Preisschock bei Strom und Gas

Stadtwerke-Chef Ebling: „Niemand kann voraussagen, wie sich die Welt­markt­preise entwickeln“

Michael Ebling (SPD) ist seit 2012 als Oberbürgermeister von Mainz im Amt.

Michael Ebling (SPD) ist seit 2012 als Oberbürgermeister von Mainz im Amt.

Berlin. Michael Ebling (SPD) ist seit 2012 Ober­bürger­meister der Stadt Mainz und seit 2016 Präsident des Stadt­werke­-Verbandes VKU. Im RND-Interview sagt er massive Preiserhöhungen für private Haushalte bei Strom und Gas voraus. Er fordert deshalb, die Verbraucher spürbar zu entlasten – und zwar auch durch eine Senkung der Stromsteuer und der Mehr­wert­steuer auf Energie.

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Herr Ebling, die Strom- und Gaspreise haben im Großhandel große Sprünge gemacht. Was kommt im Laufe des Jahres auf die Verbraucher zu?

Auf uns alle wird einiges zukommen. Mit dem Gefühl leben wird seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine. Uns werden auch die Flüchtlings­bewegungen massiv fordern. Das wird nicht an der sozialen Infrastruktur und der Leistungs­fähigkeit des Gemein­wesens spurlos vorbeigehen.

Was passiert konkret bei Strom und Gas?

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Hier werden wir uns auf große Preis­steigerungen einrichten müssen. Wenn die Belastungen der Bevölkerung zu groß werden – und das wird in weite Teile der Gesellschaft hineinreichen – muss es Entlastungen geben. Der beschlossene Wegfall der EEG-Umlage ist richtig, darf aber nicht die einzige Entlastung bleiben. Wir meinen, dass zusätzlich die Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Mindestmaß und auch die Mehr­wert­steuer auf Energie gesenkt werden sollten, um eine Entlastung in der Breite zu haben.

Stadtwerke leiden unter Preis­explosion im Großhandel

Wie stark werden die Strom- und Gastarife steigen? Werden sie sich verdoppeln oder verdreifachen?

Niemand kann voraussagen, wie sich die Weltmarktpreise entwickeln. Ich kenne die Liefer­verträge der Stadtwerke nicht im Einzelnen. Und man muss wissen, dass die Verträge der Unternehmen sehr unterschiedlich sind. Die Stadtwerke stehen dafür, dass sie mit einer nachhaltigen und langfristigen Einkaufs­politik über Jahre starke Preisschübe verhindern konnten. Den aktuellen Entwicklungen an den Groß­handels­märkten können sich Stadtwerke aber auch nicht dauerhaft entziehen.

Bei der EEG-Umlage wird gefordert, die wegfallenden 3,7 Cent vollständig an die Verbraucher weiterzureichen. Werden das die Stadtwerke tun?

Natürlich. Aber leider wird die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage aufgezehrt durch den gleichzeitig viel stärkeren Anstieg der Beschaffungs­preise. Ein komplettes Durchreichen der Entlastung ist für uns so etwas wie Förmlerei. Tatsächlich dämpft das Streichen der EEG-Umlage lediglich den Preisanstieg.

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Das bedeutet?

Es hat doch keinen Sinn, wenn der Kunde erst über die gute Nachricht von einer Entlastung in Höhe von 3,7 Cent pro Kilo­watt­stunde informiert wird. Und kurze Zeit später bekommt er dann eine Mitteilung, in der erläutert wird, dass der Strompreis wegen des Krieges in Europa erhöht werden muss.

Wie wird es denn dann laufen?

Wenn ein Preisbestandteil sich ändert, dann wird der Tarif neu berechnet. Und der besteht weitestgehend aus den aktuellen Beschaffungs- und den Fixkosten wie Steuern, Abgaben und Umlagen. Kosten­senkungen und ‑steigerungen werden dabei saldiert. Wenn der Gesetzgeber nun aber die Eins-zu-eins-Durch­reiche beschließt, kommen dem natürlich alle nach. Und müssen vermutlich später die Differenz in weiteren Preisschritten wieder ausgleichen.

Schutz vor Preisschock

Das muss man den Verbrauchern dann aber gut erklären.

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Deshalb fordern wir die weitergehenden Entlastungen. Der Wegfall der EEG-Umlage ist gut, aber er wird nicht reichen, um die Verbraucher vor einem Preisschock zu schützen. Wir brauchen deshalb zugleich zielgerichtete Unterstützungs­maßnahmen. Es wird nicht reichen, dieses Geld mit der Gießkanne zu verteilen.

Also Direktzahlungen vor allem an Familien mit Kindern und mit niedrigen Einkommen?

Das Geld muss zu den Bürgerinnen und Bürgern kommen, die besonders betroffen sind. Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen. Wir müssen verhindern, dass Energie­preise zu einer neuen sozialen Frage werden. Es gilt, einen aggressiven Mechanismus zu verhindern: Nämlich, dass Menschen die Preis­entwicklungen als zu belastend empfinden. Es wird aber auch darum gehen, mittelständischen Unternehmen zu helfen, denen droht, von den hohen Energiekosten an die Wand gedrückt zu werden.

Das alles ist Nothilfe. Was muss darüber hinaus passieren?

Wir müssen Unternehmen verstärkt bei ihren Trans­formations­prozessen helfen. Hier in Mainz will die Firma Schott, führend in der Glas­technologie, im Jahr 2030 klimaneutral sein. Das Unternehmen setzt nun verstärkt auf Wasserstoff. Vielleicht schaffen wir es, aus dieser schwierigen Situation etwas Positives zu machen. Die bisherigen Aufgaben im Klimaschutz bleiben bestehen. Sie müssen nun aber angesichts des Ukraine-Krieges erheblich schneller umgesetzt werden.

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Wasserstoff als Hoffnungs­träger

Gilt das auch für die etwas aus der Mode gekommene Idee des Energiesparens und der Effizienz?

Natürlich. Beim Thema Effizienz liegt die Frage auf der Hand, wie der Besitzer eines Eigenheims schneller von der Öl- oder Gasheizung wegkommt. Etwa durch den Einbau einer Wärmepumpe, den Umstieg auf Wasserstoff oder die Stärkung der Nah- und Fernwärme, wofür schnellere und bessere Förderwege ein wichtiges Instrument wären.

Und beim Energiesparen können die Stadtwerke noch einmal trommeln – das ist gerade in Zeiten mit angespannter Versorgungslage enorm wichtig. Da macht auch Kleinvieh noch mal Mist, wenn es etwa darum geht, dass Elektrogeräte nicht permanent angeschaltet bleiben.

Was können Stadtwerke tun, damit Deutschland schneller vom russischen Gas unabhängig wird?

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Wir haben hier in Mainz mit den Firmen Schott, Werner & Mertz, mit den Marken Erdal und Frosch sowie mit einem Papier­hersteller in unmittelbarer Nähe die Idee, eine Wasser­stoff­produktion über eine Kläranlage und die Abfall­produkte einer Müll­verbrennung zu ermöglichen. Auch solche lokalen Projekte brauchen öffentliche Förderung.

Und nicht zuletzt: Wie schaffen wir es in unseren Städten, endlich Photo­voltaik so auszurollen, wie wir uns das eigentlich vorstellen? Allein die Potenziale für Solar­anlagen auf den Dächern öffentlicher Gebäude sind riesig. Aber wir vermissen dafür die finanziellen Anreize, die solche Vorhaben lukrativ machen.

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