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Überraschende Förderkürzung der Opec+

Wie das Ölkartell die Spritpreise in die Höhe treibt

Ein Pumpe arbeitet in einem Ölfeld.

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Frankfurt am Main. Damit hatten auch Analysten nicht gerechnet, die viel Erfahrung in der Exegese von Ansagen der Opec haben. Das Ölkartell und seine Alliierten (Opec+) – darunter Russland – haben am Sonntag völlig überraschend eine massive Förderkürzung bekannt gegeben. Daraufhin sprangen die Notierungen für Rohöl so schnell in die Höhe wie schon lange nicht mehr. Autofahrerinnen und Autofahrer müssen sich auf steigende Spritpreise einstellen.

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Die Notierungen der Referenzsorte Brent, die für den europäischen Markt maßgeblich ist, ging am Montag zunächst um rund 8 Prozent nach oben. Am Nachmittag lag das Plus mit fast 85 Dollar pro Fass bei 5,7 Prozent – was immer noch der höchste Anstieg an einem Tag seit knapp einem Jahr war.

Eine Art energiepolitischer Präventivschlag

Eigentlich werden Veränderungen bei den Fördermengen, auf den monatlichen Sitzungen der Opec+ beschlossen. Das Treffen war für Montag geplant. Noch Ende voriger Woche gingen die Analysten davon aus, dass die bisherigen Kürzungen von rund zwei Millionen Fass (159 Liter) pro Tag bis zum Ende des Jahres bestehen werden. Entsprechend hatte sich auch der saudische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman zuvor mehrfach geäußert.

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Die Entscheidung, von Mai an zusätzlich rund 1,1 Millionen Fass weniger aus dem Erdreich zu pumpen, wurde am Sonntag ohne offizielle Konsultationen getroffen. Offenbar hatte es zuvor geheime Verhandlungen gegeben. Von Juli an sollen die Kürzungen auf 1,6 Millionen Fass ausgeweitet werden.

Am Montag rätselten die Expertinnen und Experten, was dahinter steckt. Zumal die Regierung in Riad den Schritt offiziell als „Vorsichtsmaßnahme zur Unterstützung der Stabilität der Ölpreise“ bezeichnet. Also eine Art energiepolitischer Präventivschlag. Eine höchst ungewöhnliche Begründung. Klar ist aber, dass es vor allem die US-Regierung trifft. Das Weiße Haus erklärte auch prompt, dass man die Entscheidung der Opec+ für „nicht ratsam“ halte.

US-Regierung genehmigt großes Ölbohrprojekt in Alaska
HANDOUT - 02.02.2023, USA, Alaska: Dieses von ConocoPhillips zur Verfügung gestellte Luftbild zeigt ein Lager für Erkundungsbohrungen am geplanten Standort des «Willow»-Ölprojekts am North Slope von Alaska. Die US-Regierung hat ein umstrittenes Ölbohrprojekt des Energiekonzerns ConocoPhillips in Alaska genehmigt. Auf staatlichem Gebiet sollen in den kommenden Jahrzehnten rund 600 Millionen Barrel Öl gefördert werden. (zu dpa: «US-Regierung genehmigt großes Ölbohrprojekt in Alaska») Foto: -/ConocoPhillips via AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Umweltschützer erwägen, gegen das milliardenschwere Willow-Projekt im Nordwesten des US-Bundesstaates zu klagen.

Spritpreise sind in den USA ein Politikum

Präsident Joe Biden hatte im vorigen Jahr, als die Preise wegen des Ukraine-Krieges in die Höhe schossen, mehrfach die Saudis aufgefordert, die Förderung zu erhöhen – ohne Ergebnis. Im Gegenteil: Kurz vor den Zwischenwahlen im Herbst verknappte die Opec+ mit den Saudis an der Spitze den Rohstoff für Benzin und Diesel sogar deutlich.

