Personalmangel und der Druck der Urlaubssaison: Wie es zum Streik bei der Lufthansa kam
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Ein Schalter am Flughafen in München: Am Mittwoch kommt es zu Streiks bei der Lufthansa.
© Quelle: IMAGO/Fotostand
Frankfurt am Main. Christine Behle bittet Lufthansa-Kunden und ‑Kundinnen um Verständnis. Am Mittwoch werde „es zu größeren Flugausfällen und Verzögerungen“ kommen. Der Grund: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat die rund 20.000 Beschäftigten des Lufthansa-Bodenpersonals zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Und zwar an allen großen deutschen Flughäfen – allen voran Frankfurt, aber auch an den Airports in München, Düsseldorf, Köln, Hamburg oder Berlin wird nicht gearbeitet.
Behle ist die Verdi-Verhandlungsführerin in einem Tarifkonflikt mit dem Lufthansa-Management. Es gab bislang zwei Verhandlungsrunden, sie blieben ohne Ergebnis. Aus Sicht von Verdi waren die Angebote unzureichend. LH-Personalchef Michael Niggemann kritisierte naturgemäß den Streikaufruf. Aufgrund der Breite über alle Standorte hinweg und der Dauer könne man den geplanten Ausstand „kaum noch als Warnstreik“ bezeichnen.
Dass es die Passagiere zu den ohnehin bestehenden massiven Problemen im Flugbetrieb nun wegen eines Streiks mit zusätzlichen Verspätungen und Absagen von Flügen zu tun bekommen, hat vor allem damit zu tun, dass auch die Beschäftigten der Sparte Leos (Lufthansa Engineering and Operational Services) die Arbeit zwischen Mittwoch früh, 3.45 Uhr, und Donnerstag früh, 6 Uhr, niederlegen werden.
Gravierender Personalmangel
Die Leos-Leute sorgen mit Spezialfahrzeugen für die Pushbacks der Flieger. Sie ziehen die Maschinen auf ihre Parkpositionen. Bleiben die Vehikel in der Garage, können im Zweifelsfall Jets erst gar nicht starten, weil verhindert werden muss, dass sie am Zielort auf den Rollfeldern im Weg stehen.
Behle weist indes auf eine „äußerst problematische Situation“ der Beschäftigten hin, „die vor allem durch Missmanagement“ verursacht worden sei. Bei der Lufthansa mangelt es an allen Ecken und Enden an Personal. Während der Pandemie wurde abgebaut, der massive Anstieg der Nachfrage seit Ostern wurde von der Führungsriege unterschätzt. Konzernchef Carsten Spohr hat die Fehler inzwischen eingeräumt und um Entschuldigung gebeten.
Lufthansa-Streik am Mittwoch: Diese Rechte gelten für Flugreisende
Die Gewerkschaft Verdi ruft das Bodenpersonal der Lufthansa am Mittwoch zu einem eintägigen Streik auf.
© Quelle: dpa
Erschwerend kommt nun ein extrem hoher Krankenstand auch beim Bodenpersonal hinzu – wegen zahlreicher Corona-Fälle in der Belegschaft. Ein weiterer Faktor sind Tausende gefrusteter Passagiere, die ihren Ärger an den Lufthansa-Leuten auslassen – was wiederum zu weiteren Krankmeldungen führe, wie es in Konzernkreisen heißt. Die Manager suchen händeringend nach Ersatz, auch Beschäftigte aus der Verwaltung werden unter anderem an Check-in-Schaltern eingesetzt.
Behle betont ebenfalls, dass die Beschäftigten tagtäglich einem enormen Druck ausgesetzt seien. Die Lage an den Flughäfen eskaliere. Zur Überlastung wegen Personalmangels komme die hohe Inflation nach einem dreijährigen Verzicht auf Lohnerhöhungen. „Sie brauchen dringend mehr Geld, und sie brauchen Entlastung – für sich selbst und für die Passagiere“, so Behle, die auch Vizechefin von Verdi ist. Auch deshalb habe man in der zweiten Verhandlungsrunde – das war am 13. Juli – auf ein starkes Signal gewartet, mit dem man ein gutes Ergebnis hätte erzielen können. Aber das Angebot des Arbeitgebers reiche hinten und vorne nicht.
Niggemann spricht hingegen davon, dass der geplante Ausstand umso unverständlicher sei, als die Arbeitgeberseite „hohe und sozial ausgewogene Vergütungserhöhungen angeboten“ habe. Trotz Corona-Krise, einer hohen Schuldenlast und einer wirtschaftlich für die Lufthansa weiter angespannten Situation. Allerdings hat die Kranich-Airline wegen der enormen Ticketnachfrage im zweiten Quartal wieder einen Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit von 350 bis 400 Millionen Euro eingeflogen.
Verdi fordert Stundenlohn von mindestens 13 Euro
Niggemann meint gleichwohl, der Streik bedeute eine „erneute, erhebliche und unnötige Belastung für unsere Fluggäste und auch für unsere Mitarbeitenden über den Streiktag hinaus“. Wenn der Ausstand am Donnerstag um 6 Uhr beendet ist, werden mutmaßlich viele Maschinen nicht an den Flughäfen stehen, wo sie eigentlich stehen müssten. Und die dazugehörigen Crews müssen vielfach auch noch zu den Jets gebracht werden. Es dauert in der Regel mehrere Tage, bis sich wieder alles zurechtgerüttelt hat.
Und hierum geht es: Die Lufthansa hat unter anderem eine Erhöhung der Grundvergütung von 150 Euro pro Monat ab dem 1. Juli vorgeschlagen. Weitere 100 Euro sollen vom 1. Januar 2023 an hinzukommen und weitere 2 Prozent mehr Geld ab dem 1. Juli 2023 – allerdings abhängig von der „Geschäftsentwicklung“. Das Management rechnet vor, dass bei einem Monatsgehalt von 3000 Euro brutto ein Plus von 9 bis knapp 11 Prozent innerhalb von zwölf Monaten zusammenkommen könnte.
Verdi fordert hingegen 9,5 Prozent mehr Gehalt, aber mindestens 350 Euro zusätzlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Damit soll der Stundenlohn auf mindestens 13 Euro steigen. Derzeit werden laut der Gewerkschaft teilweise noch weniger als 12 Euro gezahlt. Wenn im Oktober der gesetzliche Mindestlohn auf jene 12 Euro erhöht werde, müsse zudem ein „tariflicher Abstand“ dazu gewährleistet sein. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 3. und 4. August geplant.
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