Neun Thesen zum 9-Euro-Ticket
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/XBD4EAC6CRHBNLVHMUHGZ726HA.jpeg)
Einen Monat lang für 9 Euro durch ganz Deutschland: Das ist diesen Sommer möglich und wird von vielen Menschen genutzt. Aber wie soll es nach dem Sommer weitergehen?
© Quelle: Soeren Stache/dpa
1. Das 9-Euro-Ticket löst eine kurzfristige Nachfragesteigerung aus. Wenn sich bis 2030 die Fahrgastzahlen auf der Schiene dauerhaft verdoppeln sollen, erfordert das eine kontinuierliche jährliche Steigerung von 9 Prozent.
2. Schon der bisherige Ansturm auf die Züge hat es gezeigt: Wir brauchen mehr Bahn und die Schiene mehr Geld, zum Beispiel so viel wie in Skandinavien. Auch das bedeutet bis 2030 ein Plus von jeweils mindestens 9 Prozent pro Jahr.
3. Für den Deutschlandtakt sind 181 Maßnahmen und 50 Milliarden Euro notwendig. In den verbleibenden knapp neun Jahren darf es daher weder bei der Finanzierung noch bei den Genehmigungsverfahren Verzögerungen geben.
4. Die letzten neun Verkehrsminister, die seit 1998 von SPD und CSU gestellt wurden, haben mit zu dem beklagenswerten Zustand der Bahn beitragen. Nummer zehn, nun von der FDP, hat immer noch die Chance, es tatsächlich besser zu machen.
5. Seit den Fünfzigerjahren wurden 15.000 Kilometer Schiene stillgelegt. 238 Strecken haben eine realistische Chance auf Reaktivierung. Bis 2030 müssten daher – um bei der Zahl zu bleiben – alle vier Monate neun Strecken wieder in Betrieb gehen.
6. Die Reaktivierung soll durch ein neues Berechnungsverfahren erleichtert werden, das Ende 2021 vorliegen sollte. Seither geht der neue Minister damit schwanger. Im September wären es neun Monate.
7. In Deutschland bestehen ungefähr 100 Verkehrsverbünde. Für einen effizienten Betrieb und für einheitliche Tarife würden wahrscheinlich neun Organisationen ausreichen. Die großen Verbünde zeigen, dass es geht.
8. In einigen Ländern und Verkehrsverbünden gibt es Tickets, die ein bis 1,50 Euro pro Tag kosten. Die Bahncard 100 kostet das Zehnfache. Wie wäre es mit einer Klimakarte für monatlich 99 Euro – etwa wie aktuell in Österreich?
9. Bis es so weit ist, sollte das Ticket um neun Monate verlängert werden. Zusätzliche Sonderzüge mit alten Gepäckwagen für Fahrräder zu touristischen Zielen an Wochenenden und in den Ferien sind kurzfristig nötig und machbar.
Holger Krawinkel ist Energieexperte, Stadt- und Regionalplaner. Die RND-Kolumne „Greenformation“ über den Umbau der Wirtschaft schreibt er im Wechsel mit DIW-Professorin Claudia Kemfert, BDEW-Chefin Kerstin Andreae und RND-Redakteur Frank-Thomas Wenzel. Klicken Sie hier für weitere Beiträge.