E-Paper
80 Prozent der Blumen aus dem Ausland

Slowflower: Wenn die Schnittblume nicht mehr eingeflogen wird

Ein Klatschmohnfeld in voller Bluetenpracht am Morgen bei Trebur Hessen.

Ein Klatschmohnfeld in voller Bluetenpracht am Morgen bei Trebur Hessen.

Artikel anhören • 5 Minuten

Auf einem 500 Quadratmeter großen Acker bei Werder an der Havel (Brandenburg) bauen Lena Riese und Anna Buchwald von Kraut & Blume seit drei Jahren Schnittblumen an. Dabei verzichten sie auf Pestizide oder chemische Düngemittel und setzen auf Pflanzen, die mit den vorherrschenden klimatischen Bedingungen gut zurechtkommen und auch ohne viel Zutun gesund wachsen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Slowflower heißt diese Form des Anbaus, auf Deutsch: langsame Blume. Seit 2018 setzt sich der Verein der Slowflower-Bewegung für einen nachhaltigen, saisonalen und regionalen Anbau von Schnittblumen ein, mehr als 200 meist kleine Betriebe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören dazu.

80 Prozent der Schnittblumen in Deutschland kommen aus dem Ausland

Wie bei den meisten anderen ist auch bei Kraut & Blume auf dem Acker im Sommer Hauptsaison, danach können die beiden Farmerfloristinnen bis in den späten Herbst hinein frische Blumen liefern. Ab Dezember binden sie Wintersträuße aus Zweigen und bunten Trockenblumen. „Und dann dauert es eigentlich bis Anfang, Mitte April, bis wir die ersten frischen Blumen haben“, sagt Lena Riese. „Da werden natürlich alle immer ganz ungeduldig, weil man immer schon die Vorstellung hat, jetzt ist Februar, jetzt könnten frische Blumen auf dem Tisch stehen.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Und die Auswahl ist groß: Auch in der kältesten Jahreszeit bieten Blumenläden und Supermärkte bunte Sträuße an. 80 Prozent der hierzulande verkauften Schnittblumen stammen aus dem Ausland. Gerade Rosen, die Lieblingsblumen der Deutschen, werden häufig aus Kenia, Äthiopien oder Uganda eingeflogen. Im Gegensatz zu den Niederlanden, wo sie in beheizten Gewächshäusern angebaut werden, sind die klimatischen Bedingungen für den Rosenanbau in den ostafrikanischen Ländern ideal.

Das Leben und wir

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie - jeden zweiten Donnerstag.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Problematisch dabei: Der Rosenanbau braucht viel Wasser, etwa fünf Liter pro Rose, rund 60 Liter für einen ganzen Strauß. Das Wasser wird häufig vor Ort aus Seen und Flüssen entnommen. Nicht nur, aber auch aufgrund des Rosenanbaus sinkt der Wasserspiegel des kenianischen Naivashasees sinkt bereits seit Jahren. Hinzu kommt der Einsatz von Spritzmitteln. Bei einer Untersuchung von Rosensträußen konnte Ökotest pro Strauß bis zu 21 unterschiedliche Pflanzenschutzmittel nachweisen, von denen einige als besonders bedenklich eingestuft wurden und zum Teil in der EU gar nicht mehr zugelassen und verboten sind.

Häufig hohes gesundheitliches Risiko für Beschäftigte

Besonders hoch ist das gesundheitliche Risiko dabei für diejenigen, die im Gewächshaus mit den Pflanzen arbeiten – in Ländern, in denen Arbeitsschutz häufig nicht so streng gesehen wird wie hierzulande. Laut Pestizidatlas 2022 sind allein in Ostafrika, wo die größten Anbaugebiete für Rosen liegen, 51 Millionen Menschen von Vergiftungen mit Pflanzenschutzmitteln betroffen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Auch bei fair gehandelten Rosen sieht es nicht anders aus. „Von der Biorose sind wir sehr weit entfernt“, so Edith Gmeiner von Fairtrade Deutschland. „Schnittrosen sind sehr sensibel und es wird erwartet, dass sie makellos sind.“ Monokulturen seien sehr anfällig, Schädlinge oder ein Pilz könnten die komplette Ernte zerstören. Immerhin werde in Fairtrade-zertifizierten Rosenfarmen darauf geachtet, Pestizide so weit wie möglich zu reduzieren und auch nicht chemische Mittel einzusetzen. Hinzu soll in Fairtrade-Betrieben auf Schutzmaßnahmen geachtet werden: Pflanzenschutzmittel sollen nur von geschultem Personal ausgebracht, Gewächshäuser nach dem Spritzen gesperrt werden. Auch Arbeitsverträge, angemessene Löhne und Mutterschutzzeiten für die vorwiegend weiblichen Beschäftigten gehören nach Angaben von Fairtrade in den zertifizierten Betrieben zum Standard.

Eine einzelne rote Tulpe steht auf einem Feld zwischen vielen weißen Tulpen.

Eine einzelne rote Tulpe steht auf einem Feld zwischen vielen weißen Tulpen.

Blumen aus Deutschland haben die beste Ökobilanz

Und Fairtrade-Rosen aus Ostafrika punkten im Vergleich zu Rosen aus europäischen Gewächshäusern mit einer besseren Ökobilanz. So verursachen Fairtrade-Rosen laut einer Studie im Auftrag des Schweizer Handelsunternehmens Migros trotz ihrer weiten Flugstrecke 5,5-mal weniger CO₂ und verbrauchen 6,5-mal weniger Energie als konventionell angebaute Rosen aus den Niederlanden. Das liegt an dem großen energetischen Aufwand für das Beheizen der Gewächshäuser.

Ungeschlagen dagegen sind Blumen, die hierzulande wachsen. Laut Angaben des Zentralverbands Gartenbau sind viele Betriebe dabei, sich in Sachen Energieeffizienz zu optimieren. Zudem sei die Umstellung auf regenerative Energieträger in vollem Gang.

Auf dem Acker von Kraut & Blume wachsen die Pflanzen mal besser, mal schlechter. Manchmal müssen die beiden Farmerfloristinnen improvisieren, immer werden sie kreativ. Jeden Blumenstrauß stellen die beiden frisch vom Feld zusammen aus Schnittblumen, Gräsern und Kräutern.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Für Anna Buchwald ist ihre Arbeit auf dem Acker vergleichbar mit einem Naturschutzprojekt: „Blüten in einer landwirtschaftlichen Umgebung sind extrem viel wert, wir machen viel für den Boden, damit auch Humusaufbau stattfindet, und wenn wir nicht auf dem Acker arbeiten, haben die Tiere ihre Freiheiten und leben hier.“ Menschen, die es nicht regelmäßig aufs Land schaffen, bekommen durch ihren Blumenstrauß einen Eindruck, wie sich die Landschaft verändert und was auf dem Feld gerade wächst.


Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken