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Caravaning: der Wettlauf um die ersten Elektro­fahrzeuge

Der kleine Unterschied: Rein äußerlich ist das Elektro­wohnmobil lediglich am E im Kennzeichen zu erkennen.

Der kleine Unterschied: Rein äußerlich ist das Elektro­wohnmobil lediglich am E im Kennzeichen zu erkennen.

Wer mit dem Reisemobil oder einem Wohnwagengespann in den Urlaub fährt, zählt in der Regel zu den Langstrecklern. Als idealer Antriebspartner hat sich dabei der Dieselmotor bewährt. Speziell bei den Wohnmobilen, egal ob Campingbus oder Luxusliner, scheint die Partnerschaft mit dem Selbstzünder auf unabsehbare Zeit in Stein gemeißelt. Von ein paar exotischen Einzelstücken abgesehen, gibt es bisher kaum Alternativangebote zum Selbstzünder – ganz zu schweigen vom Elektroantrieb.

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Doch nun kommt Bewegung in die Szenerie, liefern sich doch mit den Traditionsmarken Dethleffs und Knaus-Tabbert sogar zwei Hersteller einen Wettstreit in Sachen E‑Caravaning. Und zwar sowohl bei den Wohnmobilen als auch bei den Wohnanhängern. Doch der Reihe nach.

Von der Studie zur Serienreife

Das Unternehmen Dethleffs, das in diesem Jahr sein 90-jähriges Bestehen feiert, ist innerhalb der Erwin-Hymer-Gruppe für elektromobile Zukunftstechnologien zuständig und hatte bereits 2017 auf dem Düsseldorfer Caravan-Salon mit dem E‑Home als Erster eine Elektroreisemobil-Studie präsentiert: ein rundum mit Solarzellen beklebtes Alkovenmodell.

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Wesentlich näher an der Realität präsentierte Dethleffs-Chef Alexander Leopold zwei Jahre später den Globevan e‑hybrid. Der Campingbus auf Basis eines Ford Tourneo Custom PHEV fährt immer elektrisch und schafft mit dem verbauten 13,6-kWh-Akku-Pack rund 50 Kilometer im reinen E-Modus. Dank eines 1,0-Liter-Eco-Boost-Benzinmotors an Bord wird dieser Aktionsradius allerdings auf bis zu 500 Kilometer ausgeweitet. Der Verbrenner kommt dabei ausschließlich als Range Extender zum Einsatz und dient lediglich als Generator zum Aufladen der Lithium-Ionen-Batterie. Nach diesem Prinzip arbeitete schon vor vielen Jahren im Pkw-Bereich der Opel Ampera.

Immer im Bilde: Der Fahrer kann den Energiefluss im großen Monitor kontrollieren.

Immer im Bilde: Der Fahrer kann den Energiefluss im großen Monitor kontrollieren.

Aus dem für Frühjahr 2020 angekündigten Verkaufsstart des Ford-Campers mit Aufstelldach wurde allerdings nichts. „Die Serienumsetzung stellte sich als wesentlich komplexer dar, als wir zunächst angenommen hatten“, erklärt Alexander Leopold, deutet aber an, dass die Auslieferung des bei knapp 75.000 Euro startenden Modells als Transit oder Tourneo Custom PHEV im nächsten Jahr beginnen könnte. „Vom Campingausbau her ist das Fahrzeug fertig.“ Es seien nur noch einige technische Freigabeprobleme mit dem Kölner Chassishersteller zu klären.

So könnte es tatsächlich noch zu einem Wettrennen mit der Knaus-Tabbert-Gruppe kommen, denn die hat auf dem Düsseldorfer Caravan-Salon gerade das erste teilintegrierte Wohnmobil enthüllt. Und Wolfgang Speck, der Geschäftsführer des börsennotierten Unternehmens aus dem Bayerischen Wald, kündigt einen „sehr zeitnahen“ Beginn der Serienfertigung an, möglicherweise schon im nächsten Jahr.

Äußerlich nicht von der Serienversion des Knaus Van Ti Vansation auf Fiat-Ducato-Basis zu unterscheiden, lassen lediglich die beiden großen Displays im Cockpit die Verwandlung zum Elektrowohnmobil erahnen. Und natürlich der praktisch lautlose Antrieb. Dabei geht Knaus einen völlig eigenen Weg.

