen spezifisch diese Unternehmen finanziell profitieren könnten, heißt es in dem Schreiben. Robert Habecks Beamte betonten, dass es nach den geltenden Regelungen der Bundesregierung über Finanzgeschäfte erlaubt sei, Beteiligungen an Unternehmen zu halten. Auch gebe es keine Anzeigepflichten für direkte Beteiligungen. Dennoch sorge man hier für Transparenz.
Klöckner pocht auf Einsicht in Compliance-Regeln
Kritikerinnen und Kritikern reicht das nicht. „Informationen scheibchenweise zu veröffentlichen ist keine Transparenz“, sagte Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir erwarten, dass Herr Habeck kommenden Mittwoch im Ausschuss Rede und Antwort steht.“
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© Quelle: Reuters
Am 24. Mai soll es im Wirtschaftsausschuss des Bundestages unter anderem um die „aktuelle Berichterstattung zu möglichen Compliance-Verstößen im Wirtschaftsministerium“ gehen. Die Unionsfraktion möchte dafür die Compliance-Grundsätze, den Aufbau des hausinternen „Compliance Management Systems“ sowie sämtliche damit verbundenen Richtlinien vorgelegt bekommen.
Klöckner pocht zudem auf Nachweise, wann und in welchen Abständen insbesondere Graichen und die Führungsebene des Ministeriums an obligatorischen Compliance-Unterweisungen teilgenommen habe und welche Präventionen oder Schulungen sich das Haus gegen mögliche Verstöße vorhalte. Zudem solle es um Nachschärfungen gehen. „Wir fordern diese Informationen auch aus den anderen Häusern an, wenn wir den Eindruck haben, Herr Habeck kooperiert nicht“, so die CDU-Politikerin.
Transparency International sieht Interessenkonflikt
Offene Fragen auch bei Transparency International. „Staatssekretär Udo Philipp hält Beteiligungen an Start-ups, deren Zukunftsperspektiven und damit Gewinnchancen durchaus von im Bundeswirtschaftsministerium auf höchster Ebene getroffenen Entscheidungen abhängt“, sagte Wolfgang Jäckle, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Politik. „Damit besteht ein klarer Interessenkonflikt.“ Der werde auch durch das Argument, die von ihm gehaltenen Fondsanteile würden von Dritten und nicht von ihm verwaltet, nicht entschärft.
Zwar sei anzuerkennen, dass nun immerhin Transparenz hergestellt wurde, räumt Jäckle ein. Mit der bloßen Veröffentlichung der Beteiligungen sei es allerdings nicht getan. Der bestehende Interessenkonflikt hätte durch den Verkauf sämtlicher Anteile vor Antritt der Stelle als Staatssekretär vermieden werden können, sagt Jäckle. „Hierbei hätte durch geeignete Kontrollmaßnahmen sichergestellt werden müssen, dass die Übertragung nicht lediglich auf einen Treuhänder vorgenommen worden wäre.“
Um bereits geschehene oder bevorstehende Bevorzugungen auszuschließen, solle bei den fraglichen Start-ups die geübte Förderpraxis des Ministeriums „gründlich auf Auffälligkeiten“ hin durchleuchtet werden, fordert Jäckle.