Was folgt auf das 9-Euro-Ticket? Lindner sieht die Länder in der Pflicht – und die weisen auf den Bund
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Fahrgäste steht am Berliner Bahnhof Ostkreuz am Bahnsteig, während ein Zug einfährt. Drei Monate lang galten in Deutschland Entlastungsmaßnahmen gegen hohe Energiepreise, nun laufen sie aus.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Berlin. Bis zuletzt hatten viele gehofft, dass es eine Nachfolge gibt, doch jetzt läuft es aus: Am 1. September endet das 9-Euro-Ticket. Die Fahrt mit Bus und Bahn wird für Millionen Deutsche wieder deutlich teurer. Jedoch hat sich am letzten Tag der Aktion auch noch mal neue Bewegung in der Debatte um eine Nachfolge gezeigt: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FPD) meldete sich per Twitter aus Meseberg, wo die Ampelregierung am Mittwoch tagte. Bundesverkehrsminister Volker Wissing, ebenfalls FDP, habe ihn überzeugt: „Er kann mit einem Bruchteil der Finanzmittel des 9‑Euro-Tickets ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Ticket realisieren“, schrieb Lindner. „Jetzt sind die Länder dran. Wenn die Finanzierungsfrage klar ist, kann der Preis festgelegt werden.“
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Dass Lindner nun den Ländern die Bälle zuspielte, sorgte direkt am Mittwoch schon für Kritik. „So gut es ist, dass sich der Bund jetzt offenbar bewegt – dieses Signal hätten wir früher erwartet und nicht erst am letzten Gültigkeitstag des Tickets“, kritisierte Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU). Günstigere Preise und einfache Tarifstrukturen hätten den „Nerv vieler Menschen getroffen“ und für eine höhere ÖPNV-Nutzung gesorgt, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Gerade in Krisenzeiten kann ein kostengünstiger ÖPNV einen Beitrag zur Entlastung vieler Bürgerinnen und Bürger sein“, sagte der CDU-Politiker. Die Länder würden seit mehreren Wochen vom Bund eine Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket fordern.
Althusmann: Bund muss Farbe bekennen
Er plädierte erneut für eine Nachfolge: „Wir sollten uns nicht mit der positiven Bilanz des 9-Euro-Tickets zufriedengeben, sondern weitermachen.“ Allerdings muss es aus seiner Sicht nun ein Signal vom Bund geben: „Die Ankündigung von Christian Lindner ist bisher allerdings bloß eine Absichtserklärung. Jetzt muss der Bund Farbe bekennen, wie er die Finanzierung gestalten will.
Erst dann können wir über den genauen Ticketpreis sprechen“, so Althusmann. Noch viel dringender warte man allerdings auf eine „Aussage des Bundes, wie die aktuellen Finanzprobleme des ÖPNV, die durch Inflation und Energiepreise entstanden sind, aufgefangen werden können. Wenn diese Fragen geklärt sind, bin ich zuversichtlich, dass Bund und Länder durch das heutige Signal schnell zu einer Einigung im Sinne der ÖPNV-Nutzer kommen können“, sagte Althusmann.
NRW-Minister: Große Herausforderung für Länder und Kommunen
Auch sein Amtskollege in Nordrhein-Westfalen, Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne), sieht den Bund in der Pflicht. „Eine Twitter-Meldung macht noch kein Konzept“, sagte er zu dem Vorstoß am Mittwoch. Zwar sei gut, dass sich die FDP „endlich bewegt“ und ihre Blockadehaltung aufgebe. „Aber eines ist auch klar: Bei der Finanzierung einer Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket ist der Bund in der Pflicht, genauso wie bei der zugesagten Erhöhung der Regionalisierungsmittel.“
Länder und Kommunen stünden angesichts der stark gestiegenen Kosten ohnehin vor riesigen Herausforderungen, um nur das bisherige ÖPNV-Angebot aufrechtzuerhalten. „Finanzierung des Tickets und des Angebotes sind ein Gesamtpaket“, so Krischer.
Bayerns Verkehrsminister fordert Unterstützung vom Bund
In Bayern wundert man sich hingegen, wo das Geld jetzt herkommen soll. „Bislang sprach der Bundesfinanzminister von 14 Milliarden Euro für ein ganzjähriges 9-Euro-Ticket, jetzt soll finanziell plötzlich alles kein Problem mehr sein. Das glaube ich nicht“, kommentierte Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). „Die Bundesländer lassen sich nicht die Kosten für ein weiteres Tarifgeschenk der Bundesregierung aufdrücken. Die Verkehrsminister der Länder fordern 3,15 Milliarden Euro für Energiekosten und Angebotsausbau. Bevor sich der Bund hier nicht bewegt, gibt es keine neuen Diskussionen beim Tarif.“
Bundesregierung verspricht weitere Entlastungspakete
In einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Ende der Kabinettsklausur haben Bundeskanzler, Wirtschafts- und Finanzminister weitere Hilfspakete angekündigt.
© Quelle: Reuters
Durch „Schönrechnen“ ändere sich nichts an der Problematik, so Bernreiter. Denn die Verkehrsunternehmen bräuchten erst einmal Entlastung bei den hohen Energiekosten, dann bräuchte man Geld für den Ausbau des Angebots „und erst dann können wir über Preissenkungen beim Tarif reden“, so der CSU-Politiker.
Berlin denkt über eigenes Nachfolgeticket nach
In der Hauptstadt war zuletzt von einem Nachfolgeticket die Rede, der Berliner Senat arbeitet derzeit an einem Konzept. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) sagte am Mittwoch: „Zentral ist für uns ein bezahlbares und, ganz wichtig, ein dauerhaftes Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket, weil ein bezahlbarer ÖPNV spürbar die Geldbeutel entlastet.“ Auch sie sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Der Bund muss dafür endlich ein ernstzunehmendes Angebot vorlegen. Tut er das, dann kann ich mir auch eine Beteiligung der Länder vorstellen.“
„Zentral ist für uns ein bezahlbares und, ganz wichtig, ein dauerhaftes Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket, weil ein bezahlbarer ÖPNV spürbar die Geldbeutel entlastet.“
Bettina Jarasch (Grüne), Berliner Verkehrssenatorin
Davon abhängig wolle Berlin als „Überbrückung“ ein vom Land finanziertes Ticket erarbeiten – in Abstimmung mit dem regionalen Verkehrsverbund VBB, denn es brauche auch eine Lösung für das Nachbarland Brandenburg. „Klar ist auch, dass der Bund den Ländern die versprochenen Mittel für den Ausbau des Nahverkehrs auf der Schiene zukommen lassen muss“, so Jarasch. „Wir müssen das Angebot ausbauen und verbessern, wenn wir immer mehr Menschen vom ÖPNV überzeugen wollen.“
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