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Herausforderung 3,5-Tonnen-Limit

„Wir haben schnell festgestellt, dass es im Reisemobilbereich in absehbarer Zeit keinen Chassishersteller gibt, mit dem sich unsere Ansprüche an ein reisetaugliches Fahrzeug umsetzen lassen“, sagt Speck. Denn die Gewichtsproblematik lässt sich mit den vorhandenen Elektrovarianten der Transporter nicht lösen. Sie sind, egal ob Fiat Ducato oder Mercedes Sprinter, 300 bis 500 Kilogramm schwerer als vergleichbare Dieselversionen und pulverisieren damit die ohnehin eher knappe Zuladekapazität in der 3,5-Tonnen-Klasse nahezu auf null. Ein massentaugliches Wohnmobil für die Zukunft habe aber nur in dieser Gewichtsklasse Sinn.

So versucht es Knaus-Tabbert in Kooperation mit HWA Engineering mit einem eigenen, seriellen Hybridsystem. Das E‑Wohnmobil hat eine 35,5-kW-Batterie an Bord, deren Kapazität allein rund 90 Kilometer Reichweite ermöglicht. Ein kleiner Verbrennungsmotor sorgt dafür, dass danach aber noch nicht Schluss ist. Er fungiert wie bei Dethleffs allerdings nur als Range Extender, sprich: als Hochvoltgenerator, der permanent die Batterie auflädt. Das Fahrzeug, bei dem der 180 kW/245 PS starke Elektromotor die Vorderräder antreibt, fährt also ausschließlich und unbegrenzt elektrisch bis zum nächsten Tankstopp.

Wankelmotor in der Studie

In der Studie arbeitet als Range Extender ein hochmoderner Wankelmotor. Die Vorteile: kompakte Abmessungen, einfacher Aufbau, laufruhig, leise im Betrieb, nutzbar im idealen Drehzahlband. In der zeitnah versprochenen Serienausführung sei zunächst ein kleiner Benziner vorgesehen. Das langfristige Ziel der Knaus-Tabbert-Forschung sieht allerdings anstelle des Drehkolben-, Benziner- oder Dieselmotors eine Brennstoffzelle als Range Extender vor. Da würde des E‑Reisemobil dann völlig abgasfrei fahren.

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Das alles sei möglich, weil es sich bei dem Elektroantrieb um ein modulares System handelt, das alle Möglichkeiten offenhält, verdeutlicht Knaus-Geschäftsführer Gerd Adamietzki. „Nicht nur, was den Range Extender angeht. Das System wird in allen unseren Reisemobilklassen und über alle Marken einsetzbar sein.“ Deshalb müsse das erste Serienfahrzeug auch nicht – wie die Studie – unbedingt auf einem Fiat Ducato aufbauen, verrät Adamietzki geheimnisvoll.

Hinter den drei Buchstaben des Kooperationspartners HWA aus Affalterbach verbirgt sich übrigens Hans-Werner Aufrecht, der auch den Mercedes-Motorsport-Ableger AMG gründete. Das große Know-how aus der Formel 1 in puncto Elektro- und Hybridantrieb käme auch Knaus-Tabbert zugute, behauptet Knaus-Mitgeschäftsführer Werner Vaterl. Schließlich denke man für die Zukunft über ein völlig eigenes Chassis nach.

Auch Wohnwagen demnächst unter Strom

Beim Thema E‑Mobilität konzentriert sich Knaus aber keineswegs allein auf die Reisemobile. Mit dem Boom der E‑Autos werden künftig auch Wohnwagen von reinen Stromern gezogen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung sind die neuen E‑Power-Varianten der Südwind-Baureihe, die mit Induktionsherd und Kompressorkühlschrank völlig gasfrei betrieben werden.

Wettbewerber Dethleffs ist hier allerdings schon ein Stück weiter. Die Allgäuer haben in Kooperation mit der Erwin-Hymer-Konzernmutter und dem Technologiekonzern ZF Friedrichshafen den Prototyp des Wohnwagens E‑Home Coco erstellt, der über eine mitangetriebene Achse das Zugfahrzeug unterstützt und die durch das Anhängegewicht deutlich reduzierte Reichweite wieder aufbessert. Am Haken eines Audi e‑tron wurde das E‑Gespann als Herausforderung auf eine Alpenüberquerung ohne Zwischenladung geschickt. Mit Erfolg.

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Für eine Serienumsetzung stellt sich allerdings noch das Gesetz als Hemmnis dar. Alexander Leopold glaubt aber, dass sich das in den nächsten drei Jahren ändern könnte: „Weil es in die Zeit passt und für eine elektromobile Zukunft einfach notwendig ist.“ Nebenbei: In den USA gibt es bereits entsprechende Gesetzesregelungen, weshalb der Kultwohnwagen Airstream Ende September bereits mit selbst angetriebener Achse vorgestellt wird. Airstream ist ja ebenfalls eine Marke von Thor Industries, dem weltweit größten Hersteller von Freizeitfahrzeugen, zu dem mittlerweile auch die komplette Erwin-Hymer-Gruppe gehört.

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