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Spritpreise sind in den USA ein Politikum. Voriges Jahr gab es in der Bevölkerung viel Unmut. Das könnte sich nun wiederholen, da nach dem Winter die Driving Season beginnt: Es wird wieder mehr mit dem Auto gefahren. Hinzu kommt, dass der Beschluss zu einem Zeitpunkt kommt, da der Wahlkampf um das Präsidentenamt beginnt. Eine Attacke gegen Biden? Der Präsident erklärte jedenfalls, dass die Regierung mit den heimischen Erzeugern kooperieren werde, um die Spritpreise niedrig zu halten. Die US-Ölindustrie hat im Januar fast zwölf Millionen Fass pro Tag gefördert, so viel wie seit zwei Jahren nicht mehr.

Aus Sicht vieler Analysten sind noch andere Motive im Spiel. Die Entscheidung sei ein weiterer Hinweis darauf, dass die saudische Führung ihre Förderung aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen treffe, so Helima Croft von RBC Capital Markets in einem Statement. Riad will das Land zu einem globalen Zentrum für Tourismus, Kongresse, Großevents, Logistik und Luftfahrt ausbauen. Regierungsbeamte haben mehrfach betont, dass zusätzliche Einnahmen aus dem Ölgeschäft in diese neuen Sektoren investiert würden.

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Opec+ strebt konstant hohe Preise an

Ein anderes Erklärungsmuster kommt von Gary Ross, einem renommierten Berater, der die Ölmärkte seit mehreren Jahrzehnten beobachtet: Die Opec+ gehe zu einem proaktiven Verhalten über und wolle die Ölpreise aus dem Griff der makroökonomischen Stimmung ziehen. Tatsächlich haben die Notierungen vergangenen Monat eine bemerkenswerte Berg-und-Tal-Fahrt hingelegt.

Anfang März kosteten die 159 Liter noch mehr als 84 Dollar, da war viel Optimismus über die globale konjunkturelle Entwicklung eingepreist. Dann kam mit 72 Dollar ein Absturz auf den niedrigsten Wert seit 15 Monaten, und zwar als sich mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS eine Bankenkrise andeutete, die eine Rezession hätte auslösen können. Als diese Befürchtungen sich verflüchtigten, ging es mit den Rohölpreisen wieder deutlich nach oben.

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Das Szenario von Ross würde darauf hinauslaufen, dass die Opec+ konstant hohe Preise anstrebt. Das passt zu Äußerungen der nigerianischen Regierung, die im Herbst betonte, dass sie 90 Dollar pro Fass haben möchte. In vielen Opec-Staaten sind die Öleinnahmen das Rückgrat der Staatshaushalte, was auch für Russland gilt.

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Verbraucher sollten die Reaktion der Fed beobachten

Profiteure der Turbulenzen im März waren hierzulande die Dieselfahrerinnen und ‑fahrer. Nach den aktuellen Auswertungen des Verbraucherportals Clever Tanken verbilligte sich der Kraftstoff binnen vier Wochen um durchschnittlich 4 Cent auf rund 1,72 Euro pro Liter. Der Sprit für die Selbstzünder war damit erstmals seit neun Monaten billiger als Super E10, das einen Cent teurer wurde.

Jetzt ist aber erst einmal klar, dass es für beide Kraftstoffarten Aufschläge geben wird. Erfahrungsgemäß bewegen sich die Preise an den Tankstellen mit einer Verzögerung von drei bis vier Tagen in die gleiche Richtung wie beim Rohöl. Die mittelfristige Tendenz ist aber derzeit so schwer einzuschätzen wie selten zuvor. Clever-Tanken-Chef Steffen Bock empfiehlt, insbesondere die US-Notenbank im Auge zu behalten: „Sollte die Fed im April die Zinsschraube erneut anziehen, könnten die Treibstoffpreise fallen.“

Der Mechanismus dahinter: Rohöl wird in Dollar gehandelt. Steigen die US-Zinsen, steigt auch der Kurs des Dollar gegenüber dem Euro. Durch den teureren Einkauf für europäische Raffinerien sinkt die Nachfrage nach Rohöl, was dessen Preis drückt. Zugleich machten am Montag Spekulationen über steigende Energiepreise, ausgelöst durch die Opec+, die Runde. Dies könnte die Konjunktur drücken. Letztlich würde dann aber auch die Nachfrage nach Benzin und Diesel zurückgehen.